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Handelsreise ins Mittelalter
Unsere Region ist für Expertise in vielen Bereichen bekannt – Computerspiele gehören bisher eher nicht dazu. Das Trio von Magni Games möchte das ändern und tüftelt eifrig an einer ambitionierten Politik- und Wirtschaftssimulation vor historischer Kulisse.
So oder so ähnlich soll die Landkarte von „Kreuzer, Krone & Kabale“ aussehen.
© Magni Games
An Arbeit mangelt es den Jungs von Magni Games ganz sicher nicht. „Wir sind oft die Ersten, die kommen, und die Letzten, die gehen“, berichtet Christian Brümmer, als ich ihn und seine beiden Mitstreiter in ihrem Büro am Rebenring besuche. Hier, im MO.IN, dem Start-up-Zentrum der Stadt Braunschweig, haben Brümmer, Erik Schultz und Steffen Ahlers seit mehr als einem halben Jahr eine Art zweites Zuhause bezogen. Als Teil der neunten MO.IN-Betreuungsrunde wurden die Gründer sechs Monate lang gefördert, bis ins Jahr 2023 hinein wollen sie nun noch in dem Büro bleiben, ehe sie in die Innenstadt umziehen. Mit ihrem Start-up Magni Games blicken die Software-Entwickler allerdings nicht nur nach vorn, sondern auch weit in die Vergangenheit: Ihr erstes Spiel mit dem Namen „Kreuzer, Krone & Kabale“ (K³) soll die Spieler weit zurück entführen, in die Zeiten von Gilden und Rittern, Fürsten und Räuberbanden.
Christian Brümmer (von links), Steffen Ahlers und Erik Schultz von Magni Games wollen Computerspieler ins Mittelalter entführen.
© Andreas Rudolph
Eine „mittelalterliche Wirtschafts-, Politik- und Handelssimulation“ soll K³ werden, erklären die Macher, angelehnt etwa an beliebte Titel und Serien wie „Die Fugger“, „Die Gilde“ oder „Der Patrizier“, drei mittlerweile mehr als 20 Jahre alte, aber bei Liebhabern von Handelsspielen unvergessene Leuchttürme des Genres. „Allerdings wollen wir daraus ein MMO machen“, beschreibt Brümmer den wohl markantesten Unterschied zu den populären Vorgängern von „Kreuzer, Krone & Kabale“. MMO steht für „Massive Multiplayer Online Game“ und bedeutet nichts anderes, als dass viele Menschen weltweit online in einer gemeinsamen virtuellen Spielumgebung auf einer gemeinsamen Landkarte miteinander – oder gegeneinander – interagieren können. Ein erster, noch nicht spielbarer Prototyp der Software, die auf dem PC ebenso wie auf Smartphone und Tablet laufen wird, soll bis Ende März 2023 in den Startlöchern stehen.
Inspirationstrip nach Goslar
„Für mich war früh ganz klar, dass ich Spiele entwickeln will. Deshalb habe ich überhaupt Informatik studiert“, erklärt Brümmer seine Begeisterung für das Projekt, wie auch Ahlers und Schultz ist er selbst ein begeisterter Computerspieler (und Brettspieler), der seine Erfahrungen als Zocker nun auch ins eigene Spiel einbringen möchte. Direkt nach seinem Master-Abschluss an der TU Braunschweig heuerte Brümmer bei einer Braunschweiger Software-Schmiede an, die mit einem Online-Fußball-Manager am Markt ist. Dort wurde der heute 36-Jährige Entwicklungsleiter und arbeitete auch bereits mit seinen jetzigen Mitgesellschaftern zusammen, mit denen er sich im Frühjahr 2022 ins Abenteuer Selbstständigkeit stürzte. „Das Gründungsstipendium war ein idealer Start für uns“, blickt er auf die ersten Monate als unabhängiges Entwicklerstudio zurück.
Erik Schultz ist für das Design und die Grafik des Spiels verantwortlich. Ideen und Anregungen für die mittelalterlichen Gebäude hat er sich unter anderem in Goslar geholt.
