Warum Deutschland endlich Effizienz lernen muss
Wer ein Unternehmen führt, weiß: Wirtschaftliche Schwankungen, Finanzkrisen oder gesellschaftliche Umbrüche gehören zum Alltag. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen dann Prozesse verschlanken, Kosten senken, Personal anpassen und Investitionen überdenken. Es geht ums Überleben, um Zukunftsfähigkeit, um Verantwortung gegenüber Kunden und Mitarbeitenden.
Olaf Jaeschke, Geschäftsführer Galerie Jaeschke und Vizepräsident der IHK Braunschweig
Genau dieses Prinzip fehlt jedoch in der Politik. Während die deutsche Wirtschaft immer wieder beweist, dass sie anpassungsfähig ist, verharren Staat und Verwaltung in aufgeblähten Strukturen. Statt konsequent zu sparen, wird bei Haushaltslöchern reflexartig nach neuen Einnahmen gesucht – über höhere Steuern, Abgaben oder neue Schulden.
Das eigentliche Signal müsste aber sein: Auch der Staat muss in der Krise lernen, mit weniger auszukommen. Die Bundesrepublik beschäftigt Hunderttausende in Ministerien, Behörden und Verwaltungen. Hinzu kommen steigende Kosten für Bundestag und Bundesrat – stetig wachsende Bürokratieapparate. In Zeiten knapper Kassen wäre es nur folgerichtig, hier ein Zeichen zu setzen: weniger Ressorts, effizientere Strukturen, klare Prioritäten, Abbau von Personalkosten. Warum gelingt es Unternehmen, in Krisen mutig und entschlossen umzusteuern, während die Politik nicht einmal über die eigenen Gehälter oder Verwaltungsapparate sprechen will?
Ein besonders drastisches Beispiel sind die gesetzlichen Krankenkassen. Deutschland leistet sich aktuell 94 Kassen, die nahezu identische Dienstleistungen anbieten. Jede Kasse verfügt über eigene Vorstände, Bereichsleiter, Hauptabteilungsleiter, eigene Strukturen, eigene Verwaltung. Milliardenbeträge fließen dadurch in Doppelungen – Gelder, die Arbeitnehmende und Arbeitgebende über hohe Beiträge aufbringen müssen. Die Frage liegt offenkundig auf der Hand: Brauchen wir wirklich Dutzende Krankenkassen für dieselbe Aufgabe? Weniger Kassen, zentralere Strukturen und eine konsequente Kostenreduktion würden die Versicherten massiv entlasten.
Viele europäische Länder, allen voran Skandinavien, zeigen, wie moderne Verwaltung funktioniert. Dort reicht eine einzige Identifikationsnummer für Steuer, Sozialversicherung und viele weitere Lebensbereiche. Das bedeutet: weniger Bürokratie, mehr Transparenz, weniger Missbrauch. In Deutschland hingegen existiert ein kaum durchschaubares Geflecht aus Steuer-ID, Rentenversicherungsnummer, Krankenversicherungsnummer, Aktenzeichen und vielem mehr. Ein bürokratisches Monster, das nicht nur Geld kostet, sondern auch Tür und Tor für Ineffizienz und Sozialbetrug öffnet.
Wenn Betriebe in Krisenzeiten Kosten senken, Prozesse verschlanken und Strukturen hinterfragen, dann nicht aus Lust an der Reduktion – sondern aus Verantwortung. Genau diese Verantwortung muss auch die Politik übernehmen. Denn ein Staat, der selbst nicht bereit ist, an den eigenen Strukturen zu sparen, verliert an Glaubwürdigkeit.
Deutschland braucht jetzt den Mut, das zu tun, was Unternehmen längst beherrschen: sich den Realitäten stellen und Strukturen anpassen. Wir als Unternehmerinnen und Unternehmer müssen dies einfordern, lauter werden!
Krisen sind kein Ausnahmezustand mehr, sie sind Dauerzustand. Wer in diesem Umfeld bestehen will, muss sich bewegen. Die deutsche Wirtschaft tut es seit Jahrzehnten. Nun ist es höchste Zeit, dass auch der Staat lernt: Krise heißt nicht Stillstand, sondern Anpassung.
7/2025