IHK Mittleres Ruhrgebiet

Streifzug durchs Wittener Wiesenviertel

Wie kleine Initiativen Großes ins Rollen bringen können, zeigt das Wiesenviertel in Witten. Vor zehn Jahren begann alles mit einer Gruppe Engagierter, die Lust auf Neues hatten. Heute sind alle im Viertel eingebunden, haben ein Ausgehviertel etabliert und schaffen für die kleinen Läden und ihre Kundschaft eine Wohlfühlatmosphäre mit Events und echter Nachbarschaftshilfe.
Von Christina Kiesewetter (Text) und Sascha Kreklau (Foto)

Knut’s und Schmit‘s Weinbar

Das neueste Familienmitglied im Wiesenviertel zieht sich etwas schicker an. Es ist kein Student mehr, steht mitten im Leben und gönnt sich gerne etwas Gutes. Dabei bleibt es aber immer bodenständig. Schmit‘s Weinbar ist erst im November 2022 im Wiesenviertel eingezogen. Die Inhaber Waldemar Riedel und Julius Schippmann sind dafür ein großes unternehmerisches Risiko eingegangen. „Wir hatten schon genaue Vorstellungen zur Einrichtung und zum Angebot hier“, sagt Waldemar. „Das hat natürlich gekostet.“
Aber es hat sich auch gelohnt! Die Einrichtung ist nordisch schlicht, mit viel Holz, Erdtönen und Naturmaterial. Mittelpunkt der Bar ist die große, in Witten handgeschreinerte Thekeninsel aus Eichenholz mit Barhockern. Über der Insel hängen die Weingläser wie Kristallleuchter von der Decke. Die Atmosphäre im Lokal ist warm, persönlich, entspannend. Seit Mai gibt es auch eine Terrasse im Hinterhof.
Waldemar hat mit dem Knut’s nebenan bereits eine Gastronomie aufgebaut, die sich über Witten hinaus einen Namen gemacht hat und kürzlich ihren zehnten Geburtstag feierte. Als Vereinslokal gegründet, wollte das Knut’s das Quartier weiterentwickeln. Nach und nach entwickelte sich das Erfolgskonzept aus Kneipe, Küche und Kultur, vor allem für Studierende. Es funktioniert bis heute, und die Gäste wachsen mit. Neben Studierenden kommen Familien und Stammgäste zum Plausch, Berufstätige zum Mittagstisch.
Und weil das so gut läuft, hielt Waldemar Riedel Ausschau nach einer neuen Herausforderung. „Wir wollten schon sehr lange einen Laden, der eine etwas gehobenere Speisekarte hat und vor allem guten Wein bietet“, sagt er. Mit seinem Freund und Kollegen Julius Schippmann, der eine Sommelier-Ausbildung absolviert hat, ist er das Risiko eingegangen. „Ich bin gerne hier und habe Spaß, das zu entwickeln“, sagt Waldemar. Mit Felix Beneken konnten die beiden sogar einen Küchenchef mit Erfahrung in der Sternegastronomie für das Schmit’s gewinnen. Blick in die Speisekarte: Ceviche King Fish mit Limette, Koriander, Gurke, roter Zwiebel und Süßkartoffeln.
Ich bin gerne hier und habe Spaß, das zu entwickeln.
„Wir haben etwa 50 Weine im Angebot, vor allem aus Deutschland und Frankreich“, erzählt Julius. Stundenlang könnte er über jeden einzelnen erzählen, aber ihm ist wichtig: Weintrinken soll im Schmit’s keine Wissenschaft sein. „Er soll schmecken!“ Julius bietet keine Massenware an, „jeder Wein ist handwerklich produziert von einem Weingut, zertifiziert und biodynamisch – also im Einklang mit der Natur.“ Die teuerste Flasche im Laden ist ein Volnay Spätburgunder für 135 Euro, das günstigste 0,15l-Glas kostet 5,50 Euro. Wer eine Flasche im Laden für Zuhause kaufen möchte, bekommt 50 % Rabatt auf den Kartenpreis.
Mit dem Start sind die beiden zufrieden, jetzt wird feinjustiert. Waldemars Vision: „Es darf gerne noch lauter, lebendiger und zielgruppenübergreifender werden.“

