Energiekrise

Gasversorgung: Aktuelle Lage und Empfehlungen

Die deutlich reduzierten russischen Gaslieferungen lassen das Erreichen der erst kürzlich gesetzlich normierten Speicherfüllstände in weite Ferne rücken. Die weitere Entwicklung liegt voraussichtlich allein im politischen Kalkül Moskaus. Bundeswirtschafsminister Habeck appelliert daher an die Solidarität der Allgemeinheit, Gas zu sparen.

Notfallplan Gas und aktuelle Lage der Gasversorgung

Sollten die russischen Lieferungen komplett ausfallen, könnte es zur Ausrufung der letzten Stufe des "Notfallplans Gas", die sogenannte Notfallstufe, kommen. Während bei der ersten und zweiten Stufe ausschließlich marktbasierte Maßnahmen, oder eigenverantwortliche Maßnahmen der zuständigen Marktakteure, ergriffen werden können, dürfen ab Ausrufen der dritten Stufe gemäß Energiesicherungsgesetz und Gasversorgungssicherungsverordnung hoheitliche Instrumente ergriffen werden. Somit übernimmt die Bundesnetzagentur in der Notfallstufe die Rolle des Bundeslastverteilers und kann per Verfügungen sehr weitreichend in den Markt eingreifen. Verbraucherseitig umfasst das unter anderem Vorgaben über Zuteilung, Bezug und Verwendung von Gas sowie den Ausschluss vom Gasbezug, beispielsweise Anordnungen zu Reduktion des Gasverbrauchs, zur Abschaltung von Industriekunden, zur Substitution von Erdgas durch andere Energieträger. Das Ausrufen der dritten Stufe hätte Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Wertschöpfungsketten und Industrieanlagen. Wichtig ist also, den Markt so lange wie möglich wirken zu lassen und so lange wie möglich nicht einzugreifen.
Hier finden Sie den täglichen Lagebericht: Aktuelle Lage der Gasversorgung in Deutschland

IHK empfiehlt Unternehmen

  • Wir empfehlen den Betrieben in jedem Fall, in Austausch mit ihrem Gasnetzbetreiber zu treten und sich intensiv mit möglichen Folgen von Versorgungsengpässen auseinanderzusetzen (sofern dies nicht bereits im Rahmen der Befragung der größten Gasverbraucher durch die BNetzA im Mai geschehen ist). Beantworten Sie die Schreiben der Netzbetreiber und geben Sie eine Kontaktperson an (Hintergrund: Nur so besteht die Möglichkeit ein Stück weit bei der Abschaltung mitzuentscheiden).
  • Sparen Sie Gas ein, soviel Sie können. Sollte gegebenenfalls ein Energieträgerwechsel weg vom Gas möglich sein, sollte mit den für den Immissionsschutz zuständigen Behörden gesprochen werden. Ob es hier zu gesetzlichen Erleichterungen bei den Genehmigungen kommt, ist noch offen (Hintergrund: das aktuelle Handeln der Bundesnetzagentur und aller Beteiligten richtet sich darauf auch bei dem Stopp der Gaslieferungen aus Russland eine Gas-Mangellage zu verhindern). Weiterführende Infos zum Thema "Brennstoffumstellung" finden Sie hier "Brennstoffumstellung: Was ist genehmigungsrechtlich zu beachten?"
  • Bereiten Sie sich auf das Abschalten vor: Prüfen Sie Ihre Prozesse und Ihre Lieferketten (Hintergrund: Selbst wenn Sie kein Gas benötigen, kann eine Unterbrechung Ihrer Lieferkette aufgrund von Gasmangel fatale Folgen haben).

Was würde in der Notfallstufe geschehen?

  • Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss im Fall einer Gasnotlage und Ausrufen der Notfallstufe als Bundeslastverteiler festlegen, wer in Deutschland weiter versorgt werden soll und wer abgeschaltet werden muss.
  • Die Bundesnetzagentur hat hierzu ein Papier zur Abwägung der Lastverteilung vorgelegt.
  • Der Staat greift in den Markt ein.
  • Die Bundesnetzagentur würde zum Bundeslastverteiler.
  • In enger Abstimmung mit den Netzbetreibern bestimmt sie über die Verteilung von Gas.
  • Haushalte, soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, und Gaskraftwerke, die zugleich auch der Wärmeversorgung von Haushalten dienen, gelten als geschützte Verbraucher, die möglichst lange mit Gas zu versorgen sind.
  • Unternehmen sind keine geschützten Verbraucher.

