6 min
Lesezeit
Erfolgsmodell Dienstrad-Leasing
Die Bochumer Ride Mobility GmbH wurde in einem privaten Dachgeschoss gegründet. Heute setzt das einstige Start-up mehr als 30 Millionen Euro im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft um und zählt Städte wie Essen, Frankfurt und Dresden zu seinen Auftraggebern.
Von Daniel Boss
Gründer Massi Naqshbandi (r.) im Gespräch mit der "Wirtschaft im Revier" gemeinsam mit Mitgründerin Cornelia Delbos und und Mitgeschäftsführer Dr. Torben Lippmann in den Geschäftsräumen an der Castroper Straße.
Ob im Eingangsbereich, im Besprechungsraum oder in den Büros – überall stehen Fahrräder. Es sind hochmoderne Hingucker, mit denen sich im Eiltempo asphaltierte Kilometer fressen oder anspruchsvolle Steigungen erklimmen lassen. Angetrieben werden die Bikes entweder mit reiner Muskelkraft oder mit elektrischer Unterstützung. „Unser Team lebt das Thema Fahrrad“, erklärt Massi Naqshbandi beim Rundgang durch die Geschäftsräume. Er selbst legt den Weg zur Arbeit aktuell aber eher noch zu Fuß oder auf vier Rädern zurück, gibt er ehrlich zu. Naqshbandi ist approbierter Arzt. Doch in diesem Beruf hat er schon seit einigen Jahren nicht mehr gearbeitet. Stattdessen hat er sich für den zweiten Karriereweg entschieden, den er spätestens mit dem erfolgreichen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre eingeschlagen hatte.
Hinzu kam ein großes Interesse am Geschäftsmodell Fahrrad-Leasing – inklusive einiger Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich. „Dafür schlägt mein Herz“, sagt er. Und so ist der 40-Jährige heute Geschäftsführer der Ride Mobility GmbH – „dem einzigen Rad-Leasing-Anbieter mit Sitz in Nordrhein-Westfalen“, wie er betont. Zusammen mit vier Kolleg:innen an der Westfälischen Hochschule rief er das Startup im Mai 2021 ins Leben.
„Eigentlich wollten wir – im Rahmen der Gründungsförderung – Studierende für die Entwicklung eigener Geschäftsideen begeistern“, erzählt Dr. Torben Lippmann, ebenfalls Geschäftsführer der Ride Mobility. Es gab Start-up-Beratungen und Workshops. Als konkretes Beispiel wurde eine Leasing-Plattform für Zweiräder gegründet. „Sie sollte vor allem zum Testen und Ausprobieren dienen. Nie hätten wir gedacht, dass daraus etwas so Großes werden würde“, sagt Lippmann. Dann allerdings merkte das Team, wie groß das Potenzial in diesem Bereich ist. Vor allem durch die Öffnung des öffentlichen Dienstes für Angebote dieser Art: Seit dem 1. März 2021 gilt der „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung zum Zwecke des Leasings von Fahrrädern im kommunalen öffentlichen Dienst“, kurz TV-Fahrradleasing.
Was zuvor nur der Privatwirtschaft erlaubt war, können seitdem unter anderem auch Stadt-Bedienstete und die Belegschaften kommunaler Versorger oder Kliniken in Anspruch nehmen. „Diese Regelung vergrößerte den Markt um rund 1,6 Millionen potenzielle Nutzerinnen und Nutzer“, so Lippmann, der selbst aus dem öffentlichen Dienst kommt und sich bestens mit dessen „Besonderheiten und Anforderungen“ auskennt, wie er sagt. „Bei uns trifft öffentlicher Dienst auf Unternehmertum“. Vor allem dank dieser Kompetenz hat es das Bochumer Start-up geschafft, binnen weniger Jahre zu einem der Top-3-Dienstrad-Leasinganbieter in Deutschland aufzusteigen. Aus dem sechsköpfigen Gründerteam von einst ist inzwischen ein Mittelständler mit rund 40 Mitarbeitenden – darunter eine Auszubildende – und einem Umsatz von rund 33 Millionen Euro (2023) geworden. „Und das alles mit eigener Kraft, ohne externe Investoren“, betont Naqshbandi.
Das Dachgeschoss des Hauses, in dem er mit seiner Frau lebt, wurde bei diesem Wachstum irgendwann zu klein. Im vergangenen Sommer erfolgte daher der Umzug an den Stadionring 1. Im zweiten Obergeschoss, mit Blick auf die Castroper Straße, kümmern sich unter anderem Programmierer, Versicherungsexperten und Key Account Manager darum, dass immer mehr geleaste Bikes auf Deutschlands Straßen fahren. Auslöser dafür sind Anreize sowohl für die Arbeitnehmer- als auch für die Arbeitgeberseite.
Und so funktioniert’s: Beim Dienstrad-Leasing verzichten Mitarbeitende auf einen Teil ihres Bruttomonatsgehalts, der als Leasingrate für das Dienstrad genutzt wird. „Außerdem verringert sich das Bruttogehalt um die monatliche Bruttorate der Versicherung und gegebenenfalls noch um die Rate für das Inspektionspaket“, so Mitgründerin Cornelia Delbos. Aus dem so reduzierten Bruttogehalt ergibt sich ein Steuer- und Abgabenvorteil, „der das Dienstrad-Leasing finanziell attraktiv macht“, sagt Delbos. „Und der Arbeitgeber stärkt mit diesem Benefit sein positives Image auf dem Arbeitsmarkt und in Sachen nachhaltige Mobilität – bei gleichzeitiger Kostenneutralität.“ Seit dem Gewinn der ersten öffentlichen Ausschreibung nach Öffnung des Tarifvertrags – für die Stadt Emsdetten – konnte das einstige Start-up mehr als 600 Auftraggeber:innen von sich überzeugen. „Wir sind von der dänischen Grenze bis hinter München aktiv“, erzählt Delbos. Da alles digital abgewickelt wird, sind persönliche Vor-Ort-Termine nicht zwingend erforderlich. „Rund 300.000 Beschäftigte nutzen mittlerweile unser Angebot“, sagt Lippmann. Manchmal sind es 15 Dienstradler pro Auftraggeber, manchmal mehrere hundert Bike-Fans. Vertreten sind vor allem Städte, Gemeinden und Landkreise. Beispiele sind Oberhausen, Essen, Dresden, Frankfurt am Main und Lübeck. Aber auch die Rheinbahn in Düsseldorf, die Verkehrsbetriebe Karlsruhe sowie das Universitätsklinikum Bergmannsheil und das Schauspielhaus in Bochum arbeiten mit „RadimDienst“, wie die Marke der Ride Mobility GmbH heißt, zusammen.
Seit dem vergangenen Jahr wenden sich die Bochumer:innen auch verstärkt an die Privatwirtschaft. „Hier können wir mit unseren Referenzen aus dem öffentlichen Bereich und unserem großen Leistungspaket punkten", sagt Geschäftsführer Naqshbandi. Auch hier fungiert man als Allround-Anbieter und liefert, in Zusammenarbeit mit Versicherungen, Leasingbanken und Fahrradhändlern, eine Komplettlösung, zu der nicht nur ein Rundumschutz für Rad und Fahrer:in, sondern auch das digitale Onlineportal für die Abwicklung des Rad-Leasings sowie ein großes Werbe- und Informationspaket zur internen Bewerbung des Benefits gehören. „Wir verlangen keine Provision von den Händlern, sondern verdienen allein am sogenannten Leasingfaktor“, erklärt Naqshbandi.
Ob Lastenrad, E-Trekkingbike oder Carbon-Renner – es gilt die freie Rad-Wahl. Im öffentlichen Dienst sind Preise von bis zu 7.000 Euro gestattet. „In der Privatwirtschaft haben wir es auch schon mal mit Rädern zu tun, die 20.000 Euro kosten“, sagt Lippmann. Zusätzlich kann eine große Bandbreite an Zubehör mitgeleast werden, die das Wunschrad perfekt macht, wie etwa Kinderanhänger, Radaufbauten oder Handyhalterungen. Die Diensträder können bis zu 100 Prozent privat genutzt werden, und nach der Leasinglaufzeit können die Räder kostenfrei zurückgegeben werden. „Außerdem beabsichtigen wir, jedem Dienstradler ein Übernahmeangebot zum Ende der Leasinglaufzeit zu unterbreiten. Aktuell nutzen dieses Übernahmeangebot etwa 90 Prozent der Dienstradler und kaufen ihr liebgewonnenes Bike“, so Lippmann.
Kontakt

Christina Kiesewetter