05.07.2023

DIHK-Umfrage: Lieferkettenregulierungen schränken Anzahl der Handelsbeziehungen ein

Seit Jahresbeginn gilt das Lieferketten-sorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zur Regelung der unternehmerischen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltaspekten – im ersten Schritt nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab dem kommenden Jahr wird es ausgeweitet auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Doch: Viele kleinere Unternehmen sind auch aktuell schon mit den Regulierungen konfrontiert und ergreifen erste Maßnahmen. Zudem besteht die Gefahr, dass Unternehmen bestehende Handelsbeziehungen abbrechen. Dies ergab eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer von international tätigen Unternehmen aller Größenklassen. 
Laut aktueller Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) wurde knapp die Hälfte aller befragten Unternehmen (45 Prozent) bereits bezüglich ihrer menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken kontaktiert – darunter auch zahlreiche klein- und mittelständische Unternehmen, für die das Gesetz aktuell noch nicht greift. Von den direkt vom Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern erhielt die große Mehrheit (69 Prozent) bereits Anfragen zu Risiken ihrer Lieferketten. Die meisten dieser Anfragen (82 Prozent) stellen Auftraggeber bzw. Kunden, woraus schon jetzt eine starke Betroffenheit kleinerer Unternehmen resultiert. Denn: Größere Unternehmen, die bereits unmittelbar vom Lieferkettengesetz betroffen sind, geben ihre Sorgfaltspflichten an die eigenen Lieferanten und Partner weiter – die häufig KMU sind – und verlangen von ihnen ebenfalls vertragliche Klauseln, Nachweise oder Zertifikate.

Unternehmen ergreifen geforderte Maßnahmen

Vor dem Hintergrund verwundert es kaum, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen aller Größenklassen (60 Prozent) bereits Maßnahmen ergreift, um menschenrechts- und umweltbezogene Risiken in ihren Lieferketten zu minimieren. Von den unmittelbar betroffenen Unternehmen setzen nahezu alle (94 Prozent) derzeit Maßnahmen um – allen voran rangiert die Durchführung von Risikoanalysen (81 Prozent). Zudem sind die Unternehmen bei der Durchsetzung der Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten aktiv: 76 Prozent haben ein Verhaltenskodex als Bestandteil der Vertragsunterlagen aufgesetzt, jeweils knapp die Hälfte (49 Prozent) arbeitet eng mit ihren Zulieferern zusammen und setzt stärker auf Zertifikate der Zulieferer (48 Prozent). Daneben bieten knapp drei Viertel der Un-ternehmen (71 Prozent) Schulungen für ihre Beschäftigten zum Thema an.

Aus den Pflichten ergeben sich neue Herausforderungen

Auch die Kehrseite der gesetzlichen Neuregelungen ist für viele Unternehmen deutlich spürbar: 23 Prozent der direkt vom Gesetz betroffenen Unternehmen sehen sich gezwungen, bestehende Handelsbeziehungen zu beenden oder sich aus Risikoländern zurückzuziehen. „Hieraus entstehen für die Unternehmen zusätzliche Belastungen, die bereits bei der Einführung des Gesetzes befürchtet wurden: der Rückzug aus Risikoländern, der wiederum zu einseitigen strategischen Abhängigkeiten in Europa beispielsweise im Energie- und Rohstoffmarkt führen kann“, sagt Dr. Cornelia Haase-Lerch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt. Auch werden dadurch Ängste vieler Unternehmer geschürt, ihre Zulieferer zu verlieren, die nicht bereit sind, den durch das Gesetz einhergehenden Mehraufwand für beispielsweise Audits oder Zertifikate zu tragen. 
Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich für knapp die Hälfte aller befragten Unternehmen (45 Prozent) vor allem durch den erhöhten bürokratischen Aufwand, den die neue Berichts- und Dokumentationspflicht mit sich bringt, sowie durch erhöhte Kosten. Die Mehrheit der Unternehmen, die aktuell noch nicht direkt vom Gesetz betroffen sind, sieht sich mit „unklaren Anforderungen“ (74 Prozent) und „Rechtsunsicherheit“ (60 Prozent) konfrontiert – beides Folgen der teilweise unklaren Rechtsbegriffe im Gesetzestext. Mit Blick auf den weiteren Gesetzgebungsprozess, insbesondere auch auf EU-Ebene, fordern die Industrie- und Handelskammern, sowohl die Rechtssicherheit als auch Verhältnismäßigkeit und Praxistauglichkeit nicht aus den Augen zu verlieren. „Die Wettbewerbsfähigkeit in Europa muss gleichen Bedingungen unterliegen und bedarf einer einheitlichen Anwendung – wobei sich der bürokratische Aufwand für alle Beteiligten im angemessenen Rahmen halten muss: ohne eine nochmalige Verschärfung von Auflagen und Pflichten für Unternehmen“, fordert die Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt, Dr. Cornelia Haase-Lerch.
An der Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) nahmen rund 2.400 international aktive Unternehmen aller Größenklassen im Frühjahr 2023 teil, darunter auch 85 aus Thüringen.