Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz


1. Einleitung
Am 18.08.2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten.
Danach ist es verboten, Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen, die in Ihrer Person liegen, zu benachteiligen.
Insbesondere für den Bereich des Arbeitsrechts ergeben sich für Arbeitgeber Konsequenzen, die zwingend beachtet werden müssen. Nachfolgend wird im Übrigen - zur Vereinfachung - die maskuline Form sämtlicher Bezeichnungen als Synonym für beide Geschlechter verwendet.
2. Der gesetzgeberische Wille
Bereits in Artikel 3 des Grundgesetzes ist die Gleichheit der Menschen festgestellt und insbesondere die Gleichheit von Männern und Frauen hervorgehoben. Der Gesetzgeber wollte mit dem AGG diesen Gleichheitssatz ausweiten. Das AGG normiert, dass niemand wegen
  • Rasse oder ethnischer Herkunft Geschlecht,
  • Religion oder Weltanschauung,
  • Behinderung,
  • Alter oder
  • sexueller Identität
diskriminiert werden darf.
3. Begriffsklärung
Entscheidend ist das Verständnis für die im Gesetz verwendeten Begriffe. Dabei lassen sich folgende Definitionen festhalten:
  • Rasse und ethnische Herkunft bezeichnen fremdländische Herkunft oder Abstammung. Trotz der (historisch bedingten) negativen Besetzung des Begriffes „Rasse” hat dieser Ausdruck Eingang in das Gesetz gefunden, da hier die Umsetzung der Brüsseler Anti-Rassismus-Richtlinie deutlich werden sollte.
  • Bei dem Begriff Geschlecht ist die Diskriminierung von Frauen und / oder Männern aufgrund deren Geschlechtszugehörigkeit gemeint
  • Religion oder Weltanschauung bezeichnen die Freiheit des Glaubens und des weltanschaulichen Bekenntnisses. Hierbei ist zu beachten, dass es keine Pflicht zur Offenbarung der religiösen Weltanschauung gibt.
  • Behinderung liegt vor, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder seelischen Gesundheit – nicht bloß vorübergehend, d.h. länger als sechs Monate - von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Bedingt dadurch muss die Teilnahme des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sein.
  • Alter bezeichnet das Lebensalter und soll eine Gleichbehandlung von Alt und Jung bezwecken. Dabei steht der Schutz von Älteren gegenüber Jüngeren dem Schutz von Jüngeren gegenüber Älteren gleichwertig gegenüber.
  • unter dem Begriff der sexuellen Identität bezieht sich der Gesetzgeber auf homosexuelle, bi- und transsexuelle, sowie zwischengeschlechtliche Menschen (so genannte Hermaphroditen).
4. Benachteiligung und Benachteiligungsverbot
Das Gesetz erstreckt die Ungleichbehandlung auf vier Verhaltensweisen, die mit den Begriffen unmittelbare Benachteiligung, mittelbare Benachteiligung, Belästigung und sexuelle Belästigung bezeichnet werden.
Dabei versteht der Gesetzgeber unter der unmittelbaren Benachteiligung die weniger günstige Behandlung im Vergleich zu einer anderen Person. Dazu kann beispielsweise die Ungleichbehandlung einer Frau wegen ihrer Schwangerschaft zählen.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn anscheinend neutrale Vorschriften geeignet sind, eine weniger günstige Behandlung für eine Person herbeizuführen, es sei denn, der Vorschrift liegt ein rechtmäßiges Ziel als sachliche Rechtfertigung zu Grunde.
Die Belästigung ist eine unerwünschte Verhaltensweise, die bezweckt, dass die Würde einer Person verletzt wird. Belästigungen können zum Beispiel durch Beleidigungen, Verleumdungen oder körperliche Übergriffen geschehen. Neben dem AGG können – je nach Intensität der Belästigung - auch noch andere Gesetze einschlägig sein. Das Allgemeine Zivilrecht für Schadenersatzansprüche und das Strafrecht für die Ahndung solchen Verhaltens bieten beispielsweise weiteren Schutz.
Die sexuelle Belästigung ist dem Sinne nach eine Belästigung, die sich auf der geschlechtlichen Ebene abspielt, sei es durch Bemerkungen sexuellen Inhaltes, Berührungen oder die Zurschaustellung von Pornographie. Ein Beispiel ist das in der Werkstatt gut sichtbar angebrachte Centre-Fold eines Herren-Magazins.
Diesen vier Verhaltensweisen stellt der Gesetzgeber die Anweisung zur Benachteiligung gleich. Nachfolgend wird - zur Vereinfachung - nur noch von Benachteiligungen die Rede sein.