LQ Hair

Wenn Lulzim Qunaj „lauter und lebendiger“ hört, schrillen bei ihm allerdings gleich die Alarmglocken. Ihm gehört der Friseursalon gegenüber, seine Wohnung ist im gleichen Haus. Das Wiesenviertel hat sich zum Ausgehviertel Wittens gemausert, das ist gut für viele umliegende Geschäfte, aber nicht für die Nachtruhe des Friseurmeisters im Sommer. „Es gab jetzt aber schon Gespräche, wir finden sicher eine Lösung“, sagt Qunaj. Denn man muss auch ihn verstehen: „Meine Kundinnen wollen, dass ich morgens im Laden fresh aussehe!“ Und gut unterhalten will man sich schließlich auch. Das fällt ihm schwerer, wenn er nicht ausgeschlafen ist.
Eigentlich passe ich gar nicht ins Wiesenviertel. Die Frauen hier legen viel Wert auf gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit, aber viele von ihnen haben seit Monaten keinen Conditioner mehr benutzt!
Lulzim Qunaj hat sich in der Branche einen Namen gemacht. Sein Salon gehört zu den Top 50 in Deutschland, gekürt vom Fachmagazin „Top Hair“. Auf seinem Instagram-Kanal tummeln sich auf Selfies Fußballer wie Thomas Müller, Arturo Vidal und Rafinha. Auch Cathy Hummels war schon da. Qunaj hatte Salons am Tegernsee und in Düsseldorf, hat auf der Berlin Fashion Week für Guido Maria Kretschmer frisiert.
Witten ist dennoch sein Hafen geblieben. „Ich bin mit 14 aus dem Kosovo nach Witten gekommen. Dann habe ich die Friseurlehre gemacht. Im Laden hat mich irgendwann eine ältere Dame beobachtet, die mich tüchtig fand und dann gerne wollte, dass ich einmal ihren Laden in der Wiesenstraße übernehme“, erzählt Lulzim. So ist es gekommen.
Weil sein Angebot durchaus hochpreisig ist, lebt er nicht von der Laufkundschaft, sondern vor allem von Damen, die auch von weit her kommen „und die einfach wunderschön aussehen wollen“. Halb augenzwinkernd bemerkt der Friseurmeister: „Eigentlich passe ich gar nicht ins Wiesenviertel. Die Frauen hier legen viel Wert auf gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit, aber viele von ihnen haben seit Monaten keinen Conditioner mehr benutzt!“

Bildergalerie aus dem Wiesenviertel

Das ist das Schöne an Gesprächen mit Lulzim Qunaj. Er steht dazu, dass seine Welt die Beauty-Welt ist und betrachtet sein Umfeld selbstbewusst mit dieser Brille. Das ist sicher ein Grund dafür, dass er sich in der Friseurbranche nach oben gearbeitet hat. „Was ich nicht verstehe: Alle Menschen wollen toll aussehen, aber in Gesprächen habe ich noch immer das Gefühl: Wenn ich sage, ich bin Friseur, hält man mich für doof. Die Wertschätzung in der Gesellschaft fehlt mir manchmal.“
Das Geschäft ist schwieriger geworden seit Corona. LQ Hair hat Mitarbeiter reduziert und derzeit nur einen Azubi. Trotzdem lebt Lulzim Qunaj für seinen Salon. „Ich möchte Menschen weiterhin inspirieren, beraten, zum Strahlen bringen.“ Er findet auch: „Wir waren noch nie so gut wie heute.“ Seit Corona bieten Firmen immer wieder kurze Videokonferenzen zu neuen Produkten und Haartechniken an, er kann sich zwischendurch kostenlos weiterbilden. Und so passt er als Mann mit Vision und Lust aufs Anpacken doch irgendwie gut ins Wiesenviertel. Schließlich sagt er auch selbst: „Ich habe Witten mit meinem Salon schon auch nach vorne gebracht.“

