Die Roboter-Trainer

Im Braunschweiger Uni-Viertel arbeitet ein junges Start-up an einem innovativen Robotersystem. Der „HandEffector“ von Aeon Robotics wurde bereits vom Bundeswirtschaftsministerium ausgezeichnet – und macht die Programmierung der elektronischen Helfer spielend einfach.
Die Vorstellung, Roboter würden uns bei alltäglichen Arbeiten zur Hand gehen, fasziniert die Menschheit schon seit Jahrzehnten. Und tatsächlich hat sich in diesem Bereich ja auch bereits einiges getan, man denke nur an autonom agierende Staubsauger und Rasenmäher. Auch in der Industrie sind Roboter längst nicht mehr wegzudenken, für einfache, monotone Arbeitsprozesse sind sie geradezu prädestiniert. Besonders im Hinblick auf Bedienbarkeit und Programmierung gibt es in der Robotertechnologie allerdings noch viel Luft nach oben. Das glaubt zumindest das Team der Aeon Robotics GmbH aus Braunschweig.
Damit ein Roboter tut, was er tun soll, müsse derzeit noch ein recht hoher Aufwand betrieben werden, erklärt Lars Heim, einer der drei Gründer das Start-ups Aeon Robotics. „Für die heutigen Roboter benötigt man Expertenwissen und einen großen Zeitaufwand, um sie anzulernen, zum Beispiel, um ein Objekt zu greifen“, führt der 33-Jährige aus. Gerade bei einem größeren Produktportfolio könne dies schnell umständlich und teuer werden. Anders verhalte es sich mit dem „HandEffector“, wie die Braunschweiger ihre Innovation nennen: „Mit unserem System können Objekte sehr schnell und intuitiv angelernt werden, ohne dass ich einen Experten hinzuholen muss.“

Lernen durch Nachahmung
Wie das funktioniert, erklärt Sören Michalik, der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Sönke für die technische Entwicklung verantwortlich zeichnet. „Wir haben eine Roboterhand, einen Fünf-Finger-Greifer entwickelt, der nach der menschlichen Hand geformt ist. Beim Programmieren übernimmt man mittels eines Force-Feedback-Handschuhs die Kontrolle über den Roboter und kann ihm Bewegungen vorführen“, schildert der 36-Jährige. „Das Besondere ist, dass der Mensch die Greifkräfte, die der Roboter aufwendet, als Feedback über den Handschuh zurückbekommt. So kann man sensible Objekte greifen und die Bewegung in den Roboter eintrainieren. Dafür braucht man keine großen Programmierkenntnisse.“ Es muss keine Zeile Programmcode mehr geschrieben werden, der Roboter lernt durch Nachahmung. Dabei hilft ihm eine in den Greifer eingebaute KI-Einheit und eine integrierte Kamera.
Während ihres Studiums der Informations-Systemtechnik an der TU Braunschweig, dem die Promotion am Institut für Robotik und Prozessinformatik folgte, tüftelten die Michalik-Brüder bereits viel mit Servo-Antrieben und Sensoren, die in Robotern zum Einsatz kommen. Die Idee zu Aeon Robotics entstand. Über das Start-up-Netzwerk Founderio lernte das Duo im Frühjahr 2020 den Betriebswirtschaftler und Marketing-Fachmann Heim kennen. Von nun an nahm das Unternehmen Tempo auf: Förderanträge und die Bewerbungen für Acceleratoren und Wettbewerbe wurden vorbereitet, im Juli 2021 schließlich auch die GmbH gegründet.
Die ersten Früchte ihrer Arbeit konnten die drei Entrepreneure bereits ernten. Die Teilnahme an den Braunschweiger Gründungsprogrammen MO.IN und W.IN brachten das Start-up ebenso voran wie das Gründerstipendium Exist. Ein Highlight war zweifelsohne auch der mit 32 000 Euro dotierte Gründungspreis+ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, der dem Trio von Aeon Robotics im April 2022 verliehen wurde. Auch für den Innovationspreis Niedersachsen, der am 5. Juli vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium vergeben wird, ist das junge Unternehmen nominiert. Die Siegerprojekte dürfen sich neben 20 000 Euro über einen Imagefilm und Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit freuen.
Bis 2023 zur Marktreife
Förderungen und Preise sind wichtig. Von mindestens ebenso großer Bedeutung sind allerdings erste praktische Erfahrungen und Kooperationen. Auf der Suche nach Pilotkunden ist Aeon Robotics im Bereich der Foodboxen-Industrie fündig geworden. Hier wird der „HandEffector“ erstmals im Praxiseinsatz getestet: Er sortiert Lebensmittel in Pakete, die anschließend an die Kunden verschickt werden. Er erledigt also „Pick-and-Place“-Aufgaben („aufnehmen und absetzen“), die derzeit eigentlich noch von Menschen erledigt würden, weil eine Automatisierung noch zu teuer wäre, erläutert Heim. „Aber das sind Jobs im Mindestlohnbereich, die nicht sehr nachgefragt und bei denen auch die Fluktuation recht hoch ist.“ Smarte Robotertechnologie kann hier eine große Hilfe darstellen.
Noch in diesem Sommer soll der Greifarm, den die Gründer mittels eines industriellen 3D-Druck-Verfahrens produzieren lassen, um eine mobile Plattform erweitert werden, um „Routineaufgaben im Bereich der Reinigung und Wartung übernehmen zu können“, skizziert Heim ein weiteres Pilotprogramm in Kooperation mit etablierten Firmen im Bereich der Gebäudereinigung. „Außerdem denken wir an Tätigkeiten im Bereich Montage.“ Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Projekte erhält das Start-up übrigens von Mitarbeitenden im Robotik-Institut der TU Braunschweig.
Bereits im kommenden Jahr möchte das Gründertrio seine innovative und smarte Robotik-Lösung auf den Markt bringen. „Wir wollen das Paket mit Hard- und Betriebssoftware für unter 10000 Euro anbieten können“, betont Sören Michalik. Möglich sei dies auch deshalb, weil abgesehen von der Kamera keine externen Sensoren verbaut werden müssten. Der günstige Preis könnte am Ende – neben der kinderleichten Programmierung – auch ein wichtiger Faktor für den Erfolg des „HandEffector“ sein, glaubt Michalik. Denn der sei „für vergleichbare Produkte bisher so hoch, dass sie sich für die Anwendung wirtschaftlich nicht lohnen“.         

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