Streifzug durch Hattingen-Blankenstein

Klein, schmuck und sehr lebendig – so zeigt sich der kleine Hattinger Stadtteil Blankenstein am Südufer der Ruhr, gegenüber von Bochum. Dass es hier lebhaft zugeht, dafür sorgen viele kreative und engagierte Menschen, die einfach mal ausprobieren, was ankommt bei ihren Nachbar:innen und den Tourist:innen.

Eine Bereicherung für den Stadtteil: die „Kleine Affäre“

Die „Kleine Affäre“ beginnt auf dem Marktplatz. Da trifft der Blankensteiner Uli Wilkes 2018 die Vermieterin des hübschen Jahrhundertwendegeschäfts in bester Lage und kommt mit ihr ins Plaudern. „Was kommt denn rein in den Laden, in dem die Änderungsschneiderei war?“ Die Vermieterin ist gut gelaunt. „Der ist schon wieder vermietet an eine industrielle Teppichreinigung. Morgen wird der Vertrag unterschrieben.“ Uli Wilkes ist entsetzt. Das passt doch nicht ins hübsche, kleine Blankenstein! Blitzschnell fasst er einen Entschluss. „Nein“, sagt er. „Der Vertrag wird heute unterschrieben. Von mir.“

Womit er den Laden füllen will, weiß Uli Wilkes zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Also auf ins Brainstorming mit der Nachbarschaft. Die zwölf Blankensteiner:innen beschließen: In den 35 Quadratmetern soll künftig eine kleine Galerie mit wechselnden Künstler:innen zu Hause sein. Zusätzlich gibt es Auftritte, Lesungen und andere Aktionen, die das Leben im Stadtteil bereichern. Alle helfen mit beim Renovieren, Uli Wilkes wirft seine Kontaktnetze aus und hat schnell die ersten interessierten Künstler:innen gefunden. Auf ins Abenteuer!
Vier Jahre später sitzen Uli Wilkes und Nachbarin Sabine Kelm-Schmidt in ihrer schmucken „Kleinen Affäre“ und erzählen ihre Geschichte. Wilfried Schmickler, Jürgen Becker, Wigald Boning, Ralph Caspers, Sven Plöger, Frank Goosen – sie alle und noch viele es nur 50 Plätze für Zuschauer:innen gibt und dabei nicht viel Gage zu verdienen ist. Aber das kleine Lädchen im historischen Ortskern hat eben Charme. Ausgestellt hat jüngst auch die Fotokünstlerin Bettina Gruber, deren Arbeiten im Museum Ludwig und der Tate Gallery gezeigt werden. Derzeit stellt Roman Klonek seine Bilder in Blankenstein aus.
Alle Einnahmen gehen komplett in die Betriebskosten des Ladens. Was motiviert Uli Wilkes? „Es geht um Impulse für den Ort, wir wollen die Leute auf andere Gedanken bringen“, sagt er. Na gut, ein bisschen Eigennutz ist schon dabei. „Ich bin selbst neugierig auf die Künstler und nehme mir die Freiheit, sie nach meiner Neugier auszusuchen. Aber wir wollen hier die Kunstschwelle schon niedrig halten und Abwechslung bieten.“
Träume hat das kleine Team natürlich auch noch. „Helge Schneider hätten wir gerne einmal hier“, sagt Uli Wilkes. Bei der bisherigen Erfolgsgeschichte der „Kleinen Affäre“ gibt es keinen vernünftigen Zweifel daran, dass Helge Schneider bald eine kleine Affäre in Blankenstein hat.

Café Z, Eiszeit und Friseursalon Rajewitz

Nur eine Tür weiter, ebenfalls im schmucken Fachwerk, treffen wir Jörg Rajewitz. Der gelernte Friseur arbeitet nach dem Motto: Biete nur an, was dir selbst Spaß macht. Und so gibt es bei Rajewitz einen kleinen Friseursalon, hochwertigen Whisky zum Verkauf, aber auch Kaffee, Eis und selbst gemachte Torten im Extra-Laden ums Eck, der Eiszeit. Sein Café Z ist auch sein Büro, hier sitzt Rajewitz gerade am Laptop, kalkuliert und recherchiert. Doch wenn es um Whisky geht, gerät er sofort ins Schwärmen und Fachsimpeln. „Ich habe den Whisky entdeckt, als ich mit einem Kumpel mit dem Motorrad durch Schottland gefahren bin.“ Seitdem hat er viel gelesen, beobachtet, war auf Messen unterwegs, hat selbst ausprobiert: Welchen Alkohol nimmt man als Grundlage, welche Kräuter gibt man dazu, wie lange und wo liegt der Whisky? Das Wichtigste aber ist: In welchem Holzfass liegt er? „Das Holz ist zentral für den Geschmack.“ Rajewitz nimmt amerikanische Weißeiche. „Und die Fässer lagere ich auf Sylt, da habe ich eine Destille in Rantum gefunden. Der Whisky liegt vier Jahre lang im besten Reizklima!“
Ein Stückchen den Flur runter ist der kleine Frisiersalon. Das ist das Reich von Sarah Addamiano. Die beiden haben sich über Bekannte gefunden, Sarah hat ihre Ausbildung bei Friseurmeister Rajewitz gemacht, seit 15 Jahren sind die zwei jetzt ein Team. „Ich helfe hier überall, wir machen alle alles“, sagt die junge Frau gut gelaunt. Auch den Whisky hat sie schätzen gelernt, besucht mit Rajewitz Messen, begleitet Tastings, berät beim Verkauf. Im Café Z gibt es nicht nur den hauseigenen Whisky. Liköre, Brandy, Rum und Gin sind ebenfalls im Angebot. Denn Rajewitz kauft auch zu. „Da suche ich immer das Besondere. Hier finden die Leute Spirituosen, die es im Supermarkt und größeren Fachgeschäften nicht gibt.“ Die Kund:innen kommen meist aus der Region, oft aus Bochum, Dortmund, Essen, Wuppertal. Dass das hübsche Blankenstein mit der Burg viele Tourist:innen anzieht, hilft Rajewitz und seinem kleinen Team ebenfalls. „Im Sommer sind unsere Tische auf dem Marktplatz eigentlich immer besetzt“, sagt Sarah Addamiano.
Was Rajewitz an Blankenstein schätzt? „Das ist hier ein charmantes Viertel, in dem viel stattfindet.“ Dazu trägt Rajewitz auch selbst bei. Er stellt im Sommer zusammen mit anderen ein Blues-Festival auf dem Marktplatz auf die Beine. Reich wird der Blankensteiner nicht mit seiner täglichen Arbeit. „Na ja, der Umsatz ist gut, die Gewinne sind mir gar nicht so wichtig“, sagt er. Und das glaubt man ihm sofort, wenn er gemütlich in seinem Café sitzt und Pläne schmiedet für seine Whiskyproduktion und für das bunte Leben in Blankenstein.

Supermarkt in altem Gemäuer: REWE Lenk

Sogar der Supermarkt im Ort hat es geschafft, in historisches Gemäuer zu ziehen. Der Eingang von REWE Lenk führt durch die Bruchsteinwand der ehemaligen Seilwerke Puth, die 1848 gegründet wurden. Wo einst tonnenschwere Förderseile produziert wurden, kaufen die Blankensteiner:innen heute ihre Lebensmittel. Der Markt ist einer von neun Märkten in der Region, die Stefan Lenk betreibt. Beim Rundgang durch die 1.200 Quadratmeter grüßt er nach links und rechts. „Wir sind hier sehr familiär. Viele Kolleg:innen arbeiten sogar mit einem Teil ihrer Familien in den REWE-Lenk-Märkten.“ Der Marktleiter in Blankenstein hat bei REWE Lenk schon seine Ausbildung gemacht. „Das ist mir wichtig. Wir haben einen großen Stamm an Leuten, die bei uns die Ausbildung gemacht haben. Sie geben unsere Grundsätze gut weiter.“
Blankenstein ist ein gesunder Stadtteil mit hoher Kaufkraft. „Hier gibt es einen unglaublich hohen Anteil an Bioprodukten, und Veganes ist hier auch umsatzstark.“ Stefan Lenk achtet außerdem in jedem Markt darauf, dass auch Lokales im Angebot ist. Zum Beispiel der Kaffee der Rösterei Mayola in Hattingen.
Der Laden ist frisch renoviert. Damit spart Lenk 30 Prozent Energie ein. Außerdem wird hier gerade eine Expresskasse getestet, bei der Kund:innen selbst ihre Einkäufe scannen und zahlen. „Die ersten Erfahrungen sind gut“, erzählt Stefan Lenk. Aber REWE Lenk ist nicht nur fürs rasche Erledigen der Einkäufe da. „Das ist hier auch ein Treffpunkt. Man unterhält sich. Und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter merken: Die Blankensteiner sind stolz auf ihren Stadtteil.“

Videoproduktion für Unternehmen: videomotion

Daniel Aßmann ist so ein Blankensteiner. „Es klingt verrückt, aber als ich mit 18 Jahren hier durch den historischen Ortskern gefahren bin, da habe ich mir schon gedacht: In diesem Gebäude wirst du mal deine eigene Firma haben.“ So ist es gekommen. Aßmann steht zusammen mit seinem Geschäftspartner Jens-Magnus Krause in seinem Büro an der Hauptstraße 12, in dem sie seit 2013 zu Hause sind. Alles ist neu, gemütlich, aber modern innerhalb der historischen Mauern. Im Obergeschoss gibt es allerdings noch einen kleinen Besprechungsraum, der an Tante Emmas Wohnzimmer erinnert. „Wir finden hier den Kontrast so toll, unseren Kund:innen zwischen alten Möbeln auf dem modernen Bildschirm unsere Ideen und Produktionen zeigen zu können. Whiskyliebhaber Rajewitz von schräg gegenüber würde sagen: „Das hat Charme.“ Überhaupt kennt man sich hier natürlich. Für die „Kleine Affäre“ von Uli Wilkes hat Aßmann schon oft Nachbarschaftshilfe geleistet. Zahlt ja alles auf Blankenstein ein.
Was als Start-up nach dem Studium vor rund zehn Jahren begann, ist heute eine etablierte Videoproduktion für Unternehmen. videomotion beschäftigt sechs Mitarbeiter. Kund:innen waren schon REWE, Ardex, Super RTL, Medion oder Fressnapf. „Wir verkaufen nicht nur den Dreh und Schnitt, sondern auch die Idee dahinter, die Story, die Emotionen, die Botschaft, die rüberkommen soll“, sagt Aßmann, der auch als Moderator von WDR-Sendungen bekannt ist. Denn das sei es, was viele unterschätzten. Es sei eben nicht damit getan, mit dem Smartphone draufzuhalten und eine Szene abzufilmen.
Die beiden haben klare Vorstellungen von Teamführung. „Wir haben sehr flache Hierarchien und ein Arbeitszeitmodell, das sehr gut ankommt“, sagt Aßmann. Das geht so: Wer fertig ist, geht nach Hause. „Es funktioniert, weil hier kreative Leute arbeiten, die einen hohen Anspruch an ihre Arbeit haben. Sie arbeiten ohnehin sorgfältig.“ Aber die Zufriedenheit sei eben groß, wenn man selbstverständlich den Rechner runterfährt, sobald die Arbeit getan ist.
Aber gehört eine Videoproduktion nicht doch in eine Metropole? Jens-Magnus Krause schüttelt den Kopf. „Der Standort hier ist mega. Wir gehen oft zur Ideenfindung raus ins Grüne oder auf den Marktplatz. Und dass wir hier nicht sehr zentral arbeiten, war nie ein Nachteil.“ Aber es passiert dann eben schon mal, dass der eine oder andere Blankensteiner durch die stets offene Tür spaziert und sich neugierig umschaut. „Ich wollte mal sehen, wat ihr hier eigentlich macht“, hören die Filmproduzenten häufig. Wegen des Firmenlogos über der Tür vermuten manche sogar eine Videothek. Bei solchen Anekdoten lachen die beiden Unternehmer – aber voller Zuneigung für ihre Nachbar:innen.