Grundsteuer(wert)bescheide - Rechtliches Vorgehen bei dem Erlaß

Ausgangslage

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer sind die Bundesländer gehalten, die Grundsteuer zu reformieren, was zu einer Neubewertung aller in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Grundstücke führt. Grundlage für die Neubewertung sind die von den Grundstückseigentümern abzugebenden Erklärungen zur Feststellung des Grundsteuerwertes. Die Frist zur Abgabe der Erklärungen wurde durch Beschluss der Finanzministerkonferenz auf den 31.01.2023 verlängert, da innerhalb der vormaligen Frist zum 31.10.2022 nicht alle Erklärungen abgegeben wurden.
Nach Abgabe der Grundsteuerwert-Erklärungen erhalten die Grundstückseigentümer zwei Bescheide. Den Grundsteuerwertbescheid sowie den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag als Folgebescheid. Beide Bescheide werden regelmäßig zeitgleich erlassen.

Grundsteuerwertbescheid und Grundsteuermessbescheid

Nach Abgabe der Grundsteuerwert-Erklärungen erhalten die Grundstückseigentümer zwei Bescheide. Den Grundsteuerwertbescheid sowie den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag als Folgebescheid. Beide Bescheide werden regelmäßig zeitgleich erlassen.
Anhand der Angaben in der Grundsteuererklärung berechnet das Finanzamt den Grundsteuerwert und stellt einen Grundsteuerwertbescheid aus. Außerdem berechnet das Finanzamt anhand einer gesetzlich festgeschriebenen Steuermesszahl den Grundsteuermessbetrag und stellt einen Grundsteuermessbescheid aus. Die Bescheide sind noch keine Aufforderungen zur Zahlung der Grundsteuer. Sie stellen aber die Grundlage zur späteren Festsetzung der Grundsteuer, die mit dem Grundsteuerbescheid erfolgt, dar. Die neue Grundsteuer wird ab dem Jahr 2025 erhoben.

Sollte Einspruch gegen die Bescheide eingelegt werden?

Gegen jeden der Bescheide kann jeweils separat Einspruch eingelegt werden. Es bedarf aber einer sehr genauen und differenzierten Betrachtung, ob ein Einspruch sinnvoll ist. Dabei sind grundsätzlich zwei Fragestellungen zu unterscheiden.
  • Materiell-rechtlich fehlerhafte Bescheide
Die eine betrifft materiell-rechtliche Einwendungen gegen den festgestellten Wert des Grundstücks, weil sich etwa konkrete Sachverhalte nicht korrekt bei der Bewertung niedergeschlagen haben, also z.B. falsche Flächenangaben berücksichtigt, ein falsches Baujahr zugrunde gelegt, Daten einer Kernsanierung nicht richtig erfasst wurden oder Angaben zu den Wohnflächen fehlerhaft sind. Hiergegen sollte auf jeden Fall Einspruch eingelegt werden. Gleiches gilt auch für fehlerhafte Angaben im Folgebescheid über den Grundsteuermessbetrag.
Die Einspruchsfrist gegen die Bescheide beträgt einen Monat. Sie beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 355 Abs. 1 AO). Einsprüche auf dieser Grundlage werden grundsätzlich nach dem Eingangsdatum abgearbeitet. Die Bearbeitung kann längere Zeit in Anspruch nehmen, wenn die Finanzbehörde durch ein hohes Eingangsaufkommen der Grundsteuerwerterklärungen unter einer großer Arbeitsbelastung steht.
  • Verfassungsrechtliche Einwände
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob die Berechnung oder Anwendung der Grundsteuer auf Grundlage des neuen Grundsteuergesetzes grundsätzlich Rechts- oder Verfassungswidrig ist.
Das Land Bremen hat das sogenannte Bundesmodell übernommen und nutzt nicht die Länderöffnungsklausel. Das Bundesmodell greift den Gedanken einer wertabhängigen Bemessungsgrundlage - die neben dem Wert des Bodens auch den Wert des aufstehenden Gebäudes berücksichtigt - auf und soll damit zu realitätsgerechten Grundstückswerten führen.
Gegen diese Sichtweise mehren sich verfassungsrechtliche Bedenken, die sich insbesondere gegen die mit dem Bundesmodell verbundene umfassende Typisierung der Bewertungsverfahren, der damit einhergehende Verletzung des Übermaßverbots und die Verletzung des Bestimmtheitsgebots richten.
Ob die Geltendmachung von verfassungsrechtlichen Bedenken in Einsprüchen zu deren Offenhaltung führt, ist nicht absehbar. Die Finanzverwaltungen regen die Rücknahme des Einspruchs innerhalb einer gesetzten Frist an oder weisen Einsprüche mit verfassungsrechtlichen Begründungen regelmäßig unter Berufung auf ihre Bindung an gesetzliche Regelungen zurück, zumindest so lange keine Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsverfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundesfinanzhof anhängig sind und der Einspruch hierauf gestützt wurde (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
Auf Grundlage von § 363 Abs. 2 Satz 1 AO könnte die Finanzbehörde das Verfahren aber auch mit Zustimmung des Einspruchsführers – die regelmäßig vermutet werden wird - ruhen lassen, wenn dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Eine solche Situation wäre denkbar, wenn die Finanzbehörde mit einer Vielzahl von Einsprüchen überzogen würde. Auch die Aussetzung der Vollziehung wird nicht in Betracht kommen, da keine ernsthaften an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte bestehen.
Es ist derzeit nicht absehbar, ob das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit des neuen Bewertungsregelungen feststellen würde oder unter Fortgeltung der Normen dem Gesetzgeber lediglich eine Frist zur Herstellung der Verfassungsmäßigkeit – einer dann künftig geltenden Rechtsage – setzen würde. 

