Öffentliche Konsultation zu Ethanol bis 28. April 2025

Derzeit läuft ein Verfahren zur Prüfung von Ethanol als Wirkstoff im Rahmen der EU-Biozid-Verordnung. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA führt dazu eine öffentliche Konsultation durch, um Informationen über mögliche Alternativen zu Ethanol zu sammeln. Betroffen sind u. a. Desinfektionsmittel.
Hier finden Sie die Konsultationsseite der ECHA.
Vorgeschlagen wird eine Einstufung von Ethanol als karzinogen Kategorie 1A oder 1B und reproduktionstoxisch Kategorie 1A oder 1B und zusätzlich eventuell mutagen Kategorie 1A oder 1B. Dadurch könnten ethanolhaltige Biozidprodukte nicht mehr zugelassen werden, sofern nicht bestimmte Ausnahmen greifen (z. B. in Verwendung in geschlossenen Systemen oder Bekämpfung einer ernsthaften Gefahr für die menschliche Gesundheit).
Die Verfügbarkeit geeigneter Alternativen ist generell ein zentraler Gesichtspunkt für die Entscheidung über die Zulassung. Die öffentliche Konsultation soll dazu beitragen, weitere Informationen zu sammeln, um festzustellen, ob es brauchbare Ersatzstoffe für Ethanol für die Anwendungen als Biozid in den Bereichen menschliche Hygiene, Desinfektion und Lebens- und Futtermittel gibt.
Eine breite Beteiligung an der öffentlichen Konsultation könnte dazu beitragen, aufzuzeigen, dass es hier kaum Alternativen gibt und Ethanol daher weiterhin als Biozid zugelassen werden sollte.

Mögliche Einstufung von Ethanol nach Biozidrecht

Ethanol, besser bekannt als Alkohol, ist ein wichtiger Stoff mit vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten beispielsweise als Lösungsmittel, Desinfektions- und Konservierungsmittel, Kraftstoff, Reinigungsmittel und in vielen medizinischen oder pharmazeutischen Produkten.
Ethanol ist in vielen Biozidprodukten enthalten. Als Biozidprodukt gelten neben Produkten, die direkt auf Schadorganismen wirken, wie Desinfektionsmittel, Insektizide, Rodentizide und Holzschutzmittel, auch solche Produkte, die Schädigungen vorbeugen sollen.
Die Sicherheit und Wirksamkeit des bisher zulässigen Wirkstoffs Ethanol wird derzeit im Rahmen eines Prüfprogramms für Altwirkstoffe der Biozidprodukte-Verordnung geprüft. Im März 2024 reichte die beauftragte griechische Behörde einen überarbeiteten Bewertungsbericht mit einem Gefahreneinstufungsvorschlag für Ethanol bei der ECHA ein. Diese Bewertung umfasst die Verwendung von Ethanol in drei Biozidproduktarten:
  • Produktart 1: Hygieneprodukte für den Menschen, wie Handdesinfektionsmittel;
  • Produktart 2: Desinfektionsmittel und Algizide, die nicht für den direkten Kontakt mit Menschen oder Tieren bestimmt sind;
  • Produktart 4: Produkte für den Einsatz in Lebensmittel- und Futtermitteln
Der Bericht von Griechenland wird derzeit im Ausschuss für Biozidprodukte (BPC) der ECHA und seinen Arbeitsgruppen beraten, ein Ergebnis wird in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 erwartet. Die endgültige Entscheidung wird danach die Europäische Kommission treffen.
Weitere Informationen:

