Forderungsmanagement

Im Folgenden werden Strategien zum Forderungsmanagement aufgezeigt und Hinweise für Handlungsstrategien beschrieben, um sich vor Anfechtungssituationen im Insolvenzfall des Kunden zu schützen.

Grundsätzlich sollte jeder Unternehmer ein professionelles Forderungsmanagement im Unternehmen implementieren. Dadurch kann er vermeiden, dass der drohende Ausfall eines Kunden das eigene Unternehmen selbst in Schwierigkeiten bringt. Regelmäßig werden bereits Forderungsausfälle von 10% des gesamten Forderungsbestandes eines Unternehmens zu Liquiditätsschwierigkeiten führen.
Ein professionelles Forderungsmanagement setzt bereits vor dem Entstehen der Forderung ein. Der Unternehmer muss sich Informationen über die Bonität des Kunden verschaffen, er sollte diese Informationen regelmäßig aktualisieren. Am effektivsten ist der Rückgriff auf Daten einer Wirtschaftsauskunftei verbunden mit der Analyse von Zahlungsflüssen in der Kundenbeziehung. Große Wirtschaftsauskunfteien wie zum Beispiel der Verband der Vereine Creditreform e.V., die SCHUFA Holding AG oder Bürgel Wirtschaftsinformationen bieten ihre Leistungen kostenpflichtig an.

Indizien für eine Verschlechterung der Bonität


Wichtige Informationen zur Bonität kann ein Unternehmen selbstverständlich aus der bestehenden Kundenbeziehung ziehen. Von einer Verschlechterung wird man ausgehen, wenn das Zahlungsverhalten Auffälligkeiten aufweist:
  • Hat sich das Zahlungsziel des Kunden im vereinbarten Rahmen verschoben?
  • Überschreitet er das Zahlungsziel sogar? Wenn ja, wie oft?
  • Zahlt der Kunde Teilbeträge obwohl eine Teilzahlungsvereinbarung nicht getroffen wurde?
Ein geschulter Außendienst kann dem Unternehmer aus dem Kundenunternehmen berichten
und eine gesunde Markteinschätzung kann weitere kritische Hinweise geben:
  • Hat der Kunde hohe Lagerbestände?
  • Hat sich der Zustand der Maschinen verschlechtert?
  • Lässt das Image der Produkte im Vergleich zur Konkurrenz nach?
  • Werden erhöhte Rabatte, Nachlässe oder Sonderangebote gewährt?
  • Sind die Kapazitäten nicht ausgelastet?
Die Grenzen zwischen Verschlechterung der Bonität und wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind fließend, der Unternehmer sollte nicht auf eine signifikante Bonitätsabstufung durch eine Wirtschaftsauskunftei warten, bevor er Maßnahmen ergreift.

Auffälligkeiten im Zahlungsverhalten – Reaktion zwingend nötig

Die genannten Auffälligkeiten im Zahlungsverhalten können als Vorboten von Zahlungsschwierigkeiten gewertet werden, der Unternehmer muss sofort reagieren. Er muss versuchen das Risiko des Ausfalls auszulagern, gelingt dies nicht, muss er versuchen das Risiko eines Ausfalls abzufangen. Je nach Umsatzgröße des Kunden müssen die Zahlungsmodalitäten anpasst werden oder für wichtige Kunden Zahlungsvereinbarungen getroffen werden, welche sicheren Bestand gegen Insolvenzanfechtungen haben.

1. Auslagerung des Risikos des Zahlungsausfalls
Je nach Geschäftsgegenstand kann bereits eine Warenkreditversicherung eine effektive Möglichkeit zur Auslagerung von Risiken sein. Diese sollte der Unternehmer bei ersten Anzeichen einer Verschlechterung in Betracht ziehen. Sind schon erste Vollstreckungsmaßnahmen zur Anspruchsdurchsetzung erfolgt, ist der Weg regelmäßig verschlossen. Eine solche Versicherung zahlt, wenn Außenstände nachhaltig offenbleiben, weil der Kunde zahlungsunfähig ist. Als zahlungsunfähig gilt er regelmäßig, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder mangels Masse abgelehnt wurde oder
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren. Zur Bewertung, ob eine Kreditversicherung lukrativ ist und in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis steht, muss auf die durchschnittlichen Insolvenzquoten der vergangenen Jahre verwiesen werden. Diese lagen für Unternehmen bei 3,9% der quotenberechtigten Forderungen. Für natürliche Personen als Gesellschafter als auch für ehemals selbständige Einzelunternehmer lagen die Quoten bei durchschnittlich 1,2% (vgl. destatis PMNr. 115 vom 27.03.2019). Der Unternehmer sollte diese statistische Größe für die betroffene Forderung ins Verhältnis zu den Versicherungskosten für den gewählten Forderungsbestand setzten und eine entsprechende Entscheidung treffen.
Alternativ kann der Unternehmer für die gefährdeten Forderungen im Rahmen eines Forderungspools auch auf echtes Factoring setzten. Dabei tritt ein Unternehmen seine Außenstände bzw. einen Teil der Außenstände an ein Factoring-Unternehmen ab, dieses wird dann seinerseits alle Außenstände bei den Kunden eintreiben. Das Factoring-Unternehmen als Factor übernimmt das Bonitäts- und Insolvenzrisiko des Kunden und erledigt im Gegensatz zur Kreditversicherung den Forderungseinzug. Im Gegenzug erhält der Unternehmer sofort regelmäßig einen Großteil der Forderung als sofortigen
Liquiditätszufluss. Wichtig, die Zahlungsziele der Kunden für Forderungen dürfen nicht über 60 Tagen und bei Kunden mit guter Bonität bei 90 Tagen liegen. Factoring ist heute nicht mehr nur für Geschäftskunden und Großkunden möglich. Auch Anbieter mit der Möglichkeit von Einzelforderungsfactoring agieren am Markt. Einige davon haben sich auch auf den Ankauf von notleidenden Forderungen spezialisiert. So kann der Unternehmer seine Forderung mit erheblichen Abschlägen an einen Dritten verkaufen, Liquidität generieren und einen Erlös über einer möglichen Insolvenzquote realisieren. Eine Übersicht über die Anbieter, Branchenabdeckung und Volumenerfordernisse bildet die vom Deutschen Factoring Verband e.V. veröffentlichte Übersicht „Wer factort was“ (www.factoring.de).

2. Prüfung von weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Höhe des potentiellen
Ausfalls
Der Unternehmer kann sich bereits zum Zeitpunkt der Begründung der Forderung ein Sicherungsrecht an Vermögenswerten des Kunden einräumen lassen. Damit erfährt er im Falle einer Insolvenz eine privilegierte Befriedigung und ist nicht nur auf die Insolvenzquote verwiesen. Eine nachträgliche Vereinbarung eines Sicherungsrechts für eine Altforderung wird regelmäßig im Rahmen von Insolvenzverfahren mit Anfechtungsansprüchen konfrontiert und wird nicht Bestand haben, wenn dies zum Nachteil der Gläubigergemeinschaft erfolgt ist.
Soweit der Unternehmer Leistungen im Rahmen von Werkverträgen erbringt, zum Beispiel als Bauhandwerker, muss geprüft werden, ob dem Unternehmer gesetzliche Sicherungsrechte zustehen, welche ggf. durch eine entsprechende Erklärung verlangt werden müssen. Diese sind regelmäßig insolvenzfest.

3. Zahlungsvereinbarungen kritisch prüfen
Eine weitere Möglichkeit zur Sicherung eines Teils der Forderung ist der Abschluss einer Zahlungsvereinbarung, wenn der Schuldner dabei einen ersten Teilbetrag sofort an den Unternehmer zahlt und verbleibende Beträge zu späteren Zeitpunkten fällig werden. Im späteren Fall einer Insolvenz kann ein Insolvenzverwalter eine solche geleistete Teilzahlung nur anfechten und in der Konsequenz zurückfordern, wenn er dem Unternehmer nachweisen kann, dass er die Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners kannte (§ 133 InsO). Grundsätzlich stellt eine Ratenzahlungsvereinbarung im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs noch kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit dar.

Wichtiger Tipp: Befindet sich der Unternehmer in einer solchen Situation und das mutmaßlich in Schwierigkeiten geratene Unternehmen tritt mit dem Wunsch auf Abschluss einer Zahlungsvereinbarung an den Unternehmer heran und erklärt gleichzeitig, dass es seine Verbindlichkeiten anders nicht begleichen kann. So erhält der Unternehmer durch den letzten Halbsatz dokumentiert Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten. Der Unternehmer muss nun je nach Bedeutung des Vertragspartners reagieren. Grundsätzlich kann er dem Wunsch des Vertragspartners nachkommen, muss dann aber diese Zuflüsse aus der Ratenzahlungsvereinbarung für einen Zeitraum von vier Jahren als potentiell anfechtbar einstufen und diese für den gesamten Zeitraum, ggf. ohne deutliche Auswirkung auf die Liquidität, für Zahlungen an eine mögliche Insolvenzmasse darstellen können. Diese mit Rechtsunsicherheit behaftete Lösung wird der Unternehmer mit bedeutenden Vertragspartnern mit andauernder Geschäftsbeziehung wählen. Bei umsatzanteilig geringem Forderungsvolumen (weniger als 3%) sollte für Rechtssicherheit ein stringentes Mahn – und ggf. Zwangsvollstreckungsverfahren bevorzugt werden.

4. Vorkasse für neue Leistungen/ Lieferungen
In wirtschaftlichen Beziehungen zu Unternehmen in Schwierigkeiten müssen konsequente Entscheidungen zur Gestaltung von Leistung und Gegenleistung getroffen werden. Zur Sicherheit der eigenen unternehmerischen Basis muss für die Geldleistungspflicht Vorkasse vereinbart werden. Eine solche Vorkasselösung ist jedoch nur dann insolvenzsicher, wenn es sich um ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO handelt. Leistung und Gegenleitung müssen in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen. Spätestens innerhalb von 30 Tagen muss die Gegenleistung erfolgt sein, sonst ist die vermutlich sichere Vorleistung im Fall der Insolvenz des Geschäftspartners ebenfalls gefährdet.

5. Tipp für wichtige Kundenbeziehungen
Schwierigkeiten bei wichtigen Partnerunternehmen? Hier wird regelmäßig ein enger Draht zwischen den verantwortlichen Akteuren auf verschiedenen unternehmerischen Ebenen bestehen. Es gilt, so viel wie nötig und so wenig wie möglich dokumentieren. E-Mails, Messenger-Dienste, SMS, Fax oder Brief speichern Informationen, welche in einem möglichen Insolvenzverfahren zu Beweismitteln werden. Ein Insolvenzverwalter wird Zugang zur Gesamtheit der Geschäftskommunikation und den Geschäftsunterlagen erhalten.