Von der Schulbank ans Steuer

Ein Unternehmensbesuch in der achten Klasse entwickelte sich für die Herner Schülerin Patricia Henneböhl zur Ausbildungsperspektive. Die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel GmbH (HCR) zeigt, wie Unternehmen Fachkräfte frühzeitig für sich gewinnen können.
Von Anna Kalweit
Patricia Henneböhl ist 16 Jahre alt, besucht die neunte ­Klasse einer Sekundarschule in Herne und hat einen ziemlich klaren Zukunftsplan: Sie will Busfahrerin werden. Und zwar bei der HCR. Dass sie ihrem Traumjob mit großen Schritten näherkommt, ist kein Zufall, sondern Ergebnis der gezielten Nachwuchsförderung des Nahverkehrsunternehmens.
Alles begann im vergangenen Jahr mit Move2Beruf. An dem Aktionstag besuchen Schüler:innen der achten bis zehnten Klassen Herner Betriebe, um Ausbildungsberufe im authentischen Umfeld kennenzulernen. „Ich fand die HCR immer spannend und wollte wissen, was hinter den Kulissen passiert“, erinnert sich Patricia. Besonders interessierte sie die Werkstatt. Doch leider verpasste sie knapp den Beginn der Führung und musste warten. Ein Glücksfall, denn so kam die Schülerin mit Martin Kurzatz ins Gespräch. Der Busfahrer erzählte ihr, dass die HCR auch Fachkräfte im Fahrbetrieb (kurz FiF) ausbildet – Patricias Neugier war geweckt. Es folgte die zweitägige Berufsfelderkundung, die ihr so gut gefiel, dass sie im Anschluss auch ihr dreiwöchiges Schulpraktikum bei der HCR absolvierte. Als Patricias Lehrer sie dort ­besuchte, erkannte er sofort: Hier hat jemand seinen Traumjob gefunden. Er schlug ein Jahrespraktikum bei der HCR vor. Nach kurzer Bedenkzeit fiel die Entscheidung: Seit Januar ist Patricia einmal pro Woche im Betrieb. Statt die Schulbank zu drücken, unterstützt sie im Büro, geht mit den Busfahrer:innen auf Tour oder tüftelt in der Werkstatt mit. Den Schulstoff kann sie problemlos nachholen.
Gezielte Nachwuchsförderung statt Zufallstreffer Marina Brinkhoff, Ausbilderin bei der HCR, erklärt: „Der Weg, den Patricia gegangen ist, ist traumhaft für ein Unternehmen. Durch ihre Praktika wissen wir, auf wen und worauf wir warten.“ Etwas Geduld ist ­nötig, denn Patricia kann die Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb erst nach ihrem Schulabschluss nächstes Jahr beginnen. Für den Busführerschein muss sie sogar volljährig sein. Bis dahin hält die HCR durch das Jahres­praktikum den Kontakt – ein entscheidender Punkt, um junge Talente frühzeitig zu sichern, erklärt Marina Brinkhoff. Oft laufe die Nachwuchsrekrutierung trotz langer Wartezeiten zwischen Vertragsunterzeichnung und Ausbildungsbeginn anders, so die Ausbilderin. Ein Bewerbungsgespräch ist eine Momentaufnahme des angehenden Azubis – und ein Jahr später kommt eine veränderte Person in den ­Betrieb. „Junge Menschen entwickeln sich schnell. Wenn wir uns schon vorher kennenlernen, können beide Seiten sicher sein, dass es wirklich passt“, so Marina Brinkhoff.
Dass Busfahren mehr ist als nur hinterm Steuer zu sitzen, betont auch Martin Kurzatz, der vor zweieinhalb Jahren ­seine Ausbildung als FiF abgeschlossen hat: „Der Job ist extrem abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere, es wird nie langweilig.“ Dass der Beruf mehr Aufmerksamkeit bekommt, sieht man auch auf TikTok, wo ein Hamburger Busfahrer mit seinen kreativen Grußgesten viral ging. Warum frühe Bindung der Schlüssel ist Dass die gezielte Nachwuchsförderung funktioniert, zeigt Patricia selbst: Die 16-Jährige packte sofort mit an und überzeugte innerhalb von zwei Tagen die Belegschaft so sehr von sich, dass es bis zur Geschäftsleitung durchdrang, erzählt Marina Brinkhoff.
Für die HCR hat sich die Beteiligung an dem ­Aktionstag Move2Beruf gelohnt. „Auf Messen stehen oft Gruppen ­zusammen, da kann man nicht wirklich ins Gespräch ­kommen. Wenn die Schüler aber zu uns kommen, können wir ­ihnen ­gezielt Dinge zeigen“, so Marina Brinkhoff. „Selbst wenn ich nur eine Person finde, ist das super.“ Und Patricia ist das beste Beispiel dafür.
Bei Move2Beruf erleben Hunderte Herner Schüler:innen der achten bis zehnten Klasse lokale Unternehmen hautnah. Der Aktionstag, der 2024 erstmalig stattfand, unterstützt die berufliche Orientierung an Schulen und die Suche nach Berufsfelderkundungs-, Praktikums- