125 Jahre Ardagh - Deckelwerk mit extremer Massenproduktion

Der Getränkedeckel als Marketinginstrument – Was vor 125 Jahren mit Johannes Andreas Schmalbauch, postum umbenannt in Schmalbach, und der Produktion von Konservendosen für Spargel und Gemüse begann, ist inzwischen ein hochmodernes Werk, das Aluminiumdeckel für Getränkedosen produziert und zur Ardagh Gruppe gehört.
Auch heute steht das Werk noch an seinem Standort in der Karl-Schmidt-Straße in Braunschweig, wo 1965 die neue Hauptverwaltung entstand, da die Räume am Gaußberg zu klein geworden waren. Über die Jahre wurden die Produktionsflächen kontinuierlich ausgebaut. „Mit dem alten Verwaltungsgebäude steht hier aber immer noch die Keimzelle von Schmalbach“, stellt Thomas Lappe, Geschäftsführer und Werkleiter von Ardagh Metal Packing, fest, als er uns gemeinsam mit Peter Pospiech, Leiter des Schmalbach-Museums, begrüßt.

Der Weg: Schmalbach, Schmalbach-Lubeca,
Ball Packing, Ardagh

1967 fusionierte die Schmalbach AG mit der Lubeca-Werke GmbH in Lübeck zur Schmalbach-Lubeca-Werke AG, dem damals größten Verpackungskonzern Europas. Die Schmalbach-Lubeca AG konzentrierte sich auf die Kerngeschäftsfelder Getränkedosen, White Cap-Verschlüsse und PET-Verpackungen. Im Jahr 2002 veräußerte die Schmalbach-Lubeca AG ihre Geschäftsbereiche PET-Verpackungen und White Cap-Verschlüsse an die australische Amcor Ltd. und wurde mit dem verbliebenen Geschäftsbereich Getränkedosen von der US-amerikanischen Ball Corporation übernommen, die damit zum weltweit größten Getränkedosenhersteller aufstieg, heute Ball Packaging Europe. Seit 2016 gehört das Unternehmen zur Ardagh Gruppe, einem Weltmarktführer für Glas- und Metallverpackungen. Die Ardagh Gruppe produziert Verpackungen für viele der weltweit führenden Marken der Lebensmittel-, Getränke- und Verbraucherindustrie, betreibt 56 Produktionsstätten in zwölf Ländern und beschäftigt über 16 000 Mitarbeiter. Mit der Übernahme durch die Ardagh Gruppe wurden viele Werke, die schon früher beim ­Ardagh-Konzern gelandet waren, wieder zu Schwesterwerken. So z. B. das Werk in Seesen oder die Dosenfabrik in Cuxhaven, die beide ursprünglich zum Schmalbach-Konzern gehörten.

Entscheidend war für die Inhaber immer die Kompetenz des Werkes

Innerhalb des Konzerns ist Braunschweig ein wichtiges und somit sensibles Werk. Ein Ausfall des Werkes hätte zur Folge, dass rein rechnerisch drei Dosenwerke nicht versorgt werden könnten. Demnach ist der Standort Braunschweig immer stark im Fokus. Für Thomas Lappe, der seine Tätigkeit vor elf Jahren in Braunschweig bei Ball Packing Europe begann, haben die Wechsel der Inhaber keinen Unterschied gemacht, da die Produktion und die Produkte inhaltlich immer gleichgeblieben sind. Lediglich das Reporting erfolgte an andere Zuständigkeiten. Entscheidend für die Inhaber waren immer die Kompetenz und die Erfahrung des Werkes in Braunschweig. „Abgesehen von anderen Pullovern und anderen Visitenkarten arbeiten dieselben Leute, ein identisches Produktionssystem und die gleichen Maschinen. Für uns sehr angenehm“, konstatiert Lappe die Situation nach der Übernahme durch die Ardagh Gruppe. Besonders stolz ist man auf die hohen Investitionen in Form von zwei Großmodulen für die Produktion, die Ardagh am Standort Braunschweig in den letzten zwei Jahren getätigt und so den Standort nochmals gestärkt hat.
Wir leben davon, dass unsere Mitarbeiter auf einem extrem hohen Ausbildungsniveau sind.

Thomas Lappe


Neben dem Werk des Wettbewerbers Canpack in Saarlouis ist Braunschweig das einzige Deckelwerk in Deutschland. Außerdem ist es im Ardagh-Konzern nebst dem Standort in Deeside nahe Manchester eines der beiden Deckelwerke in Europa. In beiden Werken werden ausschließlich Deckel für Getränkedosen produziert. Die Deckelwerke beliefern zwölf Dosenwerke der Ardagh Gruppe, von denen drei in Deutschland sind. Außerdem werden auch Spanien, die Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Polen mit Deckeln versorgt. Neben dem europäischen Markt findet man Deckel aus Braunschweig auch weltweit bei bestimmten Sonderabfüllungen. Die Ausprägung als Deckelwerk macht auch aufgrund der Lage – das Werk befindet sich mitten in der Stadt – Sinn. Aus Braunschweig werden täglich acht bis zehn Lkws mit Deckeln ausgeliefert. Die für Dosen benötigten Lieferkapazitäten sind 75-mal so hoch, was bedeuten würde, dass 600 bis 800 Lkws täglich das Werk verlassen müssten. Das wäre logistisch nicht zu realisieren.

