Bundestag: Energieeffizienzgesetz beschlossen

Der Bundestag hat am 21. September 2023 das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in der vom Ausschuss für Klimaschutz und Energie geänderten Fassung angenommen (Gesetzentwurf mit Begründung – Drucksache 20/6872). Mit dem EnEfG werden wesentliche Anforderungen der europäischen Energieeffizienz-Richtlinie national umgesetzt. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hatte zum Referentenentwurf Stellung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 647 KB) bezogen. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich Ende Oktober mit dem Gesetz befassen, im Anschluss soll es möglichst zeitnah in Kraft treten.

Energieeffizienzziele

Das Gesetz setzt absolute Primär- und Endenergieeinsparziele. Der Endenergieverbrauch muss im Vergleich zum Jahr 2008 bis zum Jahr 2030 um mindestens 26,5 Prozent auf höchstens 1.867 Terawattstunden (TWh) und der Primärenergieverbrauch um 39,3 Prozent auf höchstens 2.252 TWh gesenkt werden. Bis 2045 soll der Endenergieverbrauch gegenüber dem Jahr 2008 um 45 Prozent gesenkt werden. Die Bundesregierung kann die Erreichung der Ziele bei außergewöhnlichen und unerwarteten Konjunktur- oder Bevölkerungsentwicklungen anpassen.

Einsparverpflichtung für Bund, Länder und öffentliche Stellen

Der Bund soll ab 2024 bis 2030 mittels strategischer Maßnahmen jährlich neue Endenergieeinsparung von mindestens 45 TWh „bewirken“. Für die Länder gilt jährlich neue Endenergieeinsparung von mindestens 3 TWh, die vor allem durch Maßnahmen zur Information, Beratung, Bildung und Förderung erreicht werden sollen. Öffentliche Stellen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch größer 1 GWh sind bis zum Jahr 2045 zu jährlichen Endenergieeinsparungen von 2 Prozent verpflichtet und müssen ein vereinfachtes Energiemanagementsystem (EMS) bzw. ab 3 GWh ein umfassendes EMS/UMS einführen.

Managementpflichten für Unternehmen

Unternehmen mit einem jährlichen durchschnittlichen Gesamtendenergieverbrauch innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre von mehr als 7,5 Gigawattstunden (GWh) müssen innerhalb von 20 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bzw. nach Erreichen des Verbrauchsstatus ein EMS/UMS mindestens mit folgenden zusätzlichen Anforderungen eingeführt haben:
Erfassung von Zufuhr und Abgabe von Energie, Prozesstemperaturen, abwärmeführenden Medien mit ihren Temperaturen und Wärmemengen und möglichen Inhaltsstoffen sowie von technisch vermeidbarer und technisch nicht vermeidbarer Abwärme bei der Erfassung der Abwärmequellen und die Bewertung der Möglichkeit zur Umsetzung von Maßnahmen zur Abwärmerückgewinnung und -nutzung
  • Identifizierung und Darstellung von technisch realisierbaren Endenergieeinsparmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Abwärmerückgewinnung und -nutzung
  • Wirtschaftlichkeitsbewertung der identifizierten Maßnahmen nach DIN EN 17463, Ausgabe Dezember 2021
Innerhalb der 20-Monatsfrist sind die Unternehmen von der Pflicht zur Durchführung von Energieaudits nach § 8 Absatz 1 des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Effizienzmaßnahmen befreit.
Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch größer 2,5 GWh müssen angelehnt an die europäische Energieeffizienz-Richtlinie (EU) 2023/1791 alle vier Jahre ein Energieaudit durchführen lassen und
  • innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Re-Zertifizierung, der Verlängerungseintragung oder der Fertigstellung des Energieaudits für alle als wirtschaftlich identifizierten Maßnahmen konkrete Umsetzungspläne entwickeln und veröffentlichen.
  • Eine Maßnahme gilt als wirtschaftlich, wenn sich bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Maßnahme nach DIN EN 17463 nach maximal 50 Prozent der Nutzungsdauer (Abschreibungstabellen des Bundesfinanzministeriums) ein positiver Kapitalwert ergibt, jedoch begrenzt auf Maßnahmen mit einer Nutzungsdauer von maximal 15 Jahren.
  • Die Unternehmen sind verpflichtet, sich die Vollständigkeit und Richtigkeit der Umsetzungspläne vor der Veröffentlichung durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren bestätigen zu lassen.
  • Ausgenommen von der Pflicht zur Veröffentlichung sind Informationen, die nationalen oder europäischen Vorschriften zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder der Vertraulichkeit unterliegen.

Externe und unternehmensinterne Rechenzentren

Das EnEfG fordert umfangreiche und weitgehende Energieeffizienzanforderungen sowie Berichtspflichten für bestehende und neue Rechenzentren (mit einer nicht redundanten elektrischen Nennanschlussleistung ab 300 Kilowatt) sowie weitergehende Abwärmenutzungsanforderungen für neue Rechenzentren.
Rechenzentren, die vor dem 1. Juli 2026 den Betrieb aufnehmen oder aufgenommen haben, müssen
  • ab dem 1. Juli 2027 eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,5 und
  • ab dem 1. Juli 2030 eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,3 im Jahresdurchschnitt dauerhaft erreichen.
Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 den Betrieb aufnehmen, sind so zu errichten und zu betreiben, dass sie
  • eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,2 erreichen und
  • einen Anteil an wiederverwendeter Energie
    • von mindestens 10 Prozent,
    • bei Betriebsaufnahme ab dem 1. Juli 2027 von mindestens 15 Prozent und
    • bei Betriebsaufnahme ab dem 1. Juli 2028 von mindestens 20 Prozent aufweisen.
Die Verpflichtung zur Wiederverwendung von Energie gilt nicht, wenn eine Vereinbarung mit einem Wärmenetzbetreiber abgeschlossen wurde oder von diesem ein Angebot zur Nutzung zu Gestehungskosten nicht angenommen worden ist.
Zudem müssen Rechenzentren ab 1. Januar 2024 50 Prozent ihres Stromverbrauchs bilanziell durch Strom aus erneuerbaren Energien decken, ab 2027 100 Prozent.
Rechenzentren (sowie “Betreiber von Informationstechnik” mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 50 Kilowatt in Rechenzentren) müssen außerdem ab 1. Juli 2025 ein EMS/UMS betreiben. Die Pflicht zur Zertifizierung bzw. Validierung ihres EMS/UMS besteht ab 1. Januar 2026
  • für Rechenzentren von Unternehmen mit einer nicht redundanten elektrischen Nennanschlussleistung ab 1 Megawatt
  • für “Betreiber von Informationstechnik” mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 500 Kilowatt und
  • für Betreiber von Informationstechnik, die im Auftrag öffentlicher Träger betrieben werden, ab einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 300 Kilowatt.
Rechenzentren, deren wiederverwendete Energie zur Nutzung über ein Wärmenetz zu einem Anteil von mindestens 50 Prozent aufgenommen wird, sind von der Pflicht zur Einrichtung eines Energie- oder Umweltmanagementsystems befreit, wenn ihr jährlicher durchschnittlicher Gesamtendenergieverbrauch innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre die Schwelle von 7,5 Gigawattstunden nicht überschreitet.
Betreiber von Rechenzentren müssen Informationen nach Anlage 3 veröffentlichen und an den Bund übermitteln und zwar
  • erstmals spätestens zum 15. Mai 2024 ab einer nicht redundanten Nennanschlussleistung von 500 Kilowatt bzw.
  • erstmals spätestens zum 1. Juli 2025 ab einer nicht redundanten Nennanschlussleistung von 200 Kilowatt bis unter 500 Kilowatt und
  • anschließend jeweils bis zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr.
Betreiber von Informationstechnik sind verpflichtet, dem Bund bis zum 31. März 2024 Informationen für das Jahr 2023 bereitzustellen.

Abwärme

Unternehmen mit einem Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 GWh haben Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden, auf den Anteil technisch unvermeidbarer Abwärme zu reduzieren und nach Möglichkeit durch Abwärmenutzung – auch durch Dritte – kaskadenförmig wiederzuverwenden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Im Rahmen der Zumutbarkeit sind technische, wirtschaftliche und betriebliche Belange zu berücksichtigen.
Die Unternehmen müssen folgende Informationen
  • Name des Unternehmens,
  • Adresse des Standortes oder der Standorte, an dem die Abwärme anfällt,
  • jährliche Wärmemenge und maximale thermische Leistung,
  • zeitliche Verfügbarkeit in Form von Leistungsprofilen im Jahresverlauf,
  • vorhandene Möglichkeiten zur Regelung von Temperatur, Druck und Einspeisung,
  • durchschnittliches Temperaturniveau in Grad Celsius
auf Verlangen an Betreiber von Wärmenetzen, Fernwärmeversorgungsunternehmen und sonstige potenziell wärmeabnehmende Unternehmen weitergeben und diese Informationen außerdem jedes Jahr bis zum 31. März (erstmals zum 1. Januar 2024, Termin könnte sich noch ändern) an die Bundesstelle für Energieeffizienz übermitteln, die sie auf einer öffentlichen Plattform zur Verfügung stellt.

Klimaneutrale Unternehmen

Das EnEfG enthält eine Verordnungsermächtigung (mit Bundesratszustimmung) zur Definition „klimaneutraler Unternehmen“ und zu Ausnahmen und Befreiungen von den Anforderungen an Rechenzentren und hinsichtlich der Abwärme-Nutzung.

Bußgelder

Bei einem Verstoß gegen die Regelungen des EnEfG können Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt werden.

