Altersgrenzen im Arbeitsvertrag vereinbaren
„Guten Tag, mein Name ist Lohse - ich kaufe hier ein.“
Wer kennt ihn nicht? Heinrich Lohse, den leitenden Angestellten, den seine Firma in den unerwarteten Vorruhestand schickt. Loriots „Pappa Ante Portas“ zeigt uns, wie sich Herr Lohse abmüht, als Rentner das Alltagsleben in den Griff zu bekommen. Sein erster Einkauf bei einem Lebensmittelhändler ist ein echter Prüfstein. Nach Hause kehrt er nicht mit einem Glas, sondern mit einer ganzen Palette Senf zurück – schließlich orderte er auch in seiner Firma das Papier wegen des günstigeren Stückpreises immer gleich palettenweise.
Was durch Loriot für den Zuschauer zu einem äußerst vergnüglich anzusehenden Film aufbereitet wurde, hat einen lebensnahen – und für viele ernsten - Hintergrund. Nicht wenige haben Angst vor ihrem Leben nach dem Arbeitsleben. Für manche hat dies finanzielle Gründe, für andere ist das Rentnerdasein schlichtweg ein Graus.
1. Kein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses mit Rentenbeginn
Ein weit verbreiteter Irrtum ist in diesem Zusammenhang, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Rentenbeginn automatisch enden. Im Gesetz findet sich eine derartige Regelung nicht. Auch das Arbeitsverhältnis des angehenden Rentners kann daher nur durch Kündigung, Aufhebungsvereinbarung oder rechtlich zulässige Befristung enden. Eine Kündigung, die ausschließlich wegen des Erreichens des Rentenalters ausgesprochen wird, ist unzulässig. Dies gilt unabhängig von der Unternehmensgröße. Für eine Aufhebungsvereinbarung benötigt der Arbeitgeber die Zustimmung des Arbeitnehmers.
2. Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag
Eine oft – jedoch nicht immer – gewählte Möglichkeit ist es, bereits in den Arbeitsvertrag eine Altersgrenzenregelung aufzunehmen, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Rentenbeginn festlegt. Eine solche Klausel kann etwa wie folgt lauten: „Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente erreicht hat.“ Ähnlich lautende Klauseln sind in vielen Tarifverträgen enthalten. Soweit diese auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung finden, bedarf es einer gesonderten arbeitsvertraglichen Bestimmung nicht.
3. Verstoß gegen europäisches Recht?
Arbeits- und tarifvertragliche Vereinbarungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Rentenbeginn müssen sich an den Maßstäben sowohl des deutschen als auch des europäischen Rechts messen lassen. Bislang wurden Altersgrenzenregelungen nach deutschem Recht ohne Weiteres als zulässig angesehen. Auf europäischer Ebene war jedoch ungeklärt, ob sie auch der Gleichbehandlungsrichtlinie der EU entsprechen. Hiernach ist die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern wegen des Alters grundsätzlich untersagt. Ungleichbehandlungen werden nach der Richtlinie ausnahmsweise nur dann zugelassen, wenn sie
- objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zählen, gerechtfertigt und
- die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Die europäische Ausnahmeregelung erscheint bereits auf den ersten Blick wenig griffig. Was sie im Einzelnen beinhaltet, haben letztendlich die Gerichte zu entscheiden.
4. Rechtsprechung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich dieser Frage in seinem Urteil vom 12.10.2010 (Az.: C-45/09) im Rahmen der Prüfung einer tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung angenommen. Er kam zu dem Schluss, dass eine zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft ausgehandelte Altersgrenzenregelung zulässig ist, wenn sie legitime sozialpolitische Ziele, wie die Begünstigung der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer, die Ermöglichung einer Nachwuchsplanung oder eine ausgewogene Altersstruktur in den Unternehmen, verfolgt.
Ob die Rechtsprechung des EuGH zu tariflichen Altersgrenzenregelungen auch auf entsprechende Bestimmungen in Arbeitsverträgen angewendet werden kann, ist unklar. Denn der Nachweis legitimer sozialpolitischer Ziele dürfte hier weitaus schwieriger zu erbringen sein. So erscheint äußerst zweifelhaft, ob der einzelne Arbeitgeber bei Abschluss eines Arbeitsvertrags tatsächlich schon eine Nachwuchsplanung vornimmt oder die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer begünstigen möchte. Allenfalls das Bedürfnis nach einer ausgewogenen betrieblichen Altersstruktur erscheint an dieser Stelle nachvollziehbar.
