Wenn Nachhaltigkeit die Finanzierung beeinflusst

Nachhaltigkeit ist heute das neue Normal: Die Verwendung regenerativer Energien, der sparsame Einsatz von Rohstoffen und Vorprodukten, aber auch die Pflege sozialer Standards ist bei Unternehmen aus allen Branchen das Gebot der Stunde. Beim Blick auf das Thema nachhaltige Finanzen zeigt sich allerdings: Hier gibt es noch jede Menge Aufklärungsbedarf bei den Betrieben. Und auch die Politik hat noch einige Hausaufgaben vor sich. Auf Einladung der IHK Südlicher Oberrhein haben sich Experten rund um das Thema Sustainable Finance vor einem interessierten Publikum im SWR-Studio Freiburg ausgetauscht. Moderiert wurde die Veranstaltung von Christoph Ebner (SWR).
Die Auswirkungen des Klimawandels und der große Bedarf an grüner Energie rücken das Thema Nachhaltigkeit immer stärker ins Bewusstsein der Menschen. Der ressourcenschonende Einsatz von Energie und Rohstoffen und die Vorbereitung auf mögliche Naturkatastrophen ist für mittelständische Unternehmen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Kein Wunder also, dass Hausbanken die Kreditvergabe immer stärker am Thema nachhaltige Unternehmensstrategie festmachen. „Sustainable Finance bedeutet, dass Finanzmarktteilnehmer und die Realwirtschaft Nachhaltigkeitsaspekte in sämtliche Entscheidungsprozesse integrieren müssen“, sagte Reiner Richter, IHK-Vizepräsident und Vorstand der Volksbank Lahr bei seiner Begrüßung.
„Hinter jeder Emission steckt eine Investition.”
Dass die Banken automatisch mit an Bord sind, liegt auf der Hand. „Hinter jeder Emission steckt eine Investition. Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft muss finanziert werden. Das wird unheimlich viel Geld kosten. Diese Finanzierung ist ohne Banken nicht denkbar“, ordnete Moritz Pohle, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei SNP Schlawien Partnerschaft in Freiburg, das Thema ein. Deshalb nimmt die EU die Kreditinstitute in Sachen Klimaschutz an die Kandare. Sie sind ein entscheidender Akteur innerhalb der sogenannten EU-Taxonomie, ein europäisches Regelwerk für Nachhaltigkeit. Ziel dabei: Die im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten Ziele zu erreichen. Der sogenannte Green Deal der Europäischen Union sieht vor, die Netto-Treibhausgasemissionen in der Union bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Bis 2050 sollen netto sogar überhaupt keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden – das Wachstum der Wirtschaftszone soll sich von der Ressourcennutzung abkoppeln.
„Die EU benutzt die Banken, um dabei einen Kontrollhebel zu haben“, sagte Michael Grüninger, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Staufen-Breisach. „Es besteht jedoch die Gefahr, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet.“ Laut Grüninger sind etwa 100 Firmenkunden unmittelbar von den Sustainable-Finance-Vorgaben der EU betroffen. Allerdings trifft es indirekt auch viele andere kleine und mittleren Betriebe. „Die großen Unternehmen werden ihre Vorgaben sukzessive auf die kleinen Unternehmen ausrollen.“
Laut Dr. Jonas Löher vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn werden bereits heute in vielen Unternehmen Daten zur Nachhaltigkeit erfasst, weil berichtspflichtige Großkunden in der Lieferkette – vor allem aus der Industrie – dies verlangten. Allerdings haben sich rund 70 Prozent der Betriebe bisher noch nicht mit der systematischen Messung und Dokumentation von CO2-Emmissionen beschäftigt. Auch weil, der dahinterstehende Aufwand für die Betriebe hoch ist. Das ist ein Ergebnis einer Studie, die das IfM zusammen mit der IHK Siegen im Sommer 2022 durchgeführt hat. Das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit ist jedoch geschärft. Bei der Umfrage gaben zwei Drittel der Unternehmen an, innerhalb der kommenden drei Jahre in diesen Bereich zu investieren.
Zum Hintergrund: Seit dem Geschäftsjahr 2017 müssen rund 500 große kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen eine Nachhaltigkeitsdokumentation erfüllen. Die Vorgaben dazu hat die EU in einer sogenannten CSR-Richtlinie (CSR: Corporate Social Responsibility) festgeschrieben. Diese Verpflichtung wird nun ausgeweitet, rund 15.000 Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten werden hierzulande in wenigen Jahren von den Dokumentationsanforderungen betroffen sein, viele von ihnen aus dem klassischen Mittelstand.
Dr. Rainer Kambeck, Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin, sieht die Gefahr eines „bürokratischen Monsters“. Kambeck erkennt bei der Umsetzung der EU-Taxonomie noch „jede Menge ungelöste Probleme“. Je nachdem in welche Branche ein Zulieferer ein bestimmtes Produkt liefere sei es einmal nachhaltig und einmal nicht. „Wir akzeptieren die Ziele der CO2-Neutralität, setzen uns derzeit bei der EU-Kommission aber dafür ein, mehr Realismus, mehr Wissen und mehr Praxisbezug in die Regelungen und Definitionen zu bekommen.“ Auch sei es entscheidend, die Vorgaben der EU mit denen aus anderen Regionen der Erde in Einklang zu bringen. „Am Ende muss das Ziel sein, weniger Bürokratie hervorzurufen und nicht noch mehr Belastungen für die Unternehmen zu erzeugen.“ Betriebe dürften nicht in Investitionsentscheidungen gedrängt werden, die der Staat vonseiten der Infrastruktur (Beispiel Wasserstoffproduktion und -verteilung) gar nicht begleiten könne.
In Bezug auf die Vorgaben der EU-Taxonomie sei es „ganz entscheidend, die Belange des Mittelstands zu berücksichtigen“, sagte Bodo Sentker, Leiter ESG Client Solutions Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank in Frankfurt. Das Institut sei gerade stark damit beschäftigt, die Firmenkunden für das Thema „Sustainable Finance“ zu sensibilisieren und auf dem Weg zur Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen.
“Wir sind gut unterwegs, doch noch längst nicht am Ziel.”
Die Deutsche Bank selbst habe sich zum Ziel gesetzt, 500 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen bis zum Jahr 2025 anzubieten. „Es geht nicht nur darum, ausschließlich Windkraft- und Solaranlagen zu finanzieren, es soll ganz bewusst die Transformation der Wirtschaft finanziert werden“, sagte Sentker. Je nach Branche seien die Herausforderungen ganz unterschiedlich.
UUnd selbst ein Unternehmen, das sich mit nachhaltiger Mobilität beschäftigt, kommt nicht drum herum, die Nachhaltigkeitspotenziale im Betrieb zu identifizieren und zu dokumentieren, wie Andrea Kurz, Geschäftsführerin des Mobilitätsdienstleisters Jobrad in Freiburg, sagte. „In Bezug auf die Lieferkette stellen uns Kunden Fragen, wir sind mit den Banken dazu im Gespräch und auch die Mitarbeitenden finden das Thema ganz wesentlich.“ Jobrad habe im vergangenen Jahr den ersten Nachhaltigkeitsbericht für 2021 erstellt. „Es war für uns eine gute Übung, um zu sehen, wie breit das Feld eigentlich ist. Wir sind gut unterwegs, doch noch längst nicht am Ziel.“