Existenzgründung im Handel

Die IHK unterstützt Existenzgründer durch eine Fülle von Beratungs- und Informationsangeboten und begleitet junge Unternehmen auf ihrem Weg in eine erfolgreiche Selbstständigkeit. Sie erhalten Hilfestellung beim Businessplan, wichtige Branchendaten, Tipps für das Bankgespräch und Hilfe bei Förderanträgen. 
Stand: August 2023

Branchenentwicklung und Trends

Als drittgrößte Wirtschaftsbranche kommt dem Handel eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Der Einzelhandel hat primär eine Schlüsselfunktion bei der Vermarktung von Gütern und der Befriedigung von Konsumbedürfnissen. Doch der Handel ist in einen komplexen Wertschöpfungsprozess eingebunden. Somit nimmt der Handel u.a. auch erheblichen Einfluss auf die Industrie, die Logistik, auf lokale Wirtschafts- und Tourismusstrukturen und damit auf die Attraktivität der Städte und Gemeinden, aber auch auf die Konsumkultur der Bevölkerung.
Rückläufige Geburtenzahlen, Veränderungen der Altersstruktur, zunehmende Single-Haushalte und wandelnde Lebenseinstellungen und Verbraucherbedürfnisse konfrontieren den Handel in Anzahl und Art mit neuen Zielgruppen. Der bessere Informations- und Bildungsstand der Bevölkerung, neue technologische Entwicklungen, wie die Digitalisierung und die Forderung nach höherer Lebensqualität, rufen bei den Kunden ein wachsendes Verbraucherbewusstsein und höhere Anforderungen an das Einkaufen hervor.
Dabei ändert sich die Gewohnheit der Verbraucher permanent. Es wird jedoch immer schwieriger, klare Kundenprofile zu erkennen. Die große Herausforderung der Händler besteht darin, den Kunden mit Einsatz neuester Technologien in seinen individuellen Bedürfnissen zu kennen und zu befriedigen. Dabei spielt die Ausrichtung auf die digitalen und mobilen Bedürfnisse der Kunden eine ebenso große Rolle, wie das Bedürfnis nach einem Service- und Erlebnis orientierten Einkaufen. 
Das Internet verändert massiv und nachhaltigen die Strukturen und Angebotsformen des traditionellen Einzelhandels.
Über den Erfolg der Existenzgründung und die Zukunft eines Unternehmens entscheidet die Fähigkeit des Unternehmers, sich auf den aktuellen und zukünftigen Markt und die damit verbundenen Anforderungen richtig einzustellen.

Gewerberechtliche Voraussetzungen

Die Gründung eines Einzelhandelsunternehmens ist bis auf wenige Ausnahmen genehmigungsfrei und nur beim Gewerbeamt anzumelden. Ausschlaggebend für den Ort der Anmeldung ist der künftige Firmensitz.
Ausnahmen sind zum Beispiel der Handel mit Waffen, Munition, Sprengstoffen, Chemikalien und Giften, Pflanzenschutzmitteln, mit freiverkäuflichen Arzneimitteln oder bestimmten Tieren: Hier müssen Gründer je nachdem die persönliche Zuverlässigkeit sowie sachliche und oder fachliche Voraussetzungen (Fachkundeprüfung) nachweisen.
Beim Handel mit Lebensmitteln müssen umfangreiche Vorschriften der Lebensmittelhygiene und Personalhygiene beachtet werden.

Geschäftsidee

Die Geschäftsidee ist die Grundlage Ihrer zukünftigen Selbstständigkeit und gleichzeitig der Ausgangspunkt für den Businessplan.
  • Welche Produkte wollen Sie anbieten?
  • Welche besonderen Serviceleistungen bieten Sie Ihren Kunden?
  • In welcher Vertriebsform wird ihre Leistung angeboten (Ladengeschäft, vor Ort, ausschließlich über das Internet, etc.)?
  • Wollen Sie sich neu gründen, ein bestehendes Unternehmen übernehmen, Franchising oder wollen Sie sich einer Kooperation anschließen?
  • In welchen regionalen Grenzen wollen Sie sich vermarkten (regional, national, international)? 
  • Wer sind ihre potenziellen Kunden und welchen Nutzen haben Ihre Kunden?

