Kommentar

Warum wir über die Rolle von Unternehmertum reden müssen

Matthias Martiné, Präsident der IHK Darmstadt, zum neuen „Leitbild für verantwortungsbewusste, vertrauenswürdige Geschäftsleute“
Zentrale Themen wie die Digitalisierung oder der Klimawandel stellen unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Die Erwartungen, die unter anderem die Verbraucher, die Politik und die allgemeine Öffentlichkeit dabei an Unternehmen stellen, sind in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Diese Erwartungen sind nicht immer frei von Widersprüchen.
Ein Beispiel hierfür ist die Windenergie: Von der Wirtschaft wird erwartet, dass sie ihre Treibhausgasemissionen drastisch senkt. Das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung, bis 2030 den CO2-Ausstoß in Deutschland zu halbieren, setzt einen intensiven Ausbau von erneuerbaren Energien voraus. Das scheint gesellschaftlicher Konsens zu sein. Wenn es aber konkret wird, formieren sich Bürgerbewegungen, um gegen den Ausbau von Windkraftanlagen zu protestieren. Wir wollen und müssen zweierlei deutlich machen: Zum einen sind soziale und ökologische Herausforderungen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der jeder seinen Teil beitragen muss. Zum anderen ist die Wirtschaft Treiber für Wohlstand und Lebensqualität. Sie ist Teil der Gesellschaft, nicht ihr Gegenspieler. Nur mit der innovativen Kraft der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter – und nicht gegen sie – können die Herausforderungen unserer Zeit gemeistert werden.
Die öffentliche Debatte über die Rolle von Unternehmertum innerhalb einer Gesellschaft stärker mitzugestalten und unter dem Leitmotto „Verantwortung für eine starke Region“ den Wert von Unternehmertum aufzuzeigen, hat sich unsere Vollversammlung für die Wahlperiode 2019 bis 2024 als strategisches Ziel gesetzt. Hierzu haben wir den Lenkungskreis „Unternehmen Verantwortung“  eingerichtet, der zunächst definiert, welche Funktion Unternehmertum aus Sicht der regionalen Wirtschaft hat.
Das neue Leitbild für verantwortungsbewusste, vertrauenswürdige Geschäftsleute  ist hierzu der erste Schritt. Der Lenkungskreis soll darüber hinaus prüfen, welche Auswirkungen immer neue soziale und ökologische Zielvorgaben und damit verbundene gesetzliche Regelungen auf den Alltag von KMU haben. Das betrifft beispielsweise das eingangs angesprochene Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2030 zu halbieren, aber auch Gesetzesvorhaben wie das geplante Lieferkettengesetz oder das geplante Unternehmensstrafrecht. Erfüllen sie ihren Zweck? Steht der bürokratische Aufwand, den solche Regelungen meist für KMU bedeuten, im Verhältnis zum Nutzen?
Darüber hinaus erarbeitet der Lenkungskreis, welchen politischen Ordnungsrahmen es braucht, damit Unternehmen ihre Funktion in der Gesellschaft bestmöglich wahrnehmen können. Mit den Erkenntnissen und Forderungen, die aus der Arbeit des Lenkungskreises entstehen, wollen wir in den Dialog mit Politik und Öffentlichkeit treten.
Wir sind überzeugt: Unsere Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst und leisten ihren Teil für eine funktionierende Gesellschaft und eine lebenswerte Zukunft. Doch nicht nur die Wirtschaft trägt Verantwortung, auch die Politik und die Bürger. Den Herausforderungen unserer Zeit können wir nur mit gemeinsamen Anstrengungen begegnen. Wie diese aussehen können, das müssen wir in einer dynamischen, immer komplexer werdenden Welt immer wieder aufs Neue diskutieren.

Veronika Heibing
Bereich: Hauptgeschäftsführung
Themen: Unternehmerische Verantwortung, Ehrbare Kaufleute