Der Hutsalon

Eine Institution in der Wittener Innenstadt ist „Der Hutsalon“. Seit 1970 finden Kund:innen an der Hammerstraße die passende Kopfbedeckung. Bärbel Wolfes-Maduka ist hier 1988 in die Lehre gegangen und hat den Hutsalon 1996 als Modistenmeisterin übernommen. „Damals wollten alle diese flachen „Lady Di“-Hüte tragen, aber die standen eigentlich niemandem außer Lady Di“, erinnert sie sich schmunzelnd. Auch noch ein Bild aus dem Herbst von damals: „Die Damen kamen mit einer großen Tasche vom Kaufhaus an der Bahnhofstraße zu uns herüber. Da wussten wir schon, darin ist ein neuer Mantel, und die Dame braucht dazu den passenden Hut.“
In den 80ern und 90ern sei die Hutmode extremer geworden, heute ist sie wieder vielfältig, und es kommen mehr Männer als früher. Zylinder, Baskenmütze, Melone, Elbsegler für die Herren, Fascinator, Braut- und Trachtenhüte für die Damen und viel mehr – Bärbel Wolfes-Maduka kauft Fertigware zu, fertigt aber auch selbst in ihrer Werkstatt direkt hinter dem Laden.
Klar, die Leute finden es viel, wenn sie 140 Euro für eine Herrenkappe zahlen. Wenn man dann aber sieht, dass ich fünf Stunden daran sitze, dann bin ich weit weg vom Stundenlohn eines Handwerkers.
Im Moment liegt dort zum Beispiel der Auftrag eines Mannes, der seinen schon sehr speckigen Lieblingshut zusammen mit seiner Lieblingsjeans geschickt hat. Aus dem Jeansstoff soll die Modistin den gleichen Hut machen, und zusätzlich noch einen vergleichbaren für den Sohn. Darin geht sie auf, es kostet aber auch sehr viel Zeit. „Ich bin schon auch gestresst, wenn sich hier die Aufträge stapeln, ich für mein Gefühl nicht schnell genug hinterherkomme und dann gleichzeitig viel Kundschaft im Laden ist.“ Was nicht heißt, dass sie sich nicht über Kundschaft freut. „Ich rede sehr gerne mit den Leuten und habe einen direkten Blick für die passende Hutform für den Menschen, der vor mir steht.“
Eine ganz andere Form von Stress sind dann die Preise, die sie für ihre Kreationen nehmen kann. „Klar, die Leute finden es viel, wenn sie 140 Euro für eine Herrenkappe zahlen. Wenn man dann aber sieht, dass ich fünf Stunden daran sitze, dann bin ich weit weg vom Stundenlohn eines Handwerkers.“
Auch ihr Geschäft ist schwieriger geworden. Unter anderem deshalb, weil sie immer Auszubildende hatte, sich das jetzt aber nicht mehr leisten kann. „Durch den Mindestlohn kann ich nicht mehr mithalten. Ich finde, die kleinen Gewerke sind bei diesem Thema völlig vergessen worden.“
Großen Rückhalt gibt ihr die Wiesenviertel-Gemeinschaft. Der Inhaber-Stammtisch des Vereins hat alle näher zusammengebracht. „Die Bänke und Bücherregale vor meinem Geschäft, das ist alles durch den Verein entstanden. Wir sind hier wirklich zusammengewachsen und stützen uns gegenseitig.“ In den Lockdowns der Corona-Pandemie hat sie immer wieder Bargeld gefunden, das ihr als Soforthilfe unter der Tür durchgeschoben wurde. Bis heute weiß sie nicht, von wem es kam. „Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich das erzähle.“

Naturtuche

Der Laden von Michael Kapmeyer ist so klein, dass nicht mehr viel Platz bleibt, wenn sich seine Labrador-Hündin auf dem Boden breitmacht. Dennoch öffnet sich hier eine ganze Welt – die Welt der historischen Stoffe. Wer einen authentischen Mantel aus dem 19. Jahrhundert oder gar einen Umhang aus dem Mittelalter tragen will, findet bei Naturtuche den richtigen Stoff. Reenactment und LARP heißen die Szenen, aus denen Kapmeyers Kundschaft kommt. Reenactment bedeutet: möglichst authentisches Inszenieren geschichtlicher Ereignisse. LARP heißt übersetzt Live-Rollenspiel. Über diese Hobbys ist auch Kapmeyer selbst zu seinem Laden gekommen. „Ich war eigentlich Fachinformatiker, wollte aber nicht mehr in IT-Hotlines festsitzen.“ Bei historischen Rollenspielen war er zunächst Bettler, da wurden ihm aber schnell die Füße zu kalt. Dann versuchte er es als Tuchhändler und merkte schnell: Hier gibt’s einen Markt, der nicht gut bedient wird. Vor 20 Jahren hat er sich damit selbstständig gemacht.
Hanf, Leinen, Seide und vor allem Wolle sind die Grundlagen seiner Stoffe. Das Färben und Beizen ist noch einmal ein ganz eigener Kosmos, denn bei einigen Stoffen wird nur auf das zurückgegriffen, was historisch zur Verfügung stand. So gibt es einen Wollstoff im Farbton einer Reseda- oder Krapp-Färbung, die einer Pflanzenfärbung täuschend ähnlich sieht. Da istes nur logisch, dass ein Meter Ware auch mal 39 Euro kostet.
Zu jedem Herstellungsschritt kann Michael Kapmeyer Hintergründe und Anekdoten erzählen. „Viele sind überrascht, welche Farbenpracht ich hier anbiete. Es ist ein Trugschluss, dass das Mittelalter nur grau und beige und kalt und dreckig war. Die Kleidung war viel bunter, als wir es im Kopf haben.“
Bei historischen Rollenspielen war er zunächst Bettler, da wurden ihm aber schnell die Füße zu kalt.
Kapmeyer legt großen Wert darauf, unter welchen Bedingungen Stoffe entstehen. Den einstigen Zulieferer aus China hat er schon deshalb nicht mehr, weil die Kommunikation schwierig war, jetzt lässt er vieles direkt in Deutschland produzieren. Merino-Wolle aus Australien lehnt er ab. Dort wird jungen Lämmern im Bereich des Schwanzes ein Stück Haut entfernt, um sie und die Wolle vor dem Befall der Schaf-Schmeißfliege zu schützen. Für die Tiere ist das sehr schmerzhaft und gefährlich. „Ich verkaufe nur Wolle aus Neuseeland. Da gibt es das nicht“, sagt Kapmeyer.
Der Tuchhändler wohnt schräg über seinem Laden. Vor einigen Jahren hat er das Nachbarhaus gekauft. Dort ist unten ein Friseursalon eingemietet. „Wirtschaftlich wäre es natürlich viel schlauer, dort meinen Laden zu haben und Eigenbedarf anzumelden“, erklärt Kapmeyer. „Aber das gehört sich nicht. Leben und leben lassen.“
Im Wiesenviertel ist sein Laden „der, der nie geöffnet hat“. Die Ladenzeiten: Donnerstag 14-15 Uhr. „Meine Kundschaft setzt sich vor allem aus Leuten aus der Szene zusammen, die online kaufen oder anrufen und einen Termin ausmachen, wenn sie einen Stoff ansehen wollen.“ Außerdem verschickt er über seinen Online-Handel viele Muster zum Fühlen und Betrachten. Die Laufkundschaft kommt dann gerne ab Oktober und kauft Bio-Wollsocken und Decken bei Naturtuche.
Jetzt im Sommer aber blühen die Beete vor den Läden, die individuell von den Anwohner:innen bepflanzt werden. Auch Michael Kapmeyer steht oft mit der Gießkanne vor dem Laden und begrüßt fast jeden, der vorbeikommt, mit Namen. „Es ist wirklich schön, wie familiär das hier geworden ist. Seit der Wiesenviertel-Verein die Leute zusammenbringt, ist das hier ein kleines Dorf in der Stadt.“

Für Elise

Direkt neben Naturtuche lockt das künstlerisch gestaltete Schaufenster von „Für Elise“ mit ausgefallen kombinierter Mode für Frauen. Dass die Mode Second Hand ist, fällt kein bisschen auf. Auch im Laden ist es hell, aufgeräumt, übersichtlich – und dennoch geschmackvoll und verspielt. „Es ist uns wichtig, dass die Frauen sich hier wohlfühlen“, sagt Inhaberin Antje Willgosch. „Das größte Kompliment ist für uns: Hier ist es ja wie in Berlin in den Second-Hand-Läden.“
Das Angebot im Laden suchen die Inhaberin und ihre Kollegin und Freundin Almuth Keller genau aus. Almuth ist auch die Kreative für die künstlerischen Schaufenster. Wer etwas abgeben will, braucht einen Termin und darf etwa 20 Teile bringen – gewaschen und gebügelt. Teile von einschlägigen Ketten, die billig und in Masse produzieren, nimmt Antje Willgosch nicht an. „Und ich mag es auch nicht, wenn Kleidung im Müllsack kommt. Wo bleibt da die Wertschätzung?“
Für die ausgewählte Kleidung gibt es einen Kommissionsvertrag, die Teile bleiben rund zwei Monate im Laden. Was übrig bleibt, gibt Antje Willgosch im Frauenhaus ab. Die Kundinnen sind am Ende selbst in der Verantwortung nachzufragen, ob etwas von ihren Sachen verkauft wurde, und das Geld und die nicht verkaufte Ware abzuholen.
„Es gibt Tage, an denen läuft es wieder richtig gut“, sagt Antje Willgosch. „Dann freue ich mich mit Almuth: Heute war ein Tag fast wie früher!“ Früher, das war vor Corona. Die Pandemie hat der Laden nur deshalb überstanden, weil der Vermieter Monatsmieten erlassen hat, weil Stammkund:innen zu Ladentür-Verkäufen kamen und „weil meine Eltern mich unterstützt haben“, sagt Antje Willgosch, und man merkt, dass diese Zeit noch immer nachwirkt in ihr. „Ich bin sehr dankbar für alle Unterstützung und besonders dafür, dass Almuth mir die Treue gehalten hat!“
Ich habe hier nur Unikate. Man kann in Ruhe stöbern und Einzigartiges für sich entdecken.
Ihre Kundinnen sind auch dankbar. Was für Schätze sie hier schon entdeckt haben, die genau zu ihnen passen! „Ich habe hier nur Unikate. Man kann in Ruhe stöbern und etwas Einzigartiges für sich entdecken.“ Und Schnäppchen sind es obendrein, wenn für eine Edelmarke nur noch ein Bruchteil des Originalpreises gezahlt werden muss. „Ich merke schon, dass es da eine Veränderung gibt“, sagt Antje Willgosch. „Nachhaltigkeit wird wichtiger und selbstverständlicher im Alltag.“
Im Laden gibt es eine riesige Umkleidekabine, in der sich die Frauen wie auf einer Bühne fühlen, wenn sie den Vorhang lüften. Und sie war tatsächlich schon eine Bühne: „Hier hat schon viel Kleinkunst stattgefunden, das hat Spaß gemacht. Ich komme nur gerade nicht zum Organisieren“, sagt die Chefin. An einer Wand gibt es außerdem ein großes Regal, das sie vermietet. „Wer etwas Handgemachtes verkaufen will, kann ein Regalfach nutzten. Es sind gerade welche frei geworden.“
Antje Willgosch ist Gründungsmitglied des Wiesenviertel-Vereins. „Das Umfeld ist einmalig hier“, sagt sie. „Wenn ich mal später in den Laden komme, bitte ich Michael nebenan einfach, einen Zettel an die Tür zu hängen. Es ist wirklich familiär.“
Und so bleibt am Ende dieser Streifzug-Gespräche das Gefühl, dass sich jeder auf seine Weise auch mal sorgt in der Selbstständigkeit, aber in der Wiesenviertel-Gemeinschaft eben einfach viel Reichtum steckt.

Wiesenviertel e.V.
„Wir verstehen unseren Verein als Möglichmacher“, sagt Joscha Denzel, Vorsitzender des Wiesenviertel-Vereins. Gemeinsam mit Schatzmeister Bernd Ahlborn sitzt er im „lokal“ an der Wiesenstraße, dem eigenen Vereinsraum. „Wir haben das hier in Eigenregie renoviert und vermieten die Räume auch“, sagt Ahlborn. Meditationskurs, Krabbelgruppe, Late-Night-Comedy, Kurse der Uni Witten-Herdecke – der Verein ist für alles offen, was Menschen zusammen und noch mehr Leben ins Viertel bringt. Es ist ein aufwändiges Ehrenamt: Vom Beantragen und Verwalten der Fördergelder über das Austauschen und Vermitteln zwischen Händler:innen, Anwohner:innen und Besucher:innen bis zur Organisation von Festen und Feiern. „Mich treibt immer die Leitfrage: Wie geht gutes Zusammenleben?“, sagt Denzel.
„Man nennt uns hier schon das kleine Kreuzviertel“, ergänzt Ahlborn. „Wir wollen aber noch mehr eigener Stadtteil werden als bisher.“ Dazu gehört für den Verein auch eine Fußgängerzone in der Wiesenstraße, durch die derzeit noch die Autos rauschen. Mehr Mitglieder wünscht sich der Verein auch. „Derzeit sind wir 68 Mitglieder, davon etwa zehn aktive. Wir laden jeden ein mitzumachen“, so Ahlborn.


Unsere Streifzüge
In jeder Ausgabe der WiR picken wir uns ein Viertel oder einen Stadtteil in unserem Kammerbezirk heraus und stellen engagierte Firmen, Geschäfte, Gastronomie, Initiativen dort vor. Die redaktionelle Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.