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Das Beste aus beiden Welten
Mit seinem Start-up JetBike arbeitet der Braunschweiger Enno Hecker an einem elektrifizierten Dreirad, das die Sportlichkeit des Fahrrads mit dem Komfort und der Sicherheit des Autos verbinden soll. Nach Jahren des Tüftelns kommt sein Projekt in diesem Jahr in die entscheidende Phase.
Das futuristische Design des JetBike ist definitiv ein Hingucker. Bei gutem Wetter lässt sich das Fahrzeug auch offen fahren.
© JetBike
Zu Fahrzeugen hat Enno Hecker schon lange eine intensive Beziehung, das macht schon ein Blick auf seinen beruflichen Werdegang deutlich: In Hamburg hat er Fahrzeugbau studiert, in Ingolstadt bei Audi und in unserer Region für VW-Nutzfahrzeuge gearbeitet. Seit 2006 hat er dann als selbstständiger Ingenieur verschiedene Automotive-Projekte betreut. In den vergangenen fünf Jahren veränderte sich für den heute 53-Jährigen allerdings einiges – in dieser Zeit nämlich widmete er sich intensiv einem ganz besonderen Projekt: der Konstruktion des JetBike.
Bereits ab 2010 reifte die Idee eines neuartigen dreirädrigen Fahrzeugs in ihm heran. „Ich war in meinem Audi A6 allein auf dem Weg zur Arbeit“, erinnert er sich an den Ursprung der JetBike-Idee. „Ein 1,7 Tonnen schweres Auto, unterwegs mit einer Person von 75 Kilogramm“, skizziert er ein „Missverhältnis, das auch nicht gerade ökologisch und nachhaltig ist“. Hinzu komme, dass man sich dabei nicht mal körperlich bewege. Kurzum: Hecker fand und findet, dass die Zeit längst reif ist für eine neue Form der Fortbewegung. Als durchaus begeisterter Fahrradfahrer ist der gebürtige Nordfriese, zumindest auf kürzeren Strecken, zwar gerne auch zweirädrig unterwegs, doch „sobald das Wetter schlechter ist, sitzt man dann doch wieder im Auto“, beschreibt er sein eigenes Mobilitätsverhalten. „Und so entstand letztlich die Idee, das Beste aus den beiden Welten Fahrrad und Auto zu vereinen.“
Neigetechnik, die Spaß macht
Ab 2018 stürzte sich Hecker voll in diese Idee, nahm sich immer mal wieder berufliche Auszeiten, um sich ganz seinem Fahrzeug zu widmen. „Auch meine Frau hat damals gesagt: Entweder du versuchst, die Idee jetzt irgendwann in die Tat umzusetzen – oder nie mehr“, erinnert sich der Vater von zwei Jungs, dass er auch privat den nötigen Zuspruch erhielt. „Dann habe ich viel recherchiert, konstruiert, entwickelt“, erzählt er. Bei der Recherche fand er früh heraus, dass es ähnliche Ansätze bereits gab, etwa das Velomobil, ein mit Muskelkraft betriebenes, tief auf der Straße liegendes Fahrzeug mit geschlossener Verkleidung, die den Fahrer vor Wind und Wetter schützt. Auch der etablierte Fahrradhersteller Canyon beschäftigt sich seit einiger Zeit mit einem neuen Fahrzeugtypen, der auf dessen Homepage als „Auto und E-Bike in einem“ beschrieben wird.
Bereits seit 2010 denkt Enno Hecker, der aus Nordfriesland stammt und mit seiner Familie in Braunschweig lebt, über eine Fahrzeug-Alternative nach, die die Vorzüge von Auto und Fahrrad vereint.
© Andreas Rudolph
Trifft man sich mit Enno Hecker zum Gespräch, muss man, will man sein JetBike sehen, bisher noch mit Computergrafiken vorliebnehmen. „Wir arbeiten aktuell an einem seriennahen Prototyp“, sagt der Konstrukteur, und mit „wir“ meint er sich und seinen bislang einzigen (freien) Mitarbeiter, den angehenden Designer Daniel Protschky, der an der Hochschule Hof Design und Mobilität studiert. Eine Probefahrt ist also noch nicht möglich, aber erzählen kann Hecker über sein JetBike dafür umso mehr. Zwei Räder vorne und eines am Heck wird es haben, mit einer Neigetechnik, die rasante Kurven ermöglicht und „richtig viel Spaß macht“, wie der Braunschweiger Gründer von seinen Fahrten auf einem ersten Versuchsfahrzeug berichtet. Der kettenlose Tretantrieb wird unterstützt von einem E-Motor am Hinterrad, der in drei verschiedenen Leistungs- und Geschwindigkeitsvarianten daherkommen soll. Dabei ist der Motor bis 25 km/h mit einem E-Bike vergleichbar und der bis 45 km/h mit einem Motorroller. Die leistungsstärkste Variante des JetBike soll dagegen bis zu 100 km/h schnell und somit sogar für die Autobahn geeignet sein.
Platz für Fahrer, Kind und Wocheneinkauf
Das Design des JetBike kommt recht futuristisch daher, mit weniger als 150 kg Gewicht ist es deutlich leichter als ein Auto, mit einer Höhe von 1,29 Meter und einer Länge von 2,65 Meter auch merklich kleiner. Wartungsarm soll es außerdem sein und hinter dem Fahrer oder der Fahrerin Platz für ein Kind bis etwa sechs Jahre bieten – und zudem ausreichend Raum für den Wocheneinkauf. Wie bei einem Auto, und anders als bei Zweirädern, wird das Rückwärtsfahren möglich sein, auch gibt es eine Lüftung beziehungsweise ein Heizelement. An schönen Tagen soll es außerdem möglich sein, die Fahrgastkabine zu öffnen, um echtes Cabrio-Feeling zu genießen.
Die Tatsache, dass andere Unternehmen bereits an ähnlichen Ideen arbeiten, hat den Braunschweiger Gründer nicht entmutigt. Im Gegenteil, bestätigt es ihn doch noch mehr darin, dass es eine Zielgruppe für solcherart sportliche und zugleich sichere und umweltfreundliche Fahrzeuge gibt. Der Lehndorfer hat dabei vor allem Pendlerinnen und Pendler im Sinn, als ein solcher kam er ja damals auch auf die Idee. Rund 18 Millionen Menschen, bemüht Hecker die Statistik, würden allein in Deutschland regelmäßig mit dem Auto zur Arbeit fahren. Viele davon, so glaubt er, wären einer Alternative durchaus aufgeschlossen. „Das Ziel ist also, solche Fahrzeuge aus der Nische herauszuholen und die breite Masse zu erreichen“, sagt er.
Erster Prototyp soll bald bereitstehen
Seit dem 4. Oktober 2022 ist die JetBike GmbH im Handelsregister eingetragen, zu dieser Zeit war Hecker auch Teilnehmer am Start-up-Förderprogramm MO.IN der Stadt Braunschweig. Nach einigen Jahren des Tüftelns und der stillen Fortschritte möchte er noch in der ersten Hälfte des Jahres 2023 den ersten physischen Prototyp präsentieren. Den braucht er nicht nur zur weiteren Optimierung des Fahrzeugs, sondern auch, um damit die dann benötigten Investoren an Land zu ziehen. Denn klar ist auch: Allein wird der Gründer sein Ziel, jährlich bis zu 10 000 JetBikes zu produzieren, nicht erreichen können. Doch sein Glaube an das Projekt und den Erfolg ist groß. „Diese Fahrzeuggattung“, ist Hecker überzeugt, „hat das Potenzial, die Mobilität zu verändern.“
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