Die Materialeigenschaften der Deckel werden kontinuierlich weiterentwickelt

In der Produktentwicklung geht es immer mehr Richtung „leicht“, da sich so auch der CO2-Abdruck einer Dose verringert. Im mittleren Bereich ist die Materialstärke dünner als ein Menschenhaar. „Leicht“ gilt auch für den Deckel, wobei dieser nur so dünn sein kann, dass er dennoch dicht ist und sich gleichzeitig öffnen lässt. Grundsätzlich wird Aluminium verwendet, da es die Bearbeitung – die Umformung vom Blech zum Deckel passiert in mehreren Schritten – möglich macht. Ein weiterer Vorteil ist durch die Möglichkeit der Änderung der Materialeigenschaften gegeben. Ziel ist es, die Eigenschaften so zu verändern, dass das Material dünner werden kann. Um eventuelle Reaktionen des Metalls mit der Flüssigkeit zu verhindern, sind die Deckel von beiden Seiten lackiert. Mit den Aufgabenstellungen der Materialentwicklung befasst sich ein eigenes Engineering-Team der Gruppe, das in Bonn sitzt. Natürlich werden auch die Anlagen weiterentwickelt, z. B. im Hinblick auf Geschwindigkeit oder Schmierstoffe. Für die Produktion werden die Bleche in unterschiedlichen Farben angeliefert und je nach Bedarf auf den Maschinen getauscht. Diese Wechsel, die allein wegen der hohen Geschwindigkeiten in der Produktion schwierig sind, zeichnen die Qualität des Werkes und der Mitarbeiter aus.

Ständige Optimierungen des Produktionsprozesses

Vor zehn Jahren hatte das Werk eine Kapazität von sieben Milliarden Deckeln, heute sind es 12,5 Milliarden. Das sind ca. 35 bis 40 Millionen Deckel pro Tag, die in Braunschweig hergestellt werden. „Eine absolute Massenproduktion“, so Lappe. Eine solche Steigerung – aber auch ein umkämpfter Markt – fordern ständige Verbesserungen und Optimierung im Produktionsprozess. Heute gibt es bei den Deckeln und Dosen eine große Vielfalt, was Material und Ausführung angeht. Vom einfachen, preisgünstigen Produkt bis hin zur hochwertigen, individuell bedruckten Dose mit entsprechend hochwertigem Deckel, der zusammen mit der Dose oft schon als Designobjekt fungiert. Das macht das Produkt aber auch immer komplizierter, was dazu führt, dass in der Produktion immer mehr hochgradige Spezialisten benötigt werden, um die ganzen Wechsel in den Produktionsstraßen bewältigen zu können. Auch diese Diversifizierung und Spezialisierung zeichnen das Werk Braunschweig aus.
Rund 250 Mitarbeitende, die in einem Vier-Schicht-System 24/7 an 361 Tagen im Jahr arbeiten, bewältigen dieses Pensum in Braunschweig. Die Wochenarbeitszeit beträgt 35 Stunden. Zukünftig, beginnend ab dem 1. Januar 2024, wird Ardagh Metal Packaging auf ein Fünf-Schichtsystem umstellen, um der sich in der Gesellschaft verändernden Work-Life-Balance gerecht zu werden. Aus 35 Stunden werden so 31,5 Stunden Wochenarbeitszeit. Gleichzeitig ist das für die Mitarbeitenden ergonomisch und arbeitsmedizinisch deutlich besser. „Wir erhoffen uns, mit diesem modernen Schichtsystem noch attraktiver am Arbeitsplatzmarkt zu werden.“
Wir erhoffen uns, mit diesem modernen Schichtsystem noch attraktiver am Arbeitsplatzmarkt zu werden.

Thomas Lappe


Einstiegsvoraussetzung für alle Mitarbeitenden in der Produktion ist ein gelernter metallverarbeitender Beruf wie Dreher, Fräser, Anlagenführer, Mechatroniker oder auch Elektriker. Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden, bekommen die Mitarbeitenden regelmäßig Fortbildungen. Für alle neuen Mitarbeitenden ist die Weiterbildung an den Maschinen, Learning on the Job, ein ganz wichtiges Element. Darüber hinaus bildet Ardagh auch aus. So erklärt sich auch die hohe Kompetenz des Werkes und der Mitarbeitenden. „Wir leben davon, dass unsere Mitarbeitenden auf einem extrem hohen Ausbildungsniveau sind und wir uns durch eine hohe Produktvielfalt auszeichnen“, konstatiert Thomas Lappe.
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8/2023