Fresh Cars in Herne: Sogar aus München kommen Autos

Vor mehr als zehn Jahren hat sich Vedat Ergün in Herne selbstständig gemacht. Inzwischen ist sein Karosserie- und Lackierbetrieb Fresh Cars nicht nur in NRW bekannt.
Von Daniel Boss
Vedat Ergün ist ein großer Fan von Diversifizierung, also der Streuung von Risiken durch verschiedene Geschäftsbereiche und Kundengruppen. Dafür sensibilisiert hat ihn ein Dozent in der Meisterschule – „ein sehr erfahrener Mann“, so Ergün. Das Bild, das sein Mentor damals verwendet hat, ist bis heute in seinem Kopf geblieben: „Wenn man eine schöne, große Pizza nicht durchschneidet und sie rutscht vom Teller auf den Fußboden, kann man sie komplett wegschmeißen. Fallen dagegen nur zwei bis drei Stücke herunter, ist der große Rest noch für den Verzehr vorhanden.“ Ergün hat sich an diesen Rat gehalten: „Wir sind sehr breit aufgestellt“, sagt der Gründer und Betreiber von Fresh Cars in Herne.
So bietet der Fachbetrieb für Lack und Karosserie (der aufgrund des Dienstleistungsspektrums sowohl in der IHK als auch in der Handwerkskammer Mitglied ist) unter anderem Autorestaurationen für Privatleute an. Die Besitzer alter rollender Schätze, die auf Vordermann gebracht werden sollen, kommen aus ganz NRW, aber auch aus München. Social-Media-Posts sorgen für Aufmerksamkeit auch abseits von Rhein und Ruhr. „Besonders spezialisiert haben wir uns auf die Marke Porsche“, sagt Ergün. Ein grüner 911er aus dem Jahr 1971 steht in einer der Hallen. Es handelt sich um ein ­Eigenprojekt von Fresh Cars. Obgleich das Auto rund 55 ­Jahre auf dem ikonischen Design-Buckel hat, sieht es aus wie frisch aus Zuffenhausen geliefert. „Unser Team hat diesen Oldie komplett restauriert“, so Ergün. Das hat einige Jahre in Anspruch genommen. „Wir haben immer daran ­gearbeitet, wenn mal Leerlauf im normalen Betrieb war.“
Solche Zwangspausen sind allerdings extrem selten in dem Unternehmen im Gewerbegebiet „Friedrich der Große“. Denn die Auftragsbücher sind voll. Das liegt unter anderem an den mehr als 20 Gewerbepartnern in der Region. Dazu gehören Filialen von Werkstattketten sowie Autohäuser ­verschiedener Hersteller wie BMW, Volkswagen und ­Mercedes. „Gerade haben wir auch die offizielle Zulassung für ­Jaguar und Range Rover bekommen“, freut sich Ergün. Fresh Cars übernimmt für solche Partner alle Arbeiten rund um Karosserie, Lack und Montage.
Ein weiteres Standbein sind Haftpflicht- und Kaskoschäden: „Wenn es gekracht hat, kümmern wir uns um die sach- und fachgerechte Beseitigung der Unfallfolgen.“ Dabei setze man, so möglich, auf „Smart Repair“: „Nicht immer ­müssen Komponenten wie Türen oder Kotflügel ausgetauscht ­werden. Viele Beulen und Dellen lassen sich professionell herausziehen. Das geht schneller und ist kostengünstiger.“ Eine weitere Spezialität des Betriebs ist die Instandsetzung von Leasingrückläufern. Auftraggeber sind Unternehmen mit großen Fuhrparks. „Das ist ein wachsender Bereich“, ­erzählt Ergün.
„Auf einem VW-Treffen wurden mir 8.000 Mark angeboten. Und ich habe eingeschlagen.“
Der 46-Jährige darf ruhig als Autofreak bezeichnet werden. Auch motorisierte Zweiräder faszinieren ihn seit Kindertagen. Seine ersten fahrbaren Untersätze waren – neben dem Skateboard – Mopeds von Kreidler und Zündapp. Und sein erstes Auto? „Ein Polo mit Steilheck.“ Für 50 Mark habe er den Wagen einem Landwirt aus der Umgebung abgekauft. Nach entsprechender „Veredelung“ war das gute Stück dann ein Vielfaches wert. „Auf einem VW-Treffen wurden mir 8.000 Mark angeboten. Und ich habe eingeschlagen.“ Durch dieses Schlüsselerlebnis sei ihm erst so richtig bewusst geworden, dass er mit seiner Leidenschaft auch beruflich ­erfolgreich sein kann.