Die Bindungswirkung

Wichtig ist das Vorgehen gegen fehlerhafte Bescheide vor dem Hintergrund der Regelungen in § 182 Abs. 1 Satz 1 und § 184 Abs. 1 der Abgabenordung (AO). Der Grundsteuerwertbescheid entfaltet gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, auch wenn er noch nicht unanfechtbar oder nicht rechtmäßig ist, als Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO) eine Bindungswirkung für den nachfolgenden Grundsteuermessbescheid. Der Grundsteuermessbescheid ist dann einerseits Folgebescheid für den Grundsteuerwertbescheid und andererseits gleichzeitig auch der Grundlagenbescheid für den späteren Grundsteuerbescheid, womit sich fehlerhafte Berechnungen direkt auf die Festsetzungshöhe des Grundsteuerbescheids auswirken.
Damit wird deutlich, dass materiell-rechtliche Fehler in den Bescheiden auf jeden Fall zur Abwehr fehlerhafter Grundsteuerbescheide durch Einspruch geltend gemacht werden sollten.

Gibt es bereits Musterverfahren zur Grundsteuer?

Mittlerweile sind am Finanzgericht Berlin – Brandenburg bereits Klageverfahren zum Bundesmodell anhängig, die auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Bewertung der Grundstücke im Bundesmodell aufgreifen. Es ist daher zu erwägen, mit einem Einspruch unter Bezugnahme auf die beim Finanzgericht Berlin – Brandenburg unter Az.: 3 K 3170/22 sowie 3 K 3018/23 anhängigen Klageverfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Bewertung im Rahmen der Feststellung des Grundsteuerwertes zum 01.01.2022 Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO aus Zweckmäßigkeitsgründen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die mögliche Verfassungswidrigkeit der Bewertungsregelungen zum Feststellungszeitpunkt 01.01.2022 zu beantragen.
Ferner planen die Verbände Haus & Grund Deutschand und der Bund der Steuerzahler Deutschland auf Grundlage eines Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Kirchhof von der Universität Augsburg im Wege von Musterklagen eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Bundesmodells anzustrengen.
Hinweis
Der Text bietet einen ersten allgemeinen Überblick zu wichtigen Fragen rund um die Thematik der Grundsteuer. Er stellt keine vollständige Abhandlung der umfassenden Problematik dar und erhebt nicht den Anspruch, steuerrechtliche Fragestellungen zu diskutieren oder Lösungsvorschläge zu bieten oder Verhaltensweisen der Steuerpflichtigen zu implizieren. Die materiell-, verfassungsrechtlichen sowie prozesstaktischen Fragestellungen sind zu komplex und Einzelfallbezogen. Es wird daher dringend geraten, frühzeitig eine steuerrechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die eigene Rechtsposition nicht zu gefährden.