Ein Fall für die Mediation

Wenn Corona Teams entfremdet

Als die Gesellschafter eines Beratungsunternehmens coronabedingt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, kippt die Stimmung und es kommt zum Bruch. Die geschäftliche Trennung soll ein Vermittler begleiten.
Autor: Hanspeter Lanz, 24. Januar 2022
Vier Geschäftspartner, die sich in einer GmbH organisieren, begleiten schon seit Jahren als externe Beratung Unternehmen und Organisationen erfolgreich dabei, ihre Transformationsprozesse zu gestalten. Das Team besteht aus sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, die jedoch seit Jahren gut zusammenarbeiten. Während der eine mehr zur Auftragsakquise beiträgt, hat die andere ein besonderes Gespür im Umgang mit den Kunden, andere wiederum sind absolute Seminar- und Workshopprofis. Man ergänzt sich ausgezeichnet, doch dann kommt Corona.
Plötzlich werden Aufträge reihenweise storniert, Workshops und Seminare auf unbestimmte Zeit verschoben und die Kontaktpersonen bei den Kunden sind wie untergetaucht. Die Kosten für das Beraterbüro laufen indes weiter, Gehälter müssen gezahlt werden, der Druck steigt. Die Stimmung im Team verschlechtert sich. Dass das Team nun nur noch digital kommuniziert, verschärft die Situation. Es werden Vorwürfe laut und bald wird es persönlich: „Du hast immer nur profitiert. Hast du je selbst einen Auftrag reingeholt?“ oder „Das ist mein Kunde!“ sind Sätze, die die Emotionen hochkochen lassen. Unschöne Szenen spielen sich ab, der Temperamentvollste der Gruppe verliert immer wieder die Fassung und staucht insbesondere die eine, etwas stillere Kollegin mehrfach zusammen. Die hatte erst ein Jahr zuvor ihr Kind bekommen und konnte sich deshalb zwischenzeitlich weniger ins Geschäft einbringen. Die vielen Verletzungen, die im Raum stehen, bringen die vier Gesellschafter schließlich zu der Entscheidung, beruflich getrennte Wege gehen zu wollen.
Da sie privat befreundet sind und sich eine faire Trennung wünschen, entschließen sie sich, ein Vermittler einzubinden und wenden sich an mich als Mediator. Um einen solchen Konflikt zu lösen, muss man zwei Ebenen angehen: die Beziehungsebene, um in der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, und die Sachebene, sprich in diesem Beispiel: im Falle einer geschäftlichen Trennung die Themen klären, die geregelt werden müssen – etwa der zeitliche Ablauf, die Mitnahme von Kunden, die Nutzung von Inhalten und Materialien oder die Übernahme von Gesellschaftsanteilen. Die Sachebene ist meist offensichtlich, doch die Konfliktursachen liegen in der Regel verborgen auf der Beziehungsebene. Wir einigen uns in einem Vorgespräch auf drei intensive Klärungsgespräche, die auf neutralem Boden in einem Seminarraum eines Hotels stattfinden und in denen die bestehenden Verletzungen offen angesprochen werden. Weil die Gespräche nun von einer neutralen Person geführt werden, gelingt es, dass die Gesellschafter einander wieder richtig zuhören und gegenseitiges Verständnis füreinander entwickeln. Und nachdem die Beziehungsebene geklärt ist, kehrt das Team sogar von selbst wieder auf die Sachebene zurück: Der Temperamentvollste bittet die anderen um Verzeihung und regt an, es als Team noch mal zu versuchen. Denn ihm wurde wieder klar, welche Bandbreite an Fähigkeiten sie als Team in sich vereinen. Eine Bandbreite, die sie überhaupt erst so erfolgreich gemacht hatte.
Gemeinsam entschließen sie sich, nach dem Lockdown und kurz vor Ende der Homeoffice-Pflicht als Beratungsteam weiterzuarbeiten und zu versuchen, an ihren Vor-Corona-Erfolg anzuschließen. Um die Beziehung zu stärken und um Missverständnisse durch eine rein digitale Kommunikation zu vermeiden, treffen sie sich außerdem ab sofort regelmäßig außerhalb des Büros, um gemeinsam zu reflektieren und so dauerhaft eine Atmosphäre der Offenheit und der gegenseitigen Wertschätzung zu schaffen. Die ersten Treffen werde ich als Moderator noch begleiten, damit das Team Sicherheit gewinnt, Dynamiken einer Gesprächsentwicklung zu verstehen, richtig einzuschätzen und konstruktiv damit umzugehen.
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Hanspeter Lanz ist einer von rund 20 Mediatoren, die die IHK Darmstadt auf Anfrage im Streitfall vermittelt, um Konfliktparteien wieder zusammenzuführen oder zumindest außergerichtlich eine gute Einigung für alle Beteiligten zu erzielen. Eine Mediation hat viele Vorteile gegenüber einem Gerichtsverfahren: Sie verursacht zumeist einen geringeren Zeit- und Kostenaufwand, lässt eine eigenverantwortliche Gestaltung des Mediationsprozesses zu, ermöglicht einen fairen Interessenausgleich ohne Gesichtsverlust und mehr.
Markus Würstle
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht