Wetterinfos, Saatgut, Kapital und mehr

Für eine bessere Landwirtschaft in Afrika

Als Junge wollte Kizito Odhiambo Ingenieur werden und Autos bauen. Heute unterstützt sein Agrar-Fin-Tech-Start-up Agribora von Darmstadt aus Kleinbauern in Kenia. Seine Mission sieht der Jungunternehmer nicht allein darin, die Situation in seiner Heimat zu verbessen und dazu beizutragen, dass sich die Menschen dort in absehbarer Zeit selbst ernähren können. Er möchte Kenia und Deutschland enger zusammenbringen.
Autor: Stephan Köhnlein, 25. Mai 2023
Wenn sich in seinem Leben ungeahnte Chancen aufgetan haben, hat Kizito Odhiambo nie gezögert, diese zu ergreifen. Nach dem Abitur im Jahr 2009 beispielsweise hatte er einen Studienplatz in seinem Heimatland Kenia sicher. Doch er entschied sich dafür, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland zu absolvieren und arbeitete in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen. Anschließend nahm er ein Studium der Elektro- und Informationstechnik in Darmstadt auf, arbeitete als Werkstudent bei Opel. Doch der Kindheitstraum, einmal selbst Autos zu bauen, verblasste immer mehr. Denn schon früh fand Kizito Odhiambo Gefallen am Unternehmertum und gründete 2014 seine erste Firma.
„Ich habe wie viele andere ausländische Studierende Geld nach Hause geschickt. Bei mir ging es an meine Mutter in Kenia, die auf einem kleinen Stück Land Sojabohnen anbaute“, erinnert er sich. „Irgendwann habe ich mich gefragt: Was müssen wir tun, damit sie selbst klarkommt?“ Seine Idee: Die Kleinbauern tun sich zusammen und können dadurch besser am Markt auftreten. Tatsächlich hatte er so bis 2017 in seinem Unternehmen mehr als tausend Bäuerinnen und Bauern vereint, die in der Produktion und Weiterverarbeitung zusammenarbeiteten.

Zugang zu Informationen und Technologien ermöglichen

Ein Problem konnte er damit aber nicht lösen: den Kleinbauern einen besseren Zugang zu Technologien und Informationen bieten, um wirklich profitabel wirtschaften zu können. Das war der fruchtbare Boden, auf den die Geschäftsidee für Agribora fiel und mittlerweile auch gedeiht. Der Name setzt sich aus dem griechischen „Agros“ für „Feld“ und dem Suaheli-Wort „Bora“, was „besser“ bedeutet, wie Kizito Odhiambo erklärt.
Zunächst ging es darum, lokale Wetterinformationen so aufzubereiten, dass Bauern in der Lage sind, bessere Entscheidungen zu treffen. „Allein der Anbau zur richtigen Zeit kann den Ertrag deutlich steigern“, sagt der Gründer. Dieser Gedanke schlägt sich auch im Claim von Agribora nieder: „Wir können das Wetter nicht ändern, aber wir können ändern, was die Bauern damit anfangen.“
In einem ersten Schritt unterbreitete Kizito Odhiambo deswegen im Jahr 2018 einen Vorschlag an Cesah, den Business Incubator der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Darmstadt. Seine Idee war eine Plattform, die eine Reihe von Dienstleistungen und Produkten für Kleinbauern und ihre Geschäftspartner zur Verfügung stellt. Der Vorschlag wurde angenommen und Agribora im gleichen Jahr gegründet.
Die Wetterdaten, die Agribora über seine Plattform zur Verfügung stellt, sind nur ein Teil eines Gesamtpakets. Die Kleinbauern können auch Saatgut und Dünger darüber beziehen und Zugang zu Kapital und Krediten erhalten. „Agribora glaubt daran, dass der afrikanische Kontinent sich selbst ernähren kann. Um das zu erreichen, müssen wir Kleinbauern sichtbarer machen und sie bei den Interaktionen mit Geschäftspartnern unterstützen. Unsere Technologie ermöglicht es, diese Geschäftsprozesse effektiver zu gestalten“, sagt Kizito Odhiambo.