Zielgruppenanalyse und Marktvolumen

Bei der Gründung eines Einzelhandelsgeschäftes ist in erster Linie darauf zu achten, dass das eigene Leistungsangebot auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet ist. Um Ihren “typischen” Käufer festzulegen ist es wichtig, dass mehrere Faktoren übereinstimmen.
Folgende Aspekte sollten bei Ihrer Zielgruppenanalyse beachtet werden:
  • Welche Bedürfnisse (Sortiment, Serviceangebot, Ladeneinrichtung) haben Ihre potenziellen Kunden?
  • Welche Konsumerwartungen (Einstellung, Motivation, Meinung) haben Ihre potenziellen Kunden?
  • Was ist das Besondere an Ihrem Angebot?
  • Wie ist die Nachfrage für Ihr Angebot oder ähnliche Angebote?
  • Über welche Kanäle informieren sich und kaufen (potentielle) Kunden?
  • Wie sind die typischen demografischen Merkmale (Alter, Geschlecht, Familienstatus) und sozioökonomische Merkmale (Bildungsstand, Einkommen, Beruf) Ihrer Kunden?
  • Welches Einzugsgebiet kommt in Frage? Welche Konsumenten/Zielgruppen leben im Einzugsgebiet? Welches Preisniveau besteht im Einzugsgebiet?
  • Wie ist das Kaufverhalten (Preissensibilität, Kaufreichweite) Ihrer Kunden?
  • Wie viel Geld geben die Konsumenten im Einzugsgebiet pro Kopf und Jahr für das Angebot/ die Warengruppen aus? (Kaufkraft)
  • Wie viele Konkurrenten haben Sie in Ihrem Absatzmarkt?
  • Decken sich Ihre Umsatzerwartungen mit dem realistisch zu erzielenden Marktanteil?
Kaufkraftdaten der Region sind eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Standortwahl für Ihr Unternehmen. Die allgemeine Kaufkraft ist die Summe aller Nettoeinkünfte (Nettoeinkünfte inklusive staatlicher Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld oder Renten), die der Bevölkerung für Konsum oder andere Zwecke zur Verfügung stehen. Die letztendlich dem Einzelhandel zufließende einzelhandelsrelevante Kaufkraft gibt das Potenzial für den Einzelhandel an. So genannte Kaufkraftkennziffer (Kaufkraftindex) setzt die Höhe der durchschnittlichen Nettoeinkommen in Ihrer Region ins Verhältnis zum Bundesdurchschnitt. 

Lieferanten

Die Auswahl der Lieferanten beeinflusst sowohl Ihr Sortiment als auch Ihre Beschaffungskosten und muss daher sorgfältig überlegt sein.
  • Welche Lieferanten kommen für Ihr Angebot in Frage?
  • Fordern diese Lieferanten Mindestaufträge? Wenn ja, vertragen sich diese mit Ihrer Investitionsplanung?
  • Räumen die Lieferanten Gebietsschutz ein?
  • Können Sie sich einem Einkaufsverbund anschließen?
  • Gewähren Ihnen exklusive Lieferanten angemessene Konditionen?
  • Sind Ihre Lieferanten verlässliche Partner?
Branchenmessen und Ausstellungen sind eine gute Plattform für die Analyse und die Kontaktanbahnung mit Lieferanten. Auch Handelsvertreter und Einkaufsverbände bieten Ihnen hierzu gute Informationen.