Selbst wenn man damit von einem legitimen sozialpolitischen Ziel ausginge, so muss die Regelung im Arbeitsvertrag auch angemessen und erforderlich sein. Der EuGH hat betont, dass er den Tarifvertragsparteien insoweit einen weiten Ermessensspielraum zugesteht. Grund hierfür ist, dass die Verbände aufgrund ihres Machtgleichgewichts auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Ein solches Gleichgewicht besteht jedoch bei Abschluss eines Arbeitsvertrags zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Regel nicht.
Das Bundesarbeitsgericht lässt derzeit zwar keinerlei Tendenz erkennen, arbeitsvertragliche Altersgrenzenregelungen für unzulässig zu erklären. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie der EuGH in dieser Frage entscheiden wird.
5. Folgen eines Verstoßes gegen europäisches Recht
Ein Verstoß gegen geltendes europäisches Recht hätte die Unwirksamkeit der betreffenden Altersgrenzenregelung zur Folge. Das Arbeitsverhältnis würde damit gerade nicht – wie beabsichtigt - mit dem Bezug der Regelaltersrente enden. Der Arbeitnehmer hätte die Möglichkeit, innerhalb von drei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Beendigung zu klagen. Erst nach Verstreichen der Dreiwochenfrist bestünde hinreichende Klarheit, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich mit dem Vormonat des Bezugs der Regelaltersrente beendet worden ist oder ob insoweit für das Unternehmen noch ein Risikopotenzial besteht.
6. Risiko
Die Gefahr einer Klageerhebung geht nicht nur von Arbeitnehmern aus, die trotz ihres Rentenalters weiterhin arbeiten möchten oder aus finanziellen Gründen weiterhin arbeiten müssen. Auch diejenigen, die auf die Zahlung einer Abfindung spekulieren, könnten sich durch die ungeklärte Rechtslage veranlasst sehen, Klage zu erheben. Ein solches Gerichtsverfahren bringt für den Arbeitgeber immer das Risiko mit sich, den Prozess zu verlieren. Das Arbeitsverhältnis hätte dann wider Erwarten nicht geendet; das Unternehmen müsste für die Dauer des Prozesses das Gehalt nachzahlen, obwohl der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat. Darüber hinaus wäre der Arbeitnehmer in der Zukunft zu beschäftigen. Diese kostenträchtige Unsicherheit veranlasst viele Unternehmen, sich durch Zahlung einer Abfindung Rechtssicherheit zu erkaufen und das Risiko auf einen einvernehmlich festgelegten Betrag zu begrenzen.
Derartige unerwartete Kosten können aus betriebswirtschaftlicher Sicht erhebliche Folgen haben. Die möglichen Aufwendungen sollten daher im Vorfeld altersbedingter Beendigungen von Arbeitsverhältnissen mit einkalkuliert werden.
7. Tipp
Unternehmen sollten bei Neueinstellungen trotz der geschilderten Unsicherheiten eine Altersgrenzenregelung in den Arbeitsvertrag aufnehmen, soweit nicht bereits ein Tarifvertrag mit einer entsprechenden Bestimmung Anwendung findet. Fehlt die Vereinbarung einer Altersgrenzenregelung, so endet das Arbeitsverhältnis mit dem Beginn des Rentenalters nicht. Der Arbeitgeber müsste kündigen. Eine Kündigung allein wegen des Erreichens der Regelaltersgrenze wäre unwirksam.
Unternehmen, die Altersgrenzenregelungen nutzen, empfiehlt es sich gleichwohl, die Entwicklung der Rechtsprechung zu beobachten. Zwar geht die Tendenz des Bundesarbeitsgerichts klar dahin, die Bestimmungen für zulässig zu erachten. In dieser Frage wird jedoch der EuGH das letzte Wort sprechen. Wie die Entscheidung aussieht, ist offen.
Unternehmen, die Arbeitnehmer kurz vor Erreichen des Rentenalters beschäftigen und die Risiken im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses minimieren wollen, ist zu empfehlen, selbst die Initiative zu ergreifen. Sie haben die Möglichkeit im Rahmen eines Personalgesprächs zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer - wie dies evtl. im Arbeitsvertrag vorgesehen ist - aus dem Arbeitsverhältnis mit Rentenbeginn ausscheiden möchte. Im Rahmen des Gesprächs können dann auch alle weiteren offenen Fragen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen (wie z. B. Urlaub, Überstunden, Sonderzahlungen etc.) geklärt werden. Möchte der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beenden, so sollte in zeitlicher Nähe zur Vollendung des Rentenalters ein entsprechender Aufhebungsvertrag geschlossen werden, aus dem sich der Wunsch des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergibt und der alle noch offenen Fragen regelt.
Dr. Martina Dreher
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Dreher Lutz Rechtsanwälte
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Telefax: 06151 669684-9
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Stand: April 2012