Sozialtransferpreis 2025 - IHK Braunschweig zeichnet besonderes Engagement aus
Wirtschaftliche Unsicherheit, politischer Wandel und soziale Disparitäten – der Sozialtransferpreis der IHK Braunschweig machte abermals deutlich, warum gemeinnütziges Engagement und Teilhabe wichtiger denn je sind. Aus den zahlreichen Bewerbungen schafften es drei Projekte ins Finale, die unmissverständlich aufzeigen, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt auch in einer von großen Umbrüchen bestimmten Zeit gelebt und vor allem zelebriert wird. Den mit 10 000 Euro dotierten Hauptpreis konnte sich das Team von „Boxen gegen Parkinson“ sichern – eine Kooperation zwischen THE BOX GYM und der Selbsthilfegruppe PaJuBS e. V. Die rund 150 geladenen Gäste erlebten einen von Emotionen und inspirierenden Anekdoten geprägten Vormittag.
Die Preisträgerinnen und Preisträger des diesjährigen Sozialtransferpreises.
Kino 5 im Braunschweiger ASTOR Filmtheater. Der Raum füllt sich, viele der in den Saal verlagerten Gespräche klingen langsam aus. Man merkt: die Spannung steigt. Drei mustergültige Initiativen hatten sich für das Finale der 14. Ausgabe des Sozialtransferpreises angekündigt. IHK-Hauptgeschäftsführer und Moderator Dr. Florian Löbermann zeigte sich angesichts der emotional aufgeladenen Beiträge gerührt: „Ich bin sehr froh, dass wir als Kammer derart großartige soziale Projekte unserer Region auszeichnen und die Gesichter hinter den Geschichten kennenlernen dürfen. Möglich ist das aber nur, weil eine Person diesen Preis vor über 15 Jahren ins Leben gerufen hat.“
Die Rede ist von Harald Tenzer, der der Symbiose aus wirtschaftlichem Handeln und sozialer Teilhabe in Form einer Preisverleihung eine besondere Plattform schenkte. Deren Entstehungsgeschichte wurde in einem Kurzfilm beleuchtet, der den ehemaligen Eintracht-Präsidenten und seine Vision in den Fokus rückt. Ursprünglich als Antwort auf die durch die Finanzkrise von 2008 ausgelösten sozialen Härten konzipiert, bietet der Preis seither innovativen Ideen eine Bühne. „Damals wie heute sind es Menschen, die durch ihren Einsatz Großes leisten“, verlautbart der ehemalige IHK-Vizepräsident im kurzen Einspieler stolz. In Anbetracht seines außergewöhnlichen Lebenswerkes hielten die Anwesenden für den erst kürzlich verstorbenen Unternehmer eine Schweigeminute ab.
Das Projekt „Boxen gegen Parkinson“ konnte sich den mit 10 000 Euro dotierten Hauptpreis sichern.
Ehrbare Kaufleute stehen für Demokratie
Auch IHK-Präsident Tobias Hoffmann ließ sich in seiner Eröffnungsrede die Gelegenheit nicht nehmen, den unabdingbaren Wert gemeinnützigen Handelns hervorzuheben: „Unternehmerische Aktivität und soziales Engagement müssen kein Widerspruch sein – im Gegenteil: nachhaltiger, wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung stärken sich gegenseitig. Und alle können davon profitieren. Auch in diesem Jahr haben wir wieder tolle Beispiele gesehen.“ Insbesondere mit Blick auf die noch immer andauernden Kapriolen der Wirtschaft und den damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmerinnen und Unternehmer sei das Aktivwerden für soziale Belange keine Selbstverständlichkeit: „Sie sind allesamt Vorbilder, und sie korrigieren nach meiner Überzeugung ein Bild, das in den populären Medien leider viel zu häufig und viel zu negativ dargestellt und in Form von Stereotypen unreflektiert und eindimensional wiederholt wird“, verteidigte Hoffmann den von zahlreichen Krisen und Dürreperioden geplagten Berufsstand. Der Sozialtransferpreis kreiere eigentlich ein gegenteiliges Image, nämlich das der ehrbaren Kaufleute, die für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit stünden.
Für Festredner Rifat Fersahoglu-Weber ist der Brückenschlag zwischen Innovation und Menschlichkeit unerlässlich.
„Das Wir ist immer stärker als das Ich“
Neben Hoffmann wurde auch Festredner Rifat Fersahoglu-Weber, Vorstandsvorsitzender des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig e. V., deutlich, indem er die Notwendigkeit eines Brückenschlags zwischen Innovation und Menschlichkeit diagnostizierte: „Mit dem IHK-Sozialtransferpreis wird ein wichtiges Zeichen in der Region gesetzt. Denn es braucht nicht nur Ideen, sondern auch einen Ort und eine Kultur, wo diese Ideen Raum haben und wachsen können. Der Sozialtransfer aus den Betrieben in soziale Einrichtungen kann dafür ein entscheidender Motor sein. Dabei ist eine Wirtschaft ohne stabile soziale Infrastruktur genauso wenig erfolgreich wie ein soziales Netz ohne die Innovationen aus den Unternehmen.“
IHK-Präsident Tobias Hoffmann betonte, dass unternehmerisches Handeln und soziales Engagement keine Gegensätze sein müssen.
Mit dem IHK-Sozialtransferpreis wird ein wichtiges Zeichen in der Region gesetzt. Denn es braucht nicht nur Ideen, sondern auch einen Ort und eine Kultur, wo diese Ideen Raum haben und wachsen können.Rifat Fersahoglu-Weber
Die Ausgangslage sei jedoch alles andere als ideal: Wachsende soziale Ungleichheiten und politische Härten setzten die Zivilgesellschaft unter Druck. Auch der demografische Wandel, der Fachkräftemangel sowie andere globale Problemfelder täten ihr Übriges. Die Demokratie, so Fersahoglu-Weber, sei weltweit auf dem Rückzug. Ein mitgebrachtes und plakativ hochgehaltenes Buch wollte er den Gästen in diesem Zuge nicht vorenthalten: das Grundgesetz. Der Sozialtransferpreis stehe aus seiner Sicht als Symbol für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die durch globale und nationale Kräfte zunehmend infrage gestellt würde. Und doch gerade deshalb gebe es Unternehmen und Organisationen, die Perspektiven für alle schaffen wollen, eben von Menschen für Menschen. „Das Wir ist immer stärker als das Ich“, rezitierte er das Credo der AWO-Gründerin Marie Juhacz.
Im Miteinander liegt das Glück
Die diesjährigen Beiträge spiegeln dieses Motto eindrucksvoll wider. Mit den Projekten „walk4help 2025“, „Boxen gegen Parkinson“ und „Wunschbaumaktion“ wird gesellschaftlicher Zusammenhalt auf herausragende Art und Weise demonstriert. Anhand mehrminütiger Pitches durften sich die drei Finalisten mitsamt ihren Ideen präsentieren, um das abstimmende Publikum vor Ort im Rahmen eines Live-Votings zu überzeugen. Einige Wochen zuvor hatte eine fachkundige Jury, bestehend aus Uta Hirschler, Markus Beese, Anja Junicke, Nicole Kumpis, Sabine Sternberg, Heinz-Egon Achterkerke und Bernd Gersdorff, die Qual der Wahl, sich für eine engere Auswahl am Finaltag zu entscheiden.
„walk4help 2025“ ist eine Kooperation der BRAWO Sportainment GmbH und der Volksbank BRAWO Stiftung. Ziel des Projektes ist es, durch gemeinsames Gehen, Walken oder Laufen Spenden für Kinder- und Jugendprojekte zu sammeln und gleichzeitig ein Zeichen für Kindergesundheit, Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu setzen. Nach 2019 entwickelte sich auch die zweite Auflage des Events mit einer „erlaufenen“ Summe von knapp zwei Millionen Euro zum Erfolg. „2025 konnten wir die Spendenhöhe für Kinderhilfsprojekte in der Region beinahe verdoppeln“, so Thomas Fast, Vorstandsvorsitzender der Volksbank BRAWO Stiftung.