Bewertung des Standortes

Entscheidend für die Erfolgschancen Ihres Unternehmens ist der Standort. Die Analyse Ihres Standorts sollte u.a. die folgenden Dinge berücksichtigen:
  • Kundennähe / Besucherfrequenz
  • Grundstücksmieten/ -preise 
  • Energiekosten
  • Kommunale Abgaben
  • Lohnkosten
  • Angebot der Fachkräfte
  • Attraktivität des Umfelds
  • Verkehrslage
  • Image der Stadt bzw. Region
  • Lieferantennähe
Der Besucherfrequenz des ausgewählten Standortes kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Gibt es genügend Laufkundschaft? Fragen Sie ggf. Kunden in der Straße, die für Ihre Ansiedlung in Frage kommen, nach ihren Einschätzungen.
Prüfen Sie, ob Ihr Unternehmenskonzept in das unmittelbare und weitere Umfeld passt. Die Attraktivität der unmittelbaren Umgebung spielt eine wichtige Rolle; u. a. die Branchenzusammensetzung, das Vorhandensein von Magnet- und Gastronomiebetrieben oder die Aufmachung der Geschäfte.
Auch die Verkehrssituation (Anbindung ÖPNV, Parkplätze etc.) des von Ihnen gewählten Standortes hat einen großen Einfluss auf die Anzahl und Art der Kunden sowie die Höhe des pro Kunden getätigten Umsatzes.
Machen Sie sich klar, dass im Einzelhandel der Faktor Standort zentral ist. In einer vergleichsweise schlechten Lage sparen Sie zwar Miete, machen dafür aber erheblich weniger Umsatz.
Lage für Einzelhandelsbetriebe
Beschreibung
Eignung für Existenzgründung
1a-Lage
Zentrum, City eines Ober- oder Mittelzentrums (ab 50.000 Einw.), i. d. R. Fußgängerzone
sehr gut (Laufkundschaft)
hohes Mietkostenrisiko
1b-Lage
Haupteinkaufsstraße in City ab 50.000 Einw., mit Kfz-Verkehr, schwächere Lage oder auslaufendes Ende, Fußgängerzone
gut, sofern überwiegend Zielkaufkunden
2-Lage
Untergeordnete Einkaufsstraße in City ab 50.000 Einw., Seitenstraße
mittel, aber Brancheneinschränkung
3-Lage
Randlage City, an gut befahrener Ausfallstraße, Parken unmittelbar oder in Nähe möglich
Branchenabhängig, evtl. Wohnquartierversorgung
4-Lage
Zentrale Vorort-/Stadtteillage mit Parken, in Städten mit ausgeprägter Vorort-/Stadtteilbildung
gut
5-Lage
Untergeordnete schwächere Vorortlage
schwierig
 Quelle: BBE Unternehmensberatung

Bewertung des Ladenlokals

Sie sollten das Ihnen angebotene Ladenlokal anhand einer Checkliste beurteilen und daraus die Kosten und die Handlungserfordernisse ableiten.
Wichtige Kriterien sind u.a.:
  • Außenfront (Ist die Fassade modern gestaltet? Besteht die Möglichkeit, Außenwerbung gut sichtbar anzubringen? Ist Sonnenschutz gewährleistet?)
  • Eingangszone (Ist der Eingang an einer günstigen Stelle im Passantenstrom und von der Straße her gut einsehbar? Ist eine Begehung ungehindert möglich?)
  • technische Einrichtung (Stromversorgung, Heizung, Lüftung, Klimaanlage, ggf. Aufzug für Personen und Waren, Zustand der Wasser-, Abwasser-, Elektro- und Heizungsinstallationen)
  • Beleuchtung (Ist die Raumbeleuchtung ausreichend und zweckmäßig?)
  • Ausstattung (Wie ist die Schaufensterlage? Ist genügend Dekorationsfläche vorhanden? Ist der Verkaufsraum zweckmäßig und ansprechend gestaltet?)
  • Verkaufsraum (Bietet der Verkaufsraum eine gute Begehbarkeit und Bewegungsmöglichkeit für Kunden und Mitarbeiter? Ist er für Rollstuhlfahrer nutzbar?)
  • Warenlieferung (Gibt es eine Haltemöglichkeit an der Warenannahme? Besteht bei der Warenannahme die Notwendigkeit von technischen Hilfsmitteln?)
  • Höhe der Miete (Wie hoch ist die Miete pro Quadratmeter? Ist die Miete ortsüblich?)
  • Parkmöglichkeiten
  • Mietvertrag (Dauer, Außenwerbung, Untervermietung)
  • Behördliche Auflagen, baurechtliche Nutzung

Wettbewerbsanalyse

Unmittelbare Konkurrenten oder Wettbewerber für Sie sind Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen gleicher oder ähnlicher Art im Einzugsgebiet Ihres Unternehmens anbieten und somit um die Kaufkraft der Kunden mit Ihnen konkurrieren. Um Ihre Chancen gegenüber den Wettbewerbern zu ermitteln, sollten Sie die für Sie relevante Konkurrenz zunächst quantitativ erfassen. Unterscheiden Sie beispielsweise nach guter, befriedigender und schlechter Merkmalsausprägung und vergeben Sie entsprechend Punkte. Je höher die erreichte Punktzahl eines Wettbewerbers, umso mehr kann Ihr Geschäft durch ihn beeinflusst werden.
Wichtige Aspekte hierbei sind:
  • der Auftritt nach außen (Werbung, Ladengestaltung, Schaufenster, Image)
  • der Verkaufsraum (Platzangebot, Warenpräsentation)
  • das Sortiment (Sortimentsbreite, Sortimentstiefe, Qualitätsniveau, Preislage)
  • der Service (Service-Palette, Bedienung, Beratung)
  • die Kundschaft (Wie ist die Kundenstruktur? Wie ist die Kundenfrequenz?)
  • der Standort
  • die Parkflächen
  • die Lieferanten
Die Größe Ihres Wettbewerbsumfeldes hängt ab, von der Bereitschaft der Kunden, Wegezeiten in Kauf zu nehmen und den für gewöhnlich genutzten Verkehrsmitteln beim Einkauf in Unternehmen der Branche.