DIHK-Einschätzung zum Referentenentwurf:

  • Mit dem Europäischen und dem Nationalen Emissionshandel besteht ein funktionierender Rahmen für die Senkung der CO2-Emissionen in der Wirtschaft. Weitere Maßnahmen und Ziele - insbesondere ordnungsrechtliche Vorgaben - sind daher aus Sicht der DIHK nicht notwendig und werden von der Wirtschaft ganz überwiegend kritisch gesehen.
  • Die vorgesehene gesetzliche Festlegung eines absoluten Endenergielimits bzw. -ziels ist der falsche Weg und sollte durch ein indikatives, nationales Einsparziel ersetzt werden, wie es auch die europäische Energieeffizienzrichtlinie vorsieht. Die Festsetzung von Endenergieeinsparzielen kann dazu führen, dass wirtschaftliches Wachstum eingeschränkt wird. So wäre bei gegebener Endenergieproduktivitätssteigerung von 1,6 Prozent pro Jahr (Trend 1990 bis 2021) das Endenergieziel von höchstens 1.867 TWh zwangsläufig nur mit einer verringerten Wirtschaftsleistung gegenüber 2021 von rund 350 Mrd. Euro oder mehr als minus 10 Prozent erreichbar. Eine politisch normierte Limitierung des Endenergieeinsatzes hat daher gesamtwirtschaftlich eine Reduktion des Bruttoinlandsproduktes zur Folge. Damit das deutsche BIP noch zulegen kann, müsste sich die Endenergieproduktivität mindestens verdoppeln.
  • Die im Referentenentwurf noch enthaltene Umsetzungsverpflichtung für vom Gesetzgeber definierte wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen hat die DIHK abgelehnt, weil sie einen massiven Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen darstellt. Es kann aus betrieblicher Sicht sinnvoller sein, trotz ggf. bestehender Wirtschaftlichkeit in andere Maßnahmen wie PV-Anlagen oder Forschung und Entwicklung zu investieren. Auch hinsichtlich der Herausforderungen der Energiewende kann eine Investition in Flexibilität ggf. sinnvoller sein als absolute Einsparung.
  • Die Spezialvorschriften für Rechenzentren stellen eine Benachteiligung dieser Betriebe im europäischen Wettbewerb dar. Die DIHK sieht diese Regelungen daher kritisch. Generelle Offenlegungspflichten für konkrete Maßnahmenpläne, Abwärmepotenziale oder spezifische Informationen zu Rechenzentren sollten gestrichen werden. Sie umfassen sensible Daten, die Rückschlüsse auf Standorte, Produktionsverfahren und Betriebsparameter zulassen, und damit die Wettbewerbsfähigkeit gefährden oder sogar die Sicherheit kritischer Infrastrukturen.Da Maßnahmenpläne außerdem integraler Bestandteil der Normenanforderungen sind, reichen die geforderten Nachweise über Audit oder Managementsystem gegenüber staatlichen Stellen völlig aus und vermeiden unnötige Bürokratie in Politik und Verwaltung.
  • Vor dem Hintergrund der unbestimmten Rechtsbegriffe „möglich und zumutbar“ führen die umfassenden Abwärmeverpflichtungen zu unnötiger Rechtsunsicherheiten und können die Betriebe überfordern. Zudem sind die Offenlegungspflichten der Abwärmepotenziale nach § 17 Absatz 1 überflüssig. Denn identische Daten sind nach Absatz 2 an die Bundesstelle für Energieeffizienz zu übermitteln und werden über eine öffentlich zugängliche Plattform verfügbar gemacht. Circa 75 Prozent des industriellen Endenergieverbrauchs ist Wärmeanwendungen zuzurechnen, der überwiegende Anteil davon wiederum der Prozesswärme. Mithin liegt die effiziente Erzeugung und Nutzung von Wärme im ureigensten Interesse der Betriebe – einschließlich der Vermeidung unnötiger Abwärme sowie der „Wiederverwendung“ unvermeidbarer Abwärme. Die im Energieeffizienzgesetz vorgesehene umfassende und undifferenzierte Pflicht zur Vermeidung und Wiederverwendung von Abwärme, ohne jegliche Verhältnismäßigkeits- oder Wesentlichkeitskriterien, berücksichtigt dagegen keine individuellen Einflussgrößen im Unternehmen. Ferner blenden die undifferenzierten Abwärmeverpflichtungen die Möglichkeit aus, dass trotz Vermeidung und umfassender Nutzung immer noch unvermeidbare und nicht nutzbare Abwärme im Unternehmen anfällt. Sinnvoller wäre es, Abwärme den erneuerbaren Energien grundsätzlich und uneingeschränkt gleichzustellen und eine Abnahmeverpflichtung durch Wärmenetzbetreiber einzuführen.
  • Die DIHK hat zudem darauf hingewiesen, dass an vielen Stellen qualifiziertes Personal in den Betrieben, aber auch bei Dienstleistern und Auditoren, fehlt und gesetzliche Anforderungen am Fachkräftemangel scheitern können.
(Quelle DIHK, BMWK, Bundestag)