„walk4help 2025“ ist eine Kooperation der BRAWO Sportainment GmbH als auch der Volksbank BRAWO Stiftung und setzt ein Zeichen für Kindergesundheit, Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ein weiteres außergewöhnliches Projekt ist die „Wunschbaumaktion“ der ALSTOM Transport Deutschland GmbH sowie des Vereins WegGefährten – Elternhilfe zur Unterstützung tumorkranker Kinder Braunschweig e. V. Dabei gestalten betroffene Kinder Wunschkarten, die an festlich dekorierte Weihnachtsbäume in Kliniken aufgehängt werden. ALSTOM-Mitarbeitende wählen die Wünsche aus, besorgen die Geschenke und geben sie verpackt ab. Auf einer gemeinsamen Feier werden die Präsente dann an die freudestrahlenden Kinder übergeben. Die Initialzündung zur Projektgründung entstand bereits vor zwölf Jahren auf informellem Weg unter Kolleginnen und Kollegen des Schienenfahrzeugherstellers. „Die Auszeichnung beweist, dass unser Engagement für Kinder über die Grenzen des Unternehmens hinweg wahrgenommen und gewürdigt wird“, betonte Christian Sander, Vertreter der Salzgitteraner ALSTOM-Delegation. Für den WegGefährten-Vorstandsvorsitzenden Dr. Thomas Lampe markiert insbesondere der Moment der Geschenkübergabe ein fast schon tränenwürdiges Highlight: „Für uns Ehrenamtliche erzeugen die leuchtenden Kinderaugen ein kaum in Worte zu fassendes Glücksgefühl.“
Boxtraining gegen Parkinson
Zum Sieger votierten die Anwesenden schließlich das Projekt „Boxen gegen Parkinson“, das Menschen mit der neurologischen Krankheit die Möglichkeit bietet, ein speziell entwickeltes Boxtraining zu absolvieren, das auf ihre körperlichen Bedürfnisse abgestimmt ist und vom Profiboxer und THE BOX GYM-Inhaber Patrick Rokohl geleitet wird. Die Trainings, so das Ziel, sollen die mentale Stärke fördern und die Lebensqualität nachhaltig verbessern. PaJuBS-Initiator Matthias Lau ist selbst an Parkinson erkrankt. Gemeinsam mit Olaf Pahlke hebte er 2016 die Selbsthilfegruppe aus der Taufe, um Erkrankte und deren Angehörige zu unterstützen. Der Weg zu Lau’s heutigem Projekt war jedoch alles andere als einfach: In der Zeitung hatte er gelesen, dass TV-Moderator Frank Elstner – ebenfalls an Parkinson erkrankt – mit Boxtraining gute Fortschritte erzielte. Also machte sich Lau in Braunschweig und der Umgebung auf die Suche nach ähnlichen Angeboten. Doch überall erhielt er Absagen – bis er schließlich auf Patrick Rokohl und dessen Standort in Wendeburg aufmerksam wurde. Rokohl erinnert sich noch genau an den Moment vor viereinhalb Jahren: Er hatte sein Studio gerade erst eröffnet und sagte, ohne mit der Wimper zu zucken: „Das machen wir.“ Seitdem hat er sich weiterqualifiziert und bietet mittlerweile selbst Fortbildungen an, damit das hiesige Modell Nachahmer findet und weiteren Betroffenen zugutekommt. „Manchmal, wenn ich aufgeregt bin, so wie heute, dann bricht meine Stimme, und sie wird rau. Außerdem friert meine Mimik ein, so dass Sie leider nicht erkennen können, wie sehr ich mich gerade freue“, sagte der regelrecht übermannte Vereinsvorsitzende zum Gewinn des Hauptpreises.
Das Projekt „Wunschbaumaktion“ ist eine Kooperation zwischen ALSTOM und dem Verein WegGefährten – Elternhilfe zur Unterstützung tumorkranker Kinder Braunschweig.