© Andreas Rudolph
Wer „Kreuzer, Krone & Kabale“ einmal Probespielen möchte, muss sich noch eine ganze Weile gedulden – so weit sind die Entwickler noch nicht. Wo die Reise hingehen soll, kann das Team von Magni Games aber schon recht gut skizzieren. In der Spielwelt, die (zumindest vorerst) 15 verschiedene Grundrohstoffe wie Holz, Eisenerz oder Salz bieten wird, spielen die Städte eine bedeutende Rolle. Durch einträgliche Handelsvereinbarungen, kluge Diplomatie und listige Intrigen soll der Spieler zunehmend an Macht und Einfluss gewinnen. „Es geht aber nicht darum, andere Spieler zu zerstören“, erklärt Schultz, der Grafiker im Team, was K³ von vielen anderen Titeln in dem Segment unterscheidet: Gewaltsame Auseinandersetzungen und Militär spielen eine deutlich untergeordnete Rolle, im Mittelpunkt stehen ganz klar Handel und Politik.
Auch wenn das Gameplay noch nicht fertig ist, gibt es schon einiges zu sehen. Wer Schultz, der zum Studium an der HBK aus Berlin nach Braunschweig kam, an seinem Arbeitsplatz über die Schulter blickt, kann schon über die malerisch illustrierte Landkarte scrollen, atmosphärische Zwischen- oder Hintergrundbilder bestaunen und historische Gebäude sehen, die in hübsch texturierter Fachwerk-Optik daherkommen – und Kennern der Region bekannt vorkommen könnten. „Wir haben eine Tour durch Goslar gemacht, um uns für die mittelalterlichen 3D-Häuser inspirieren zu lassen“, berichtet Brümmer von einem Fortbildungstrip in die alte Kaiserstadt, den die Gründer auch auf Video festgehalten haben (einfach bei YouTube Magni Games eingeben). Weitere Inspirationsreisen, etwa nach Wernigerode oder Quedlinburg, sind geplant.
„Free-to-play“ mit optionalen Bezahlinhalten
Von Anfang an verfolgte Magni Games die Idee, die späteren Spieler in die Entwicklung ihrer Simulation intensiv einzubeziehen. Diskussionen, Abstimmungen, Feedback – all das wünschen sich die Gründer von ihrer interessierten Community, bei YouTube, auf Social-Media-Kanälen und auf dem eigenen Discord-Kommunikationsserver. „Wenn wir in der Entwicklung über verschiedene Varianten nachdenken, dann stellen wir sie einfach in eine Umfrage“, erklärt Brümmer eine Möglichkeit, wie die Fans des Projekts an Artwork und Gameplay mitarbeiten können. Nutzerfreundlich ist übrigens auch der Preis, den die Entwickler für das Spiel vorgesehen haben: das soll nämlich umsonst sein. „Pay-to-win“-Elemente, also die Möglichkeit, sich mit echtem Geld starke Spielvorteile und damit Überlegenheit zu kaufen, soll es bei K³ nicht geben, versprechen die Entwickler. Aber womit wollen sie dann eigentlich Geld verdienen? „Wir wollen cosmetics verkaufen“, erklärt Brümmer: Besonders schöne Gebäudetexturen, ein individuelles Wappen oder andere Details, die das Spielerlebnis verbessern, aber keine Notwendigkeit sind, sollen gegen Bezahlung erhältlich sein. Während 90 Prozent der Spieler von derartigen Möglichkeiten praktisch nie Gebrauch machen, wie Erfahrungen bei anderen MMOs zeigen, seien 10 Prozent offen für die Bezahlangebote. „Nur etwa ein Prozent nutzt solche Angebote intensiv, aber das reicht oft schon“, erklärt Brümmer, wie sich derartige „Free-to-play“-Angebote in der Regel finanzieren.
Nicht nur auf dem PC, sondern auch auf dem Tablet und dem Smartphone soll die Mittelalter-Simulation spielbar sein.
© Andreas Rudolph
Bis eine weitgehend fertige Simulation als Betaversion vorliegt, die dann zunächst von Testspielern auf Herz und Nieren geprüft wird, dürfte es noch bis 2025 dauern, erwartet das Entwickler-Trio. Läuft alles nach Plan, müssen die drei bis dahin allerdings nicht am Hungertuch nagen. Mit der Braunschweiger mugs GmbH haben sie gerade ihren ersten Geschäftspartner gefunden. Im kommenden Jahr will das kleine Studio dann mit seinem K³-Prototypen bei einem renommierten Publisher vorstellig werden, der die Produktion des Spiels bis zur Fertigstellung finanzieren soll und später entsprechend an den Einnahmen beteiligt wird. Auf dem Weg dorthin hat Magni Games aber weiterhin viel Arbeit vor sich.
cm