Kooperationsformen

Verbundgruppen

Die klassische Form der Kooperation von Handelsunternehmen ist die Beschaffung von Waren über Verbundgruppen oder Einkaufsgemeinschaften. Wenn Sie sich in einer bereits gut besetzten Einzelhandelssparte, wie z.B. Schuhe, betätigen wollen, so ist dies heute in der Regel nur über die Beteiligung an einer Einkaufsgemeinschaft möglich. Andernfalls entstünden Ihnen zu hohe Beschaffungskosten. Mittlerweile erschließen sich diese Verbundgruppen des Handels aber auch andere Synergien, z.B. in der Werbung oder der Gestaltung des Internetauftritts, in der Beschaffung im Investitions- und Finanzbereich oder auch in der Verwaltung. 

Franchising

Eine spezielle Form der Kooperation ist das Franchising, auch als Lizenzvertrieb oder Kontrakthandel bezeichnet, bei dem der Franchise-Geber selbständigen Franchise-Nehmern das Recht einräumt, bestimmte Waren und Dienstleistungen unter der Verwendung des Namens oder Warenzeichens des Franchise-Gebers anzubieten. Der Franchise-Nehmer nutzt gegen Geld- und Sachmittel das Franchise-Paket des Franchise-Gebers. Das Franchise-Paket besteht aus einem Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, dem Nutzungsrecht von Schutzrechten, der Ausbildung des Franchise-Nehmers und der Verpflichtung des Franchise-Gebers, den Franchise-Nehmer aktiv zu unterstützen und das Konzept ständig weiterzuentwickeln. Der Franchise-Nehmer hat das Recht und die Pflicht, das Franchise-Paket gegen Entgelt zu nutzen und bietet als Leistungsbeitrag Arbeit, Kapital und Information und zahlt eine Umsatzprovision an den Franchise-Geber.

Interessen- und Werbegemeinschaften

Interessen- und Werbegemeinschaften, Gewerbevereine oder Händlergemeinschaften bezeichnen Zusammenschlüsse und Kooperationen von Einzelhändlern und meist Gewerbetreibenden verschiedener Branchen, die gemeinsam den Geschäftsstandort oder die Branche bewerben. Träger einer Werbegemeinschaft können zum Beispiel Einzelhändler und Unternehmer anderer Branchen einer Standortlage sein.

Digitalisierung

Noch immer sind viele Unternehmen im Netz kaum präsent. Entgegen dem mobilen Verbraucherverhalten der Käufer hängt der Handel noch stark am Ladengeschäft. 85% der Händler betreiben einen stationären Laden. 2018 sind nur rund 30% der Händler im Internet mit einem Online-Shop präsent, obwohl dieser digitale Markt neue Kommunikationswege und Absatzchancen bietet.
Entsprechend zunehmend neuer Technologien und entsprechend den Erwartungen der Kunden, liegt die Zukunft des Handels ausschließlich in der Verschmelzung von On- und Offline. Im Zuge einer Existenzgründung im Handel, sollten somit Multi-Chanel-Konzepte entwickelt werden. Investitionskosten hierfür, sowohl in Technik aber auch in die Qualifikation der Mitarbeiter sind von Beginn an einzuplanen.

Chancen E-Commerce:

  • neuer Kommunikationsweg mit bestehenden Kunden
  • Gewinnung von Neukunden
  • Verbesserung der Kundenzufriedenheit
  • Erschließung neuer Vertriebskanäle
  • Umsatzerhöhung und höherer Warenumschlag
  • Effizienzsteigerung
  • Schaffung eines zeitgemäßen Firmenimages durch Nutzung neuer Medien

Grundlagen der Unternehmensgründung