„Keine KI wird das Schnitzel in der Pfanne umdrehen“

Die Generation Z ist leistungsscheu, und die Babyboomer arbeiten bis zum Umfallen – so lautet das Klischee. Aber ist das wirklich so? Bei der Veranstaltung „Wenn die Boomer weg sind – Neue Arbeitskräfte, andere Regeln?“ der IHK Südlicher Oberrhein versuchte Dr. Rüdiger Wapler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg einige dieser Stereotypen aus den Köpfen der Teilnehmenden zu entfernen. In der anschließenden Diskussionsrunde kamen dann beide Generationen zu Wort.
Wapler begann seinen Vortrag mit drei Fakten: „Wir haben in der Bundesrepublik so viele Arbeitskräfte wie nie zuvor. Dazu ist die Nachfrage so hoch wie nie. Und gleichzeitig, und das ist erst recht noch nie dagewesen, haben wir eine Rezession.“ Dass 50 bis 60 Prozent der Betriebe beklagten, sie fänden keine Arbeitskräfte, läge an einem einfachen Sachverhalt: „Die Arbeitsmarktanspannung in Deutschland, also das Verhältnis aus offenen Stellen und arbeitsuchenden Personen, hat sich verändert. Es sind einfach viel mehr offene Stellen als Suchende.“ Mit dem Arbeitsverständnis der jungen Generation habe das nichts zu tun. Im Gegenteil: Das Vorurteil, die Generation Z habe kein Interesse daran, viel zu arbeiten, widerlegte der Experte mit einer aktuellen Studie: „Die Personen unter 25 Jahren gehören zu der Altersgruppe, die mit Blick auf die Stundenzahl am meisten arbeiten will.“
Im Gegensatz zu mancher Schlagzeile ist Waplers Idee von der Arbeitswelt von morgen gar nicht so hoffnungslos. „Das wahrscheinlichste Szenario für 2040 liegt kaum unter dem von heute. Aber wir müssen es schaffen, mehr Fachkräfte aus dem Ausland zu integrieren und die Arbeitsstunden von Frauen zu erhöhen.“ Weiteres Potenzial sieht er bei der Gruppe der Personen zwischen 60 und 64, ja, er denkt sogar an 65- bis 69-Jährige. „Wenn wir es dann noch schaffen, die Arbeitslosenquote zu reduzieren, haben wir 2035 tatsächlich mehr Arbeitskräfte als heute“, so die Berechnungen des promovierten Volkswirts.
„Erhalten schon ein gutes Einkommen, wenn es an die Familienplanung geht.“
Einen Kritikpunkt nannte der Impulsgeber auch: Seit Corona hätten sich die Weiterbildungsanstrengungen der Arbeitnehmenden enorm reduziert. Eine leichte Verbesserung habe es inzwischen gegeben, doch würde die längst nicht ausreichen. Denn auch die Weiterbildung von Arbeitskräften sei ein Teil der Rechnung, unter deren Strich am Ende genügend Arbeitskräfte herauskommen sollten. Wie wichtig die Weiterbildung ist, machte auch Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südlicher Oberrhein, deutlich. Denn beim Lebensarbeitseinkommen stehen Akademiker, so eine Studie, kaum besser da als Personen mit Ausbildung, die sich kontinuierlich weitergebildet haben. Ein Vorteil für die Ausgebildeten gegenüber den Studierten laut Kaiser: „Die erhalten schon ein gutes Einkommen, wenn es an die Familienplanung geht.“
