Bildungsfreistellungsgesetz belastet Unternehmen und verfehlt betriebliche Realität

IHK Erfurt fordert wirtschaftsnahe Neuausrichtung


Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt hat sich mit einem Schreiben an das Thüringer Bildungsministerium gewandt, um auf grundlegende Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz (ThürBfG) hinzuweisen. Ziel ist eine ergebnisoffene Prüfung, ob und in welcher Form die geltenden Regelungen zeitgemäß und praktikabel ausgestaltet sind – bis hin zur Abschaffung des Gesetzes.
„Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen geraten durch das Gesetz unter Druck, da sie ohnehin mit Personalengpässen kämpfen. Die Freistellung belastet die Betriebsabläufe, ohne dass die Inhalte der Kurse mit dem betrieblichen Qualifizierungsbedarf abgestimmt sind“, so Dr. Cornelia Haase-Lerch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt.
Besonders kritisch bewertet die Wirtschaft die Tatsache, dass auch freizeitorientierte Maßnahmen anerkannt werden. „Eine Vielzahl an Angeboten, die im Rahmen der Bildungsfreistellung zugelassen sind, hat mit beruflicher Qualifikation im engeren Sinne wenig zu tun“, betont Haase-Lerch. Exemplarisch nennt die IHK Erfurt folgende Maßnahmen aus der aktuellen Liste:
  • „Berlin – Die (immer neue) deutsche Hauptstadt“
  • „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ – Das Fagus-Werk in Alfeld
  • „Sozialrebellen – Mythos und Realität: Auf den Spuren von Räubern, Wilderern und Piraten“
  • Sprachkurse u.a. in Italien, Frankreich oder Spanien – beliebt für Urlaubsziele, aber selten berufsrelevant
  • Yogakurse oder Fotoworkshops mit kulturpädagogischem Schwerpunkt

Weiterbildung – aber mit Bezug zum Beruf

Die IHK Erfurt macht sich klar für berufliche Weiterbildung stark, sieht aber dringenden Handlungsbedarf in der Ausgestaltung der Bildungsfreistellung. Der Fokus müsse stärker auf betriebsrelevanten Qualifikationen liegen. Nur solche Maßnahmen sollten künftig berücksichtigt werden, die zur gezielten Kompetenzentwicklung im Sinne der Unternehmenspraxis beitragen.
„Wir setzen uns dafür ein, dass auch innerbetriebliche Weiterbildungen als gleichwertige Form anerkannt werden – ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand für Arbeitgeber“, so Haase-Lerch weiter.

Konstruktiver Austausch statt Konfrontation

Die IHK Erfurt hat dem Thüringer Bildungsministerium im Rahmen des Dialogs mit der Landespolitik empfohlen, die geltenden Rechts- und Verordnungsgrundlagen zu evaluieren – auch im Hinblick auf die inhaltliche Ausrichtung des Fortbildungsangebots. Sollte sich dabei der Eindruck bestätigen, dass der Bezug zu beruflichen Anforderungen zunehmend in den Hintergrund rückt, sollten gesetzliche Anpassungen unbedingt erwogen werden.

Fazit: Zeit für eine Neujustierung

„Thüringen braucht eine Weiterbildungspolitik, die die Herausforderungen der Unternehmen ernst nimmt und praxisorientierte Lösungen ermöglicht“, so Haase-Lerch abschließend. „Wir stehen jederzeit bereit, diesen Prozess konstruktiv zu begleiten.“