Die Verbundausbildung

Wenn mehrere Betriebe gemeinsam ausbilden

Insbesondere kleine Betriebe sind manchmal zu spezialisiert, um umfassend ausbilden zu können. Für solche Fälle gibt es das Konzept der Verbundausbildung, das aktuell sogar vom Land Hessen gefördert wird. Der Rüsselsheimer Unternehmer Marcus Jordan und sein Azubi Micheal Saliba machen damit gerade sehr gute Erfahrungen.
Autor: Felix Schütze, 28. Februar 2022
Die Idee der Verbundausbildung ist einfach: Zwei oder mehr kleine Betriebe bilden ihren Nachwuchs gemeinsam aus, um so die für die Ausbildung notwendigen praktischen Inhalte vollständig abbilden zu können. So kann etwa ein Blumenladen mit einem auf Trauerfloristik spezialisierten Betrieb zusammenarbeiten. Oder ein vegetarisches Restaurant kooperiert bei der Kochausbildung mit einem Restaurant, das sich auch auf die Zubereitung von Fleisch und Fisch versteht.
„Es ist kein Massenphänomen, aber vor allem für kleine spezialisierte Betriebe durchaus ein Modell, das helfen kann, Fachkräfte von morgen zu gewinnen“, sagt Torsten Heinzmann, Teamleiter Aus- und Weiterbildung bei der IHK Darmstadt. Dank der Verbundausbildung kann auch Marcus Jordan, Geschäftsführer des Rüsselsheimer Unternehmens Jordan Brandschutztechnik, erstmals im eigenen Betrieb eine Ausbildung zum Industrieelektriker anbieten.
Der Betrieb mit 15 Mitarbeitern ist spezialisiert auf die Planung, den Einbau sowie die Inbetriebnahme und Wartung von Rauchschutzanlagen, Brandabschottungen sowie Brandmelde- und Sprinkleranlagen und allem, was von der Gartenhütte bis zum Hochhaus in Gebäuden für sichere Rettungswege sorgt. Wegen des Baubooms in der Region Rhein-Main-Neckar gibt es eine große Nachfrage nach solchen Leistungen. „Wir wachsen, haben aber Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu bekommen. Was wir machen, kann man nirgendwo lernen“, sagt Marcus Jordan.

Ungelernte Arbeitskraft über eine Ausbildung spezialisieren

Der Impuls, die Verbundausbildung auszuprobieren, kam durch die Bewerbung von Micheal Saliba. Sechs Jahre zuvor war der heute 32-Jährige als Bürgerkriegsflüchtling aus dem syrischen Aleppo nach Deutschland gekommen und hatte zuletzt als Leiharbeiter und Elektrohelfer bei Jordan Brandschutz gearbeitet. „Micheal hat sich dermaßen gut angestellt, dass wir uns sofort entschlossen: Den behalten wir, und wenn er dafür bei uns eine Ausbildung machen muss“, erzählt Marcus Jordan.
Als subsidiär Schutzberechtigter stand einem Ausbildungsvertrag eigentlich nichts entgegen. Doch bis dieser im vergangenen September unterschrieben werden konnte, musste die Firma Jordan Brandschutztechnik mit Unterstützung der IHK Darmstadt erst nach Wegen suchen, eine Ausbildung überhaupt anbieten zu können. Der Betrieb war zu klein und zu spezialisiert, um alle erforderlichen technischen Grundkenntnisse im eigenen Haus zu vermitteln. „Wir hatten noch nicht einmal einen Ausbilder dafür“, sagt der Geschäftsführer. Ausbilder sind aber vorgeschrieben und müssen bei der Einstellung von Azubis im Betrieb tätig sein. Der Mitarbeiter Sebastian Keisner, ein erfahrener Industrieelektriker, erklärte sich schließlich bereit, einen Ausbilderlehrgang bei der IHK Darmstadt zu absolvieren. „Und so hatten wir mit einem Schlag einen Azubi und den nötigen Ausbilder“, freut sich Marcus Jordan. Der Ausbildungsplan und die Verträge bedeuteten allerdings noch mal eine Menge Papierkram, bei dem die IHK jedoch mit Rat und Tat zur Seite stand. Für Marcus Jordan hat sich die Mühe gelohnt: „Damit haben wir gleichzeitig die Grundlage für künftige Ausbildungsverhältnisse geschaffen.“

Bildungszentren der IHK als mögliche Verbundpartner

Nicht immer finden Unternehmen andere Betriebe als Verbundpartner. Damit Micheal Saliba alles erlernen kann, was bei dem Rüsselsheimer Betrieb nicht möglich ist, kooperiert Jordan Brandschutztechnik deshalb mit dem Bildungszentrum der IHK in Heppenheim. Dieses bietet – wie auch das IHK-Bildungszentrum in Erbach – die Möglichkeit zu einer Grundausbildung im Bereich Elektrotechnik, Metalltechnik, Mechatronik und Verfahrensmechanik. Diese teilt sich auf drei mehrmonatige Module in den beiden Ausbildungsjahren auf. Teil der Ausbildung im dualen System ist daneben noch der Besuch der Berufsschule in Groß-Gerau.
Momentan absolviert Micheal Saliba sein erstes fünfmonatiges Ausbildungsmodul in Heppenheim und hat sehr viel Freude dabei. Für die Pendelei morgens und abends darf er den Firmenwagen nutzen. „Damit er sich voll aufs Lernen konzentrieren kann“, wie Sebastian Keisner erklärt. Und das tut er auch. „Das ist für mich eine Riesenchance, und dafür strenge ich mich natürlich richtig an“, sagt Micheal Saliba, der sich in den vergangenen Jahren bereits ausgezeichnete Deutschkenntnisse angeeignet hat. Für ihn steht jetzt schon fest: „Nach der Ausbildung würde ich sehr gerne bei Herrn Jordan weiterarbeiten und mich im Bereich Brandschutz weiterentwickeln.“

Finanzielle Förderung über ein Corona-Sonderprogramm

Ein weiterer Vorteil der Verbundausbildung ist, dass diese seit 2020 im Zusammenhang mit dem Corona-Förderprogramm des Landes Hessen finanziell unterstützt wird. Im Fall von Micheal Saliba können damit unter anderem die Kosten für die Module am IHK-Bildungszentrum mitgetragen werden. Die Förderung besteht aus einem Zuschuss zur Ausbildungsvergütung, einer Festbetragsförderung für externe Ausbildungstage und unter bestimmten Voraussetzungen auch aus einem Zuschuss für Koordinierungsleistungen. „Das ist für uns wie die Kirsche auf der Sahnetorte“, sagt Marcus Jordan. Allerdings war die Förderung für ihn nicht ausschlaggebend, um den Weg der Verbundausbildung zu wählen. Dazu sei der Bedarf an talentierten Fachkräften einfach zu groß.
Diese Erfahrung hat auch Torsten Heinzmann mit anderen Unternehmen gemacht, die er für die IHK zur Verbundausbildung berät. Hinzu kommt, dass diese Förderung nicht ganz einfach zu beantragen ist. „Da steckt der Teufel im Detail“, sagt der Fachmann. So seien etwa bestimmte Fristen zu beachten. Der Antrag müsse gestellt werden, bevor der eigentliche Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird. „Damit Betriebe ihre eigenen Fachkräfte ausbilden können, beraten wir gern zur Verbundausbildung und den Fördermöglichkeiten und helfen dabei, bürokratische Hürden zu nehmen“, unterstreicht Torsten Heinzmann.
Fördermittel und Kooperation mit den IHK-Bildungszentren
Eine Übersicht über die wichtigsten finanziellen Hilfen und Fördermittel des Landes Hessen rund ums Thema Ausbildung finden Sie online. Ebenfalls gibt es eine allgemeine Info zur Grundausbildung in den IHK-Bildungszentren.
Torsten Heinzmann
Teamleiter
Bereich: Aus- und Weiterbildung
Themen: Team Ausbildung, Ausbildungsberatung für kaufmännische Berufe