Fragen zur Abschaltreihenfolge

An welcher Stelle der Abschaltreihenfolge werde ich eingruppiert? Habe ich darauf Einfluss oder kann ich mich zur kritischen Infrastruktur erklären? Wer legt das fest und auf welcher Grundlage? Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten:
Innerhalb der Gruppe nicht geschützter Kunden/Verbraucher gibt es keine gesonderte Differenzierung. Die Festlegung von Kürzungen oder gar Abschaltung liegt im konkreten Fall in der Verantwortung der Netzbetreiber (in Abstimmung mit der BNetzA). Hauptkriterium ist dabei die Sicherstellung der vorrangigen Versorgung besonders geschützter Kunden, unter Berücksichtigung der dafür notwendigen Parameter. Das heißt, es gibt erstmal keinerlei Grundlage, innerhalb der Gruppe nicht geschützter Kunden Einfluss auf die Eingruppierung in einer möglichen Abschaltreihenfolge zu nehmen oder sich gar zum „systemrelevanten“ Kunden zu erklären.
Gleichwohl ist der Wunsch vieler Unternehmer nach validen Informationen, strukturierten Prozessen und Planbarkeit nachvollziehbar. Der DIHK ist auf allen Ebenen in Gesprächen, um hier zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Eine abstrakte Abschaltreihenfolge ist aber nicht zu erwarten, allenfalls ein Kriterienkatalog, der Netzbetreiber und BNetzA bei ihren Entscheidungen unterstützen kann.

IHK-Organisation warnt vor extremen wirtschaftlichen Folgen bei Gas-Lieferstopp

DIHK-Präsident Peter Adrian zum Ausrufen der Alarmstufe des Notfallplans Gas: jetzt fairer Ausgleich zwischen den Gasversorgern und den Gaskunden nötig
„Zwar ist die Versorgung mit Gas kurzfristig noch gesichert, dennoch sind die Unternehmen über die Branchen hinweg in allerhöchster Sorge. Es ist gut, dass die Bundesregierung die Weitergabe der höheren Gaspreise an die Kunden trotz bestehender Verträge aktuell nicht ermöglicht und selbst inzwischen die großen Nachteile eines solchen Verfahrens sieht. Es muss jetzt bei den unvermeidbaren Kostenbelastungen ein fairer Ausgleich zwischen den Gasversorgern und den Gaskunden geschaffen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass insbesondere Unternehmen in der energieintensiven Industrie ihre Produktion einstellen und in der Folge Insolvenzen drohen. In der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage bezeichnen neun von zehn Industriebetriebe die hohen Energiepreise schon jetzt als großes Geschäftsrisiko. Zudem laufen immer mehr Verträge mit niedrigen Gaspreisen aus. Damit wächst die Belastung der Wirtschaft jeden Tag ohnehin weiter. Letztlich treffen die höheren Preise auch die Verbraucher. Nach den Rückmeldungen aus den Unternehmen sehen sich drei Viertel der Betriebe schon jetzt gezwungen, die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Viele Branchen haben dazu aber keine oder nur begrenzte Möglichkeiten.
Angesichts dieser dunklen Wolken müssen wir nun gemeinsam alles tun, um für den Winter Gas einzusparen. Die Pläne der Bundesregierung, Gaseinsparungen in der Industrie zu belohnen, sind richtig. Sie müssen nun aber rasch an den Start gehen. Außerdem sollte es den Unternehmen erlaubt werden, kurzfristig von Gas auf Heizöl oder Kohle umzusteigen. Dem stehen bislang aber noch umweltrechtliche Vorschiften im Weg. Auch sollten die staatlichen Notfallzahlungen kurzfristig auf gasintensive Betriebe ausgeweitet werden.“