Alle Finalisten sind Sieger
Auch wenn am Ende lediglich ein Hauptpreis vergeben wurde, waren sich alle einig, dass jeder Finalist ein Gewinner ist. Dr. Florian Löbermann fasste den gelungenen Vormittag treffend zusammen: „Der Sozialtransferpreis steht für Verantwortung und die unermessliche Kraft gemeinschaftlichen Handelns. Heute haben wir erlebt, wie große Dinge entstehen, wenn Wirtschaft und Gesellschaft eng interagieren.“
Trauer um Harald Tenzer
Die IHK Braunschweig trauert um Harald Tenzer. Der einstige IHK-Vizepräsident verstarb Ende Oktober im Alter von 81 Jahren. Tenzer war der Kammer jahrzehntelang durch verschiedene Tätigkeiten eng verbunden. Ab 1970 war er als Mitglied im Prüfungsausschuss aktiv. Kurz darauf folgte im Jahr 1974 seine Wahl – als damals jüngstes Mitglied – in die Vollversammlung sowie 1982 in deren Präsidium. In seiner Zeit als 1. Vizepräsident der IHK zwischen 1984 bis 1990 sowie als Vorsitzender des Bauausschusses hatte er maßgeblichen Anteil an der Modernisierung des Kammergebäudes am Altstadtmarkt. Nicht zu vergessen ist auch sein Mitwirken im Berufsbildungsausschuss. Mit großem persönlichem Einsatz hatte Tenzer stets die Vertretung des Gesamtinteresses der Wirtschaft des IHK-Bezirks mitgestaltet. So zählte er 1978 zu den Gründungsmitgliedern der Wirtschaftsjunioren Braunschweig, war 1980 WJ-Sprecher und hatte die Juniorinnen und Junioren auch über seine aktive Zeit hinaus nachdrücklich gefördert. Als weiterer Beleg seines herausragenden Engagements gilt insbesondere der IHK-Sozialtransferpreis, den Tenzer 2010 initiierte und bis 2023 maßgeblich als Mitorganisator und vorsitzendes Jurymitglied begleitete.
Kammerübergreifend hatte Harald Tenzer sein ehrenamtliches Wirken der Verbandsarbeit gewidmet. So war er beispielsweise Vorstandsvorsitzender des Großhandels- und Dienstleistungsverbandes Braunschweig e. V. sowie Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands Niedersachsen e. V., ehrenamtlicher Richter beim Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover sowie beim Arbeitsgericht Braunschweig und darüber hinaus Handelsrichter. Unvergessen bleibt sein überragendes Wirken für Eintracht Braunschweig, dessen Präsidentschaft er zwischen 1987 bis 1995 innehatte. Einzigartig ist auch die Bereicherung des sportlichen und kulturellen Lebens der Löwenstadt durch das seit 2007 erfolgreich mit seiner Brunswiek Marketing GmbH umgesetzte und heute in Braunschweig als „BRAWO OPEN“ bekannte ATP-Challenger-Tennisturnier. 2015 erhielt Harald Tenzer das Bundesverdienstkreuz für sein außerordentliches Wirken in Sport, Politik und Wirtschaft.
Kammerübergreifend hatte Harald Tenzer sein ehrenamtliches Wirken der Verbandsarbeit gewidmet. So war er beispielsweise Vorstandsvorsitzender des Großhandels- und Dienstleistungsverbandes Braunschweig e. V. sowie Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands Niedersachsen e. V., ehrenamtlicher Richter beim Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover sowie beim Arbeitsgericht Braunschweig und darüber hinaus Handelsrichter. Unvergessen bleibt sein überragendes Wirken für Eintracht Braunschweig, dessen Präsidentschaft er zwischen 1987 bis 1995 innehatte. Einzigartig ist auch die Bereicherung des sportlichen und kulturellen Lebens der Löwenstadt durch das seit 2007 erfolgreich mit seiner Brunswiek Marketing GmbH umgesetzte und heute in Braunschweig als „BRAWO OPEN“ bekannte ATP-Challenger-Tennisturnier. 2015 erhielt Harald Tenzer das Bundesverdienstkreuz für sein außerordentliches Wirken in Sport, Politik und Wirtschaft.
9/2025