Arbeitsplätze und Perspektiven schaffen

Derzeit arbeiten fünf Personen für Agribora in Darmstadt, neun sind in Kenia aktiv. Es reicht nicht, die Technik in Deutschland zu entwickeln und dann zu erwarten, dass die Kleinbauern sich diese herunterladen. Man müsse vor Ort präsent sein, deswegen setzte man auf lokale Hubs in Kenia, wo die Kleinbauern Ansprechpartner finden, erklärt der Unternehmer. „Wir wollen nicht überall eigene Mitarbeiter haben. Unser Ziel ist es, dort Arbeitsplätze und Perspektiven zu schaffen.“
Noch finanziert sich Agribora in erster Linie über Fördergelder und Investoren. Mit Kommissionen an den Transaktionen etwa für Saatgut oder auch beim Verkauf der Ernte will das Start-up jedoch auf lange Sicht profitabel werden. Bislang sind rund 80.000 Personen auf der Plattform registriert, die aber nicht alle Transaktionen tätigen. Gemessen an den sechs bis sieben Millionen Kleinbauern in Kenia besteht da ohnehin noch viel Potenzial. Auch deswegen fliegt Kizito Odhiambo etwa alle sechs Wochen in seine Heimat. „Die Vision muss gelebt und vorangetrieben werden“, sagt er. „Ich suche ständig Menschen, die sich von der Idee anstecken lassen.“

Appell an Investoren für mehr Mut

Der Gründer stellt klar, dass es nicht um Technologietransfer geht, weil die Menschen in Afrika das aus deutscher Sicht vermeintlich bräuchten. „Es geht darum, die Chancen zu nutzen, um das Beste aus beiden Ländern zu ermöglichen. Ich bin der Meinung, dass Deutschland sich von Kenia mehr Flexibilität und Gelassenheit abschauen kann. Kenia hingegen könnte von Deutschland eine klarere Kommunikation und eine strukturierte Herangehensweise an Themen übernehmen.“
Auch deswegen geht er oft in Schulen und engagiert sich mit Agribora beispielsweise in der MINT-Initiative der IHK Darmstadt. „Ich will, dass die Schülerinnen und Schüler etwas über das Leben in Kenia erfahren und neue Perspektiven entwickeln“, sagt er. Beim Thema MINT geht es ihm vor allem darum jungen Meschen zu zeigen, wie Technologie zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und insbesondere der Armutsbekämpfung eingesetzt werden kann. 
Mit Blick auf die Zukunft von Agribora wünscht sich Kizito Odhiambo auch etwas mehr Risikobereitschaft bei deutschen Investoren, in ein Start-up zu investieren, das in Afrika engagiert ist. „Schließlich geht es nicht nur um Risiko. Es geht auch um Chancen, die noch nicht erkannt sind. Und dabei ist Kenia nur eines von 54 afrikanischen Ländern.“
„Ich habe Kizito ziemlich früh einen Termin auf hoher Ebene bei Eumesat vermittelt, die sich stark für die Nutzung von Satellitendaten in Afrika einsetzen. Das war durchaus ein Risiko, denn ich habe ihn damals noch nicht gut gekannt. Sie haben detaillierte technische Fragen gestellt, die er alle beantwortet hat. Aber es war vor allem die menschliche Komponente. Die hatten Spaß, mit ihm zu sprechen. Die Verbindung zwischen Charisma und wirklich fundiertem Wissen in der Technologie findet man sehr selten. Das hat mich sehr beeindruckt und ich bin froh, Kizito und Agribora unterstützen zu können.“ John Lewis (rechts im Bild), langjähriger Geschäftsführer beim Raumfahrtunternehmen Vega (heute Telespazio) und mittlerweile Head of New Ventures bei Agribora

Ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit

Mit seinem Geschäftsmodell trägt Agribora insbesondere zu folgenden SDGs bei:
Zukunftsmut: Ideen für mehr Nachhaltigkeit
Von der Chancengleichheit am Arbeitsplatz über ressourcenschonende, umweltfreundliche Produktion, neue Geschäftsideen, die Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen präsentieren, bis hin zu Sponsoring von Sportvereinen, Kultureinrichtungen und mehr: Unternehmerische Verantwortung hat viele Facetten. In dieser Artikelserie stellen wir Ihnen Good-Practices in Sachen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aus der Region Rhein-Main-Neckar und darüber hinaus vor, die beweisen, warum wir auch in Zeiten multipler Krisen mehr Optimismus wagen sollten.

Was macht verantwortungsvolle Teilhabe im Wirtschaftsleben aus?
Im Jahr 2020 haben rund 20 Unternehmerinnen und Unternehmer dazu ein neues Leitbild für verantwortungsbewusste, vertrauenswürdige Geschäftsleute erarbeitet. Dieses Leitbild stellen wir Unternehmen in deutscher und englischer Sprache kostenfrei zum Download bereit.

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Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit