Konjunktur zum Jahresbeginn 2023

Harte Landung abgewendet

Die Konjunkturumfrage der IHK Darmstadt zu Jahresbeginn zeigt: Wir sind nicht in die befürchtete Rezession gerutscht. Die Geschäfte der Unternehmen laufen etwas besser als im Herbst. Doch für eine Entwarnung ist es zu früh.

Pressemeldung vom 10. Februar 2023

Matthias_Martine_pressegespräch
IHK-Präsident Matthias Martiné © Fotografie Klaus Mai
Die noch im vergangenen Konjunkturbericht befürchtete Rezession ist erstmal abgewendet. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar, für die sie rund 900 Unternehmen aus der Region befragt hat. Die Unternehmen der meisten Branchen sind erleichtert, dass es bisher besser kam als im Herbst befürchtet. Auch für die kommenden Monate sehen die Unternehmen Licht am Ende des Tunnels. Sie gehen dabei davon aus, dass die noch immer schwelende Energiekrise nicht wieder aufflammt, und dass die Lieferketten sich weiter normalisieren werden. Die Industrie erleidet einen weiteren Dämpfer, bei ihr ist der Auftragseingang zum dritten Mal in Folge rückläufig.

Geschäftsklimaindex erreicht Wachstumsschwelle

Der IHK-Geschäftsklimaindex fasst die Lage und Erwartung der Unternehmen zusammen. Gegenüber Herbst 2022 gewinnt der Index 24 Punkte, und beträgt jetzt exakt 100 Punkte. Das ist aus Sicht der Industrie- und Handelskammer die Wachstumsschwelle, also jener Wert, ab dem die Wirtschaft wächst.   
„Steigende Energiekosten, zögernde Konsumenten, Fachkräftemangel und Lieferkettenprobleme drohten den Unternehmen im Herbst die Luft zum Atmen zu nehmen“, erläutert IHK-Präsident Matthias Martiné. „Die aktuellen Rahmenbedingungen geben zwar noch immer Grund zur Sorge, aber sie haben sich entspannt. So konnten eine Gas- oder Strommangellage verhindert, die Energieverfügbarkeit verbessert und die Preise reduziert werden, nicht zuletzt durch entschlossenes Handeln der Bundesregierung. Der bisher milde Winter tut ein Übriges dazu.“, ergänzt Martiné.
Die Erwartungen der Wirtschaft sind deutlich besser als im Herbst. Optimismus sieht aber anders aus.

Matthias Martiné

Aktuell beurteilen 29 Prozent der befragten Unternehmen in Südhessen ihre Lage als gut, 54 Prozent als befriedigend, 17 Prozent als schlecht. Gegenüber Herbst legt der Saldo aus zufriedenen und unzufriedenen Unternehmen sieben Punkte zu, er liegt jetzt bei plus zwölf Prozentpunkten. Beim Blick auf die kommenden Monate sind die Unternehmen aber weiterhin eher pessimistisch. Nur 16 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Situation, 58 Prozent sind davon überzeugt, dass es so bleibt wie es ist. Jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) fürchtet sogar eine Verschlechterung. Damit beträgt der Erwartungssaldo minus zehn Prozentpunkte. Gegenüber Herbst ist das eine Verbesserung um 34 Punkte. „Die Erwartungen der Wirtschaft sind deutlich besser als im Herbst. Optimismus sieht aber anders aus. Und Optimismus und Kreativität von Unternehmen brauchen wir, um die Zukunftsaufgaben zu bewältigen, die vor uns liegen: Demografischer Wandel, Digitalisierung und Klimaneutralität“, führt Martiné aus.

Personalkürzungen in einigen Branchen

Der Investitionsnachfrage fehlt es an Schwung, denn Energiekrise und Lieferkettenstress sind noch nicht vom Tisch. Das macht betriebliche Investitionsentscheidungen schwer kalkulierbar. Vor allem die Industrie hält sich mit Investitionen zurück. Auch beim Personal wollen die Unternehmen kürzen, trotz strukturellem Fachkräftemangel. Vor allem Banken, Einzelhandel und Industrie wollen sich von Mitarbeitern trennen oder ausscheidende Mitarbeiter nicht ersetzen. Baugewerbe und Dienstleister hingegen planen Neueinstellungen.  Weiterhin kritisch sehen die südhessischen Unternehmen das Auslandsgeschäft der kommenden Monate. Vor allem die auslandsaktiven Industrieunternehmen befürchten, dass die genannten Probleme wie Energiekrise und Lieferkettenengpässe noch nicht vorbei sind. Auch die Weltkonjunktur macht den Unternehmen Sorgen.   

Energiepreise größtes Risiko

Wie in den Vorumfragen nennen die Unternehmen die Energie- und Rohstoffpreise als größtes Risiko für die weitere Entwicklung. Im Vergleich zum Herbst ist die Risikowahrnehmung aber gesunken. „Möglicherweise wegen der Gas- und Strompreisbremsen, die mittlerweile in Kraft getreten sind und für mehr Planungssicherheit sorgen“, sagt Martiné. Aktuell teilen zwei von drei Unternehmen diese Auffassung, in der Industrie sind es noch immer neun von zehn Unternehmen.
IHK-Präsident Martiné: „Wir haben es mit einer Entspannung, aber keinesfalls mit einer Entwarnung zu tun. Die Unternehmen brauchen dringend im internationalen Vergleich gute wettbewerbsfähige Standortbedingungen. Davon sind die hiesigen Energiepreise derzeit noch weit entfernt. Zudem müssen wir für die notwendige wirtschaftliche Transformation Bürokratie abbauen, Genehmigungsverfahren beschleunigen und Verwaltung verschlanken. Alle drei Maßnahmen verursachen für die öffentliche Hand keine zusätzlichen Ausgaben, es ist also hierfür kein Budget erforderlich, sondern nur politischer Wille und Durchsetzungsfähigkeit. Wir brauchen eine Politik, die ohne Zeitverzug handelt und jetzt die richtigen Weichen stellt.“
Über die IHK Darmstadt: Die IHK Darmstadt vertritt die Interessen von rund 65.000 Mitgliedsunternehmen aus den Landkreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau und dem Odenwaldkreis sowie der kreisfreien Stadt Darmstadt. 150 hauptamtliche Mitarbeiter unterstützen die rund 2.000 in der IHK ehrenamtlich tätigen Unternehmer, Prüfer und Dozenten in ihrer Arbeit und setzen die Beschlüsse der Vollversammlung um.
Dr.Peter Kühnl
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Wirtschaftspolitik, Konjunktur, Statistik