Überarbeitung der Einstufung von Ethanol im Rahmen der CLP-Verordnung

Durch die Kriterien der CLP-Verordnung (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures) werden gefährliche Chemikalien auf der Grundlage ihrer inhärenten Eigenschaften identifiziert. Anwender werden über die Gefahren mit Hilfe von Gefahrensymbolen und -sätzen (sog. GHS-System) auf den Kennzeichnungsetiketten und in den Sicherheitsdatenblättern informiert. Eines der Hauptziele der CLP-Verordnung besteht in der Feststellung, ob ein Stoff oder Gemisch Eigenschaften aufweist, die zur Einstufung als gefährlich führen.
In der Regel stufen die Hersteller ihre Stoffe entsprechend der von ihnen ausgehenden Gefahren selbst ein. Für bestimmte Stoffe bestimmt die EU die Gefahrenklassen allerdings europaweit einheitlich. Mitgliedstaaten können diese harmonisierte Einstufung beantragen. Laut ECHA-Webseite hat die griechische nationale Behörde im Juli 2020 die Absicht für eine überarbeitete harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Ethanol eingereicht. Sie schlägt folgende neue harmonisierte Klassifizierungen vor (zusätzlich zu der schon bestehenden harmonisierten Einstufung: Flam. Liq. 2, H225 (highly flammable liquid and vapour)).
  • Eye Irrit. 2, H319 (causes serious eye irritation)
  • Repr. 2, H361d (suspected of damaging the unborn child)
  • Lact., H362 (may cause harm to breast-fed children)
  • STOT SE 3, H336 (may cause drowsiness or dizziness)
  • STOT RE 2, H373 (may cause damage to organ through prolonged or repeated exposures)
Der Bericht von Griechenland zur harmonisierten Einstufung von Ethanol wird für Juli 2025 erwartet. Dann folgt eine zweimonatige öffentliche Konsultation, eine länger andauernde Beratung auf EU-Ebene und abschließend eine Entscheidung der EU-Kommission.
Falls die harmonisierte Einstufung im Rahmen der CLP-Verordnung kommen sollte, müssen Stoffe und Gemische entsprechend gekennzeichnet werden. Stoffe und Gemische der Gefahrenkategorie „Reproduktionstoxizität“ 2 beispielsweise, wie im Vorschlag der griechischen Behörden enthalten, werden mit dem Gefahrenpiktogramm „Gesundheitsgefahr“ (GHS08) und dem Signalwort „Achtung“, dem Gefahrenhinweis H 361 und den entsprechenden P-Sätzen gekennzeichnet. Zudem kann die harmonisierte Einstufung Rechtsfolgen für andere Vorschriften haben (z. B. Kosmetikverordnung und Mutterschutzgesetz).
Eine Einstufung als reproduktionstoxisch 1A oder 1B würde unter die Beschränkungen gemäß Anhang XVII der REACH-Verordnung fallen. Ein solcher Stoff darf nicht mehr für Anwendungen für den Endverbraucher verwendet oder auf den Markt gebracht werden, wenn eine bestimmte Konzentrationsgrenze überschritten ist. Dies hätte weitreichende Folgen für verschiedenste Sektoren, welche auf die Verwendung von Ethanol angewiesen sind.

Hintergrund-Informationen: Desinfektionsmittel

Es werden drei Anwendungsbereiche bzw. -arten von Desinfektionsmitteln unterschieden:
  1. Handdesinfektionsmittel
  2. Desinfektionsmittel für Medizinprodukte
  3. Flächendesinfektionsmittel
Zu 1. Handdesinfektionsmittel
Handdesinfektionsmittel werden seit 2016 als Biozid-Produkt eingestuft, womit für sie die EU-Biozid-Verordnung gilt. Es existieren aber auch Handdesinfektionsmittel, die als Arzneimittel eingestuft sind. Letztgenannte haben in Deutschland gemäß §2 Abs. 4 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) Bestandschutz. Ist das Mittel als Arzneimittel zugelassen, gilt es als Arzneimittel, dies gilt auch für „fiktive“ Arzneimittel. Die Arzneimittelfiktion im AMG ist unwiderleglich und gilt für das entsprechende Handdesinfektionsmittel so lange, wie es als Arzneimittel zugelassen ist.
Zu 2. Desinfektionsmittel für Medizinprodukte
Man unterscheidet zwei Fälle:
  1. Desinfektionsmittel im Produktionsprozess eines Medizinproduktes
  2. Desinfektionsmittel für bzw. nach der Nutzung von Medizinprodukten: Das Desinfektionsmittel ist in diesem Fall ein Medizinprodukt
Gemäß Art. 2(2) b Biozidverordnung, gelten hier die Regelungen der Medizinprodukte- bzw. Invitradiagnostica-Verordnung. Desinfektionsmittel für Medizinprodukte fallen nicht in den Geltungsbereich der Biozidverordnung.
Zu 3. Flächendesinfektionsmittel
Sie sind grundsätzlich als Biozidprodukte definiert, womit die Biozidverordnung gilt.
Desinfektions-„Reiniger“ sind als Begriff weder in der Medizinprodukteverordnung noch in der Biozidverordnung definiert. Aufgrund ihrer hauptsächlichen Wirkungsweise (also der Desinfektion) werden sie als Biozide angesehen (Anhang V, Hauptgruppe 1 Desinfektionsmittel)
Man unterscheidet zwei Fälle nach dem Verwendungszweck des Flächendesinfektionsmittels:
  1. Ausschließlich für die Flächendesinfektion bestimmt: Biozid-Verordnung
  2. Dual-Use-Produkt: Das Desinfektionsmittel ist sowohl für die Flächendesinfektion als auch für die Desinfektion von Medizinprodukten bestimmt: Dann muss es sowohl die Anforderungen der Medizinprodukte-Verordnung als auch der Biozid-Verordnung erfüllen.
(DIHK, gekürzt)