Dem Klischee der arbeitsscheuen Gen Z widersprach nicht nur Dr. Rüdiger Wapler im Schlossbergsaal des SWR-Studios in Freiburg, sondern auch die 23-jährige Jasmin Klein, die als Vertreterin ihrer Generation auf dem Podium saß. „Sie hat bereits mit 13 Jahren Prospekte ausgeteilt, arbeitete als Schülerin in der Gastronomie und im Bundesfreiwilligendienst in der Pflege“, blickte der Moderator des Abends, Christoph Ebner, Leiter SWR-Studio Freiburg, auf frühere Stationen von Jasmin Klein. Heute ist Klein Social-Media-Managerin bei der Firma Alexander Bürkle. Über Social Media erreicht der Technologiedienstleister und Elektrogroßhändler mit mehr als 120 Jahren Geschichte auch die nächste Generation der Arbeitskräfte. Jasmin Klein: „Bei uns können sich Interessierte innerhalb von 60 Sekunden per Quiz bewerben – ohne Anschreiben, ohne Lebenslauf.“
Diese Kreativität im Recruiting lobte auch Yannick Bury, Bundestagsabgeordneter der CDU für den Wahlkreis Emmendingen-Lahr. Doch gestand er: „Unsere Betriebe sind kreativ, aber die Regulatorien drumherum passen nicht mehr dazu.“ Zustimmung gab es hier von Julia Tischer, die als ausgebildete Restaurantfachfrau mit Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement sowie als ausgebildete Köchin vor drei Jahren in das elterliche Elztalhotel, ein Vier-Sterne-Superior-Betrieb, eingestiegen ist. Sie kritisierte die Hotelmeldepflicht der Gäste. Zwar solle dieser Schritt beim Check-in für Deutsche demnächst wegfallen, doch bis dahin sei es ein unnötiger Aufwand, der den Mitarbeitenden Zeit für den Gast nehme. Bei solchen Formalien könne die Digitalisierung und auch die Künstliche Intelligenz zwar helfen, doch sich allein darauf zu verlassen, sei gerade im Gastgewerbe der falsche Weg. Julia Tischer: „Keine KI wird das Schnitzel in der Pfanne umdrehen.“ Auch die Hotel- und Gastroexpertin wies das Bild der faulen Jugend zurück. „Wir haben in diesem Jahr 19 Auszubildende eingestellt, so viele wie nie. Dazu arbeiten einige 15-Jährige bei uns, die sind alle sehr fleißig.“
Damit Ausbildungsbetriebe und Ausbildungswillige zusammenkommen, tut die IHK Südlicher Oberrhein viel, wie Simon Kaiser von der IHK berichtete. „Wir schaffen die Begegnungsplattformen mit den verschiedenen Ausbildungsmessen. Dazu bieten wir Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler und sind Türöffner für Projekte mit Unternehmen an den Schulen.“ Und sollte es Schwierigkeiten im Ausbildungsverhältnis geben, so helfe die IHK auch hier, und zwar je nach Bedarf beiden Seiten.
„Warum muss die Politik dann noch prüfen?“
Für kleine und mittlere Unternehmen sowie für internationale Arbeitssuchende gibt es außerdem seit Mai Hilfe vom Welcome Center Südlicher Oberrhein, einer gemeinsamen Anlaufstelle von IHK Südlicher Oberrhein und Handwerkskammer Freiburg. Lob gibt es für das Welcome Center und die Übernahme der darin eingebetteten Aufgaben von MdB Bury, doch sei diese Institution letztendlich nur eine Notlösung. Bury: „Wir müssen bei den Visa- und Anerkennungsverfahren beginnen. Selbst wenn wir die Zugänge für Arbeitskräfte aus dem Ausland erleichtern, so bleiben die Verfahren doch der Flaschenhals.“ Hinzu komme, dass mindestens drei Stellen beteiligt seien und die Prozesse längst nicht digital ablaufen würden. Der Politiker plädierte dafür, mehr Verantwortung an die Unternehmen abzugeben: „Wenn der Betrieb sagt, ich benötige genau diese Person, sie hat die richtige Qualifikation – warum muss die Politik dann noch prüfen?“
Die weitere Diskussion verlegten die Teilnehmenden der Runde dann in das Foyer des SWR-Studios, um den Austausch sowohl miteinander als auch mit den rund 120 Gästen weiter zu vertiefen.
(22.11.2023)