5. Schutzbereich
Der Schutzbereich des Gesetzes erfasst im Bereich des Arbeitsrechtes vor allem die Arbeitnehmer. Sie sollen vor Benachteiligungen im Arbeitsalltag durch Vorgesetzte geschützt werden. Aber auch diskriminierendes Verhalten der Arbeitnehmer untereinander ist verboten.
In den Schutzbereich sind ausdrücklich auch Bewerber im Auswahlverfahren für eine ausgeschriebene Stelle einbezogen. Für sie gelten dieselben Regelungen wie für bereits eingestellte Mitarbeiter.
6. Pflichten des Arbeitgebers
Nicht bloß aktives Handeln kann einen Benachteiligungstatbestand erfüllen. Benachteiligungen können auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Arbeitgeber und Vorgesetzte haben deshalb die Pflicht, einzuschreiten, wenn sie von benachteiligendem Verhalten Kenntnis erlangen. Lassen sie ihre Mitarbeiter gewähren, drohen Schadenersatzklagen!
Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, diskriminierendes Verhalten seiner Mitarbeiter unter einander zu unterbinden.
7. Ausnahmen zu dem Verbot der Ungleichbehandlung.
Das AGG sieht Ausnahmetatbestände für die allgemeine Gleichbehandlung vor.
Solche Ausnahmen können sich aus den beruflichen Anforderungen, der Religion oder dem Alter ergeben. Ausnahmetatbestände dieser Art sind stets von einer sachlichen Rechtfertigung abhängig. Lautet etwa eine Stellenanzeige: „Sichere Deutschkenntnisse in Wort und Schrift werden vorausgesetzt”, kann dies bei der Ausschreibung für die Stelle als Redakteur einer Zeitung ein zulässiges Auswahlkriterium sein. Die Notwendigkeit ergibt sich vorliegend aus den beruflichen Anforderungen, § 8 AGG. Für einen Verkaufshelfer oder einen Packer dürfte die Anforderung dagegen eine unzulässige Benachteiligung wegen rassischer oder ethnischer Zugehörigkeit darstellen.
Ebenso dürfte ein gehbehinderter Mensch für die Anstellung als Dachdecker ausgeschlossen werden, da dort die Fähigkeit, sich sicher und zügig auf Gerüsten oder Dächern zu bewegen, für die Ausübung seiner Berufstätigkeit zwingend erforderlich ist.
Kirchen und sonstige Religionsgemeinschaften ist es erlaubt über die Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selber zu entscheiden. Aus diesem Grund darf zum Beispiel ein evangelisch-lutherischer Kindergarten bei der Einstellung eines neuen Erziehers einen römisch-katholischen Bewerber ablehnen. Etwas anderes gilt etwa für die Einstellung eines buddhistischen Gärtners, da dessen religiös-weltanschauliche Ausrichtung für seine Arbeit ohne Belang ist.
8. Rechtsschutz bei Ungleichbehandlung
Benachteiligte Personen haben die Möglichkeit, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erfolg hat die Klage, wenn der Betroffene eine Benachteiligung im Sinne des AGG und einen daraus entstandenen Schaden beweisen kann. Für das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes im Sinne des AGG (s.o.) genügen Indizien. Liegen diese vor, muss der Beklagte beweisen, dass er sich nicht diskriminierend verhalten hat. Das dürfte in der Regel schwer fallen. Als Rechtsfolgen drohen Schadenersatz-, Unterlassungs- und Verpflichtungsansprüche, die von dem angerufenen Gericht festgestellt werden können.
Unternehmen müssen deswegen Ihre Arbeitsweise umstellen und bereits vor künftigen unternehmerischen Entscheidung umdenken.
9. Umdenken bei der Einstellung von Bewerbern
Um im gerichtlichen Verfahren eine Chance zu haben, sollten Unternehmen rechtzeitig vorsorgen.
Der Arbeitgeber sollte sich vor einem Einstellungsgespräch einen genau ausgearbeiteten Fragenkatalog zusammenstellen, der ausschließlich Fragen beinhaltet, die für die unternehmerische Entscheidung über Zusage oder Absage erforderlich sind. Die Fragen dürfen weder zu detailliert, noch zu intim sein. So vermeiden Sie, dass im Bewerbungsgespräch Tatsachen erfragt werden, die Rückschlüsse auf bestimmte geschützte Merkmale der Person zulassen. Haben sie von vornherein keine Kenntnis von diesen Tatsachen, kann Ihnen später nicht der Vorwurf gemacht werden, Sie hätte einen Bewerber aufgrund eines solchen Merkmales abgelehnt. Es empfiehlt sich weiter, bei Bewerbungsgesprächen Zeugen hinzuzuziehen und ein Protokoll über den Gesprächsverlauf anzufertigen. Dies erleichtert später auch die Rekonstruktion des Gesprächsverlaufes.
