Was tun gegen „Ghosting“?


Ob Lehrstelle oder Arbeitsplatz: Wenn Kandidat:innen nach vermeintlich fester Zusage nicht mehr auftauchen, ist das ärgerlich und kostspielig.
Von Daniel Boss
Früher hatte Arbeitgeber Lars Dorner einige unschöne ­Erfahrungen mit dem Phänomen „Ghosting“ machen müssen: Sein Bochumer IT-Unternehmen Dorner Systems hatte Kandidat­:innen nach eingegangener Bewerbung kontaktiert und zum Gespräch eingeladen – so weit ganz normal. Doch Dorner schätzt, dass etwa 20 Prozent gar nicht zum Termin ­erschienen. „Zum Teil wurde überhaupt nicht mehr reagiert, weder auf unsere Telefonanrufe noch auf E-Mail-­Nachfragen.“ Ein besonders krasser Fall betraf einen bereits angestellten Azubi, der sich deutlich zu spät krankgemeldet hatte. „Wir ­haben das natürlich angesprochen“, so Dorner. „Bei der nächsten Krankmeldung, die wieder zu spät war, hat er dann überhaupt nicht mehr reagiert, was zum Auflösen des Arbeitsverhältnisses geführt hat.“
Immer mehr Betriebe in Deutschland berichten von Problemen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen: Konnten 2013 noch 29 Prozent der Ausbildungsbetriebe nicht alle offenen Ausbildungsstellen besetzen, waren es 2023 bereits 51 Prozent. Als Hauptgrund nennen die befragten Unternehmen den generellen Mangel an (geeigneten) Bewerbungen. Doch berichtet inzwischen auch jeder vierte Betrieb mit ­unbesetzten Ausbildungsplätzen, dass geeignete Bewerber­:innen abspringen. Das geht aus einer im März ­veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Großbetriebe mit 500 und mehr Beschäftigten nennen Absprünge von Bewerber:innen besonders häufig als einen der Gründe für die Nichtbesetzung von Ausbildungsplätzen. Aber auch 28 Prozent der Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten haben mit dem Phänomen zu tun. 2013 waren es noch 19 Prozent.
„Zum Teil wurde überhaupt nicht mehr reagiert, weder auf unsere Telefonanrufe noch auf E-Mail-­Nachfragen.“
Der Begriff „Ghosting“ (vom englischen Wort für Geist) wurde zunächst vor allem für den plötzlichen und totalen Abbruch einer Freundschaft oder Liebesbeziehung verwendet. Inzwischen aber hat das Phänomen eben auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Nach dem ärgerlichen und meist auch kostspieligen Verschwinden von Kandidat:innen taucht auf Seiten der frustrierten Arbeitgeber:innen bzw. Ausbilder­:innen mitunter die Frage nach der juristischen Handhabe auf. Grundsätzlich können Unternehmen durchaus entsprechende Schritte einleiten, wenn „Geisterlehrlinge“ oder nicht mehr erreichbare neue Mitarbeiter:innen ihre Verträge ­verletzten. Im Arbeitsalltag von Kanzleien hat das Thema dennoch keine große Relevanz, wie Arbeitsrechtler Janik Schmoll von der Bochumer Kanzlei Aulinger berichtet. ­„Unternehmen dürften regelmäßig nicht gewillt sein, ,bösem Geld’ auch noch gutes hinterherzuwerfen, zumal die rechtlichen Möglichkeiten sehr begrenzt sind.“

Sinnvoll kann es seiner Aussage nach sein, bereits bei der ­Gestaltung der Arbeitsverträge anwaltlichen Beistand zu ­bemühen. „So kann im Arbeitsvertrag die ordentliche Kündigungsmöglichkeit vor Beginn des Arbeitsverhältnisses wirksam ausgeschlossen und eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht antritt.“ Wichtig zu wissen: „Bei Berufsausbildungsverhältnissen ist eine solche Vertragsstrafe unzulässig.“
Sofern die Vertragsstrafenklausel wirksam ist, bestehen zwar gute Chancen, dass das Gericht einer entsprechenden Klage stattgibt. „Wirtschaftlich dürfte sich ein Verfahren häufig dennoch nicht lohnen, da der Arbeitgeber auch bei Erfolg ­seiner Klage seine Anwaltskosten selbst tragen muss.“
Wer den Gang vor Gericht nicht ernstlich in Betracht zieht, kann die Vertragsstrafe zumindest als Abschreckung in den Vertrag aufnehmen. Nach dem Motto: Dann überlegen es sich die Vertragspartner:innen zweimal, ehe sie auf Nimmerwiedersehen abtauchen. „In erster Linie sollten Arbeitgeber:innen während des Bewerbungsprozesses aber klar und transparent kommunizieren und trotz des ­Fachkräftemangels nur Bewerber:innen einstellen, von denen sie wirklich überzeugt sind“, rät Jurist Schmoll.
In diesem Sinne geht auch das Unternehmen Dorner Systems seit mehreren Jahren vor. „Klar ist, dass die Stelle besetzt werden muss und wir Druck haben. Aber klar ist auch, dass jede falsche Einstellung noch mehr Zeit kostet. Von daher lohnt es sich, den Prozess zu optimieren.“ Dazu gehört bei Dorner Systems unter anderem, dass auf Bewerbungen ­zunächst per Mail, nicht per Telefon reagiert wird. „Wenn die Leute nicht antworten, sind sie sofort raus – wir brauchen auch Reaktionen auf Mails.“ Im nächsten Schritt führt das Backoffice-Personal eine kurze Befragung am Telefon durch. „Die Kolleg:innen schätzen dabei schon mal die Kommunikationsbereitschaft ein.“ Beim Videocall, dem nächsten Schritt, ist dann Dorner selbst dabei, ebenso beim Vor-Ort-Termin. So entsteht bereits vor Vertragsunterzeichnung eine immer enger werdende Bindung, und die Kandidat:innen investieren selbst immer mehr Zeit und Engagement. Am Ende steht ein fixer Telefontermin für die Zu- oder Absage von beiden ­Seiten.
„Mit diesem Prozedere haben wir sehr gute Erfahrungen ­gemacht“, resümiert Dorner. So habe man das Thema Ghosting in den Griff bekommen.