Wer allerdings Werkstatt-Romantik bei Fresh Cars erwartet, erlebt eine kleine Enttäuschung: Ölflecken und verstreutes Werkzeug sucht man vergebens. „Ich mag es eben clean“, sagt der Inhaber. Alles ist geordnet an seinem Platz. Auf großen Bildschirmen in den Hallen können die Mitarbeitenden jederzeit die aktuellen Aufträge sehen. „Zusätzlich hat jeder noch ein eigenes Tablet.“ In die Digitalisierung und Prozessoptimierung hat Ergün eine Menge Zeit und Geld investiert. „Auf dieser Weise können wir zum Beispiel ­analysieren, warum die Aufbereitung eines Stoßfängers zweieinhalb Stunden gedauert hat, obwohl lediglich anderthalb Stunden angesetzt waren. Etwaige Stör- und Fehlerquellen lassen sich so identifizieren und in Zukunft vermeiden.“
In drei Bereichen wird geschraubt, abgeklebt, poliert und – natürlich – lackiert. Ob Kleinwagen, Lieferfahrzeuge oder Supersportwagen, wie sie von Fußball- und Musikstars ­bevorzugt werden – „wir behandeln alle Aufträge mit der gleichen Sorgfalt“. Besonders stolz ist Ergün auf die moderne Lackieranlage und den Farbmischraum. Etwa 2,2 Millionen Euro hat er insgesamt in den Standort investiert – inklusive Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Nach einer vierjährigen Bauphase wurde Ende 2022 Eröffnung gefeiert. Für den Kfz-Lackierermeister schloss sich damals der Kreis, ­hatte er doch beim Vorgängerbetrieb an derselben Stelle gelernt und mehrere Jahre gearbeitet. „Mir war aber eigentlich schon vor der Lehre klar, dass ich eines Tages selbstständig sein möchte.“ Eltern und Freunde ­hätten zwar immer wieder abgeraten, „aber ich wollte mich nicht davon abbringen lassen“.
„Schon nach kurzer Zeit lief das Geschäft recht gut.“
2014 wagte er dann den Sprung. „Ich habe mein gesamtes Geld zusammengekratzt und bin in einer alten Hobbywerkstatt gestartet.“ Allein für Pacht und die Löhne der ersten beiden Mitarbeiter musste er monatlich mehr als 6.000 Euro erwirtschaften. „Es war schon riskant. Aber wenn ich es nicht gemacht hätte, hätte ich mir mein Leben lang Vorwürfe gemacht“, sagt er. Der Erfolg gibt ihm Recht: „Schon nach kurzer Zeit lief das Geschäft recht gut.“ Als er später das Angebot bekam, seinen einstigen Ausbildungsbetrieb zu übernehmen, entschied er sich für den Kauf des Grundstücks und der Gebäude. „Es war höchste Zeit, sich zu vergrößern. Auf dem ersten Areal mussten wir dauernd ,Tetris’ mit den Autos spielen.“ War ein Fahrzeug fertig, musste es direkt nach draußen gefahren und gegen ein nächstes Kundenauto getauscht werden. Am heutigen Standort ist dieses Problem zwar nicht ganz behoben, aber doch deutlich gemildert.
Fresh Cars wächst stetig, mitunter um 30 Prozent pro Jahr. Für 2025 rechnet Ergün mit einem Umsatz von rund 1,7 ­Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter:innen erhöht sich ebenfalls kontinuierlich. Derzeit gehören rund 20 Leute zum Team, davon sind fünf Azubis. „Wir versuchen, dass in jedem Jahr zwei neue Lackier-Lehrlinge anfangen können.“ Ihnen möchte er, neben dem Handwerk und dem Fachwissen, auch die richtige Einstellung vermitteln. „Erfolg hat nur, wer sich anstrengt und etwas dafür tut. Ohne Maloche geht es nicht“, sagt der überzeugte Ruhrpottler.
Ein Weggang aus Herne wäre für Ergün nie in Frage ­gekommen. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen“, sagt der Sohn türkischer Einwanderer. Sein Vater arbeitete ­unter Tage. Auch sein zehn Jahre älterer Bruder Sedat war auf der Zeche tätig. Inzwischen unterstützt er Vedat ­Ergün im ­Betrieb. „Er ist meine rechte Hand“, so der Jüngere. Zum Familienbetrieb gehört zudem Vedats Frau Katharina ­Toerschen, die für die Buchhaltung zuständig ist.
Mit den beiden Kindern, 6 und 14 Jahre, geht Papa Vedat ­gelegentlich in den Skatepark. Als Jugendlicher war er ziemlich gut mit dem Brett, nahm erfolgreich an Wettbewerben teil. Auch diesem Hobby – ganz ohne Motor – ist er bis heute treu geblieben.