Bei der Absage sollten Sie darauf achten, dass durch deren Formulierung nicht der Verdacht aufkommt, sie hätten sich aufgrund von geschützten Merkmalen des Bewerbers gegen dessen Einstellung entschieden.
Genauso wichtig wie die Beseitigung von Diskriminierung im Bewerbungsvefahren, ist der Schutz von Arbeitgebern vor "Trittbrettfahrern", die sich auf diskriminierende Stellenanzeigen nur zum Schein bewerben, um anschließend den Arbeitgeber auf Schadensersatz zu verklagen.
10. Umdenken im Arbeitsalltag
Das AGG sieht vor, dass der Arbeitgeber eine sogenannte Beschwerdestelle einrichtet. An diese Stelle sollen sich Arbeitnehmer wenden können, die eine Ungleichbehandlung im Sinne des Gesetzes erfahren haben oder befürchten. Die Beschwerdestelle hat letztlich die Funktion einer Selbstkontroll-Einheit im Unternehmen, die einer Klage vorgeschaltet sein soll. Für diesen Zweck muss das Unternehmen nicht extra eine neue Stelle einrichten. Als Anlaufstelle kann auch der Personalleiter oder eine andere Person benannt werden.
Fortbildungen und Schulungen müssen sämtlichen Mitarbeitern eines Unternehmens gleichermaßen zur Verfügung stehen.
Verstößt ein Mitarbeiter gegenüber einem anderen gegen Benachteiligungsverbote, sind die Maßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen muss von der Nachhaltigkeit und Intensität des benachteiligenden Verhaltens abhängig. Die Zwangsmittel reichen von der Verwarnung bis zur Kündigung des Mitarbeiters.
Ebenso wie das Betriebsverfassungsgesetz muss auch das AGG den Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Dafür genügt der ständige Aushang zum Beispiel am „schwarzen Brett”. Eine Verpflichtung für jeden Arbeitnehmer eine Papierversion der Gesetzes bereit zu halten, besteht nicht.
11. Auswirkungen auf Kündigungen
Das AGG stellt fest, dass für Kündigungen die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften gelten ( § 2 Abs.4 AGG). Dies sind zum einen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) - für Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern - und das von der Rechtsprechung anerkannte Willkürverbot (§ 242, 138 BGB) für Betriebe, die nicht unter das KSchG fallen.
Das bedeutet, dass eine sozial gerechtfertigte Kündigung oder eine nicht willkürliche Kündigung grundsätzlich keine verbotene Ungleichbehandlung im Sinne des AGG darstellen. Bei Kündigungen kann ohnehin meist schwerlich eine Ungleichbehandlung vorliegen, da es regelmäßig an einem Vergleichsfall fehlt. Dennoch sollten Kündigungen daraufhin untersucht werden, ob in den Kündigungsgründen durch das AGG verbotene Benachteiligungen enthalten sind. Drängt sich nämlich der Verdacht auf, dass sich hinter einer an sich sozial gerechtfertigten Kündigung tatsächlich eine verboteneBenachteiligung verbirgt, kann dass AGG wieder eingreifen.
12. Auswirkungen auf das allgemeine Zivilrecht
Auch außerhalb des Arbeitsrechtes wird das AGG Wirkung entfalten und Diskriminierungsverbote schaffen. So darf zum Beispiel im „Massengeschäft” niemand benachteiligt werden. Als „Massengeschäft” versteht man Geschäfte, die von der Person des Vertragspartners unabhängig sind. Daher darf etwa ein Taxifahrer einen Fahrgast nicht wegen dessen Hautfarbe von der Beförderung ausschließen. Ein Ladenbesitzer darf einen alten oder einen körperbehinderten Menschen nicht wegen dessen Alter oder Behinderung aus seinem Geschäft weisen. Auch Miet- und Versicherungsverträge werden vom AGG betroffen sein, obwohl sie keine „Massengeschäfte” sind.
Ungleichbehandlungen sind nur dort erlaubt, wo sie sozial erwünscht sind und kein Schutzbedarf besteht. Das bedeutet, dass zum Beispiel Schüler – und Seniorenermäßigungen bei Eintrittsgeldern weiterhin erlaubt sind, obwohl sie an sich eine Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellen.

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Stand: 03/2023