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„Plötzlich sind alle Mitarbeiter ein Sicherheitsrisiko“
Der Papst in stylisher Winterjacke oder Donald Trump in Handschellen: Künstliche Intelligenz macht's möglich. Die sogenannten Deepfakes sind immer schwerer als solche erkennbar – und das ist ein Problem. Mit Tobias Rademann, Geschäftsführer der Bochumer IT-Unternehmensberatung R.iT., haben wir darüber gesprochen, warum auch Unternehmen die Gefahr durch Deepfakes nicht unterschätzen sollten.
Das Gespräch führte Anna Kalweit
Was genau sind Deepfakes, und welche Technologien stehen hinter der Erstellung von Deepfakes?
Ganz einfach formuliert sind Deepfakes gefälschte Medieninhalte, die Menschen täuschen sollen. Das fängt bei Texten an und geht über Grafiken, Fotos, Audioaufnahmen bis hin zur Königsdisziplin Videos. „Deep“ leitet sich von Deep Learning ab, weil die Inhalte von einer künstlichen Intelligenz generiert werden. „Fake“ bezieht sich auf die Täuschung. Und die ist heute schon sehr gut.
Wie aufwendig ist das Erstellen von Deepfakes?
Es kommt darauf an, wie kriminell Sie sich betätigen wollen. Im Darknet gibt es bereits genügend Dienstleister, die Sie bezahlen können. Kriminelle nutzen dieses Angebot. Mit vergleichsweise geringem Aufwand können bereits täuschend echte Deepfakes erstellt werden. Durch die exponentielle Entwicklung von KI wird es nur noch Monate dauern, bis jeder Schüler oder jede Schülerin Deepfakes erstellen kann. Als Unternehmen können wir uns im Moment noch auf Deepfake-Angriffe vorbereiten. Wir haben nicht mehr viel Zeit, aber wir sollten diese nutzen.
Was müssen Unternehmen befürchten: Ist die Gefahr groß, dass solche Medien für kriminelle Zwecke genutzt werden?
Deepfakes machen plötzlich alle Mitarbeiter zu einem Sicherheitsrisiko. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit kompromittierenden Deepfake-Fotos oder -Videos erpresst: Entweder Sie leiten Ihren Benutzernamen und Ihr Kennwort an die Erpresser weiter, oder die Aufnahmen werden an Ihre Freunde, Arbeitskollegen etc. weitergeleitet. Würden Sie riskieren, dass Sie Ihrem Partner erklären müssen, dass Sie das nicht wirklich sind? Ich glaube, dass es viele gibt, die aus einem Impuls der Angst heraus eher die Firmendaten rausgeben. Und genau darauf zielen die Erpresser ab.
Wie können sich Unternehmen vor Deepfakes schützen?
Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, um sich zu schützen, die Mitarbeiter möglichst frühzeitig zu sensibilisieren. Wenn ich weiß, dass ich Erpressungsopfer sein kann, kann ich schon heute mit meinem Partner oder meiner Partnerin und auch mit meinen Kollegen und Freunden darüber sprechen. Und ich werde nicht mehr so überrascht. Viele Kriminelle profitieren vom Überraschungsmoment; dieses Moment müssen wir so klein wie möglich halten. Daher ist es sinnvoll, die Menschen über Deepfakes aufzuklären und darüber, dass sie selbst im Fokus von Erpressungen stehen können.
Glauben Sie, dass die positiven Anwendungen von Deepfakes irgendwann überwiegen werden?
Auf jeden Fall. Sie überwiegen heute schon, sie haben nur nicht die Strahlkraft. Stellen Sie sich den Geschichtsunterricht vor, wenn Napoleon plötzlich zu Ihnen spricht. Das macht Geschichte viel erlebbarer. Oder denken Sie an psychologische Betreuung: Wir haben viel zu wenige Psychotherapeuten. Es gibt mittlerweile – auch in Deutschland – Modelle, die auf generativer künstlicher Intelligenz beruhen und auf einer grundlegenden Ebene psychologisch betreuen können. Im Marketing setzen Unternehmen Deepfakes bereits bei Videosequenzen ein. Die positiven Anwendungsszenarien sind hier grenzenlos.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Rademann.