„Ohne ausländische Fachkräfte gehen die Lichter aus.“

Die HEITKAMP Unternehmensgruppe in Herne findet Auszubildende in der Mongolei – aber die bürokratischen Hürden sind hoch. Das Bauunternehmen hat trotzdem Wege gefunden.
Von Sven Frohwein
Tserennorov Purevdorj ist sichtlich nervös, als sie den Raum betritt. „Hallo, ich freue mich, Sie kennenzulernen“, sagt die 25-Jährige zurückhaltend. Die junge Mongolin lebt seit zwei Jahren in Deutschland und macht eine Ausbildung zur Straßenbauerin. „Sie dürfen mich Tsegi nennen“, sagt Purevdorj in fast perfektem Deutsch. Vor ihr liegt ein kleiner Zettel, von dem sie manche Sätze abliest. Tsegi möchte sich in Deutschland eine Existenz aufbauen. Die Auszubildende arbeitet bei der HEITKAMP Unternehmensgruppe in Herne im Ruhrgebiet. Das Unternehmen baut Brücken und Straßen, saniert Flächen und hilft dabei, die Energiewende voranzutreiben. Und das geht für Unternehmenschef Jörg Kranz nicht ohne Fachkräfte aus dem Ausland. Dabei war die Anwerbung mongolischer Fachkräfte alles andere als leicht. Ein Lehrstück über deutsche Bürokratie und wie es in Zukunft nicht mehr laufen darf.
„Wir suchen Menschen, die die Welt bewegen wollen“ steht auf der Homepage des Familienunternehmens. Und ­HEITKAMP ist bereit, für diese Menschen die Welt zu bereisen. Im Mai 2022 ging es zum ersten Mal in die Mongolei. „Wir hatten Kontakt zum mongolischen Arbeitgeberverband Straßenbau, mit dem wir uns sehr schnell über eine Kooperation einig waren“, sagt Jörg Kranz. HEITKAMP exportiert sein ­Brückenbau-­ Know-how in die Mongolei, dafür hilft der ­Verband bei der ­Suche nach geeigneten Arbeitskräften für Deutschland. Im Mai 2022 hatte Heitkamp acht junge Mongol:innen ausgewählt, die Interesse an einer Ausbildung in Deutschland gezeigt hatten. Darüber hinaus wollte das Unternehmen zehn Facharbeiter:innen anwerben. „Da gingen die Probleme los“, so Kranz. Während die Azubis trotz Anlaufschwierigkeiten mit einem Monat Verspätung ihre Ausbildung beginnen konnten, erwies sich die Anwerbung der Fachkräfte als kräfte­zehrender Marathon. „Schon 2022 haben die Facharbeiter ihre Häuser verkauft, ihre Arbeit aufgegeben, aber die deutsche Bürokratie hat uns spüren lassen, dass das nicht so gewollt war“, berichtet Kranz ernüchtert. Trotz nötiger Sprach­kenntnisse, trotz gültiger Arbeitsverträge und trotz einer Bleibe zog sich die Antragstellung wie Kaugummi.
„Wenn wir die Messlatte in Deutschland so hoch anlegen, wird das nichts werden.“
Vor allem die Anerkennung der Berufe erwies sich als schwierig. Zwischen Antragstellung und Einreise ­verging mehr als ein Jahr. Erst die Intervention des NRW-Wirtschaftsministeriums half, den Gordischen Knoten zu zerschlagen. „Wenn wir die Messlatte in Deutschland so hoch anlegen, wird das nichts werden“, resümiert Jörg Kranz und übt damit auch Kritik an der IHK FOSA, die die ausländischen Zertifikate anerkennen sollte. Am Ende hatten sich sechs der zehn Mongol:innen ­einen anderen Job gesucht. „Sie sind nach Südkorea und anderswo.“ Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, kann Kranzʼ Ärger verstehen: „Die Firma HEITKAMP ist für uns ein gelungenes Beispiel dafür, wie ­Herausforderungen beim Fachkräftemangel mit guten Ideen entschlossen angepackt werden. ­Zugleich ist es ein weiterer Weckruf für die Verwaltung, die Prozesse zu vereinfachen.“
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„Wenn wir die Messlatte in Deutschland so hoch anlegen, wird das nichts werden", ist Jörg Kranz, Geschäftsführender Gesellschafter der Heitkamp Unternehmensgruppe, überzeugt. © sascha kreklau
HEITKAMP setzt jetzt lieber auf Azubis aus der Mongolei, 20 sind es insgesamt, fast ein Viertel aller Auszubildenden im Unternehmen. Der dritte Jahrgang hat seine Ausbildung 2024 begonnen, der erste steht kurz vor der Abschlussprüfung. Tsogjavkhlan Munkhdalai ist 24 Jahre alt und erst seit einem halben Jahr in Herne. Auch er möchte Straßenbauer werden: „Mein erster Eindruck von Deutschland war super, hier kann ich gut Sport treiben, es gibt hier viel Natur.” Sein Deutsch sitzt noch nicht so perfekt wie bei seiner Landsfrau, aber er kann sich schon gut verständigen. Die beiden Azubis wohnen zurzeit noch im unternehmenseigenen Wohnheim. „Da können wir sie auch viel besser ­betreuen”, sagt HEITKAMP-Geschäftsführerin ­Sabrina Kranz. Die Schlechtwetterperiode am Bau nutzt HEITKAMP, um die Azubis fit zu ­machen für das Leben vor Ort: weiter Deutsch büffeln, viel Theorie, Berufsschule. Die Mongol:­innen kommen gut an: „Sie sind sehr fleißig, hängen sich rein – und sind hochmotiviert.“ Für die Abschlussprüfung hätte Sabrina Kranz noch einen Wunsch: „Wenn die Prüfungsfragen auf Mongolisch oder in leicht verständlichem Deutsch formuliert wären, wäre das ein echter Mehrwert.“
„Es ist eine Wette auf die ­Zukunft, ob sich das Engagement tatsächlich bezahlt macht.”
Arbeit ist das eine, Ankommen bedeutet aber auch, ein Teil der Gesellschaft zu werden. Sabrina Kranz und HEITKAMP-Personalerin Nicole Weyers schnüren Ausflugspakete für ihre Azubis, stellen den Kontakt zu örtlichen Sportvereinen her, wo die jungen Menschen einsteigen dürfen. Das Unternehmen übernimmt zu Beginn sämtliche Bürokratie. Und nach einem Jahr sucht HEITKAMP den Azubis eine eigene Wohnung. Und doch ist Weyers und Kranz klar: „Es ist eine Wette auf die ­Zukunft, ob sich das Engagement tatsächlich bezahlt macht.” Vater Jörg Kranz fügt hinzu: „Wir haben keine Alternative. Ohne Fachkräfte aus dem Ausland gehen bei uns die Lichter aus.“ Tsegi, die 25-jährige Mongolin, ist dankbar für ihre Chance auf ein neues Leben. Sie sagt: „Ich möchte Bauingenieurin werden und ein eigenes Projekt leiten. Ich finde es toll, einen sichtbaren Beitrag zu leisten.“ Sie möchte bleiben.
Mehr Infos zum Unternehmen: www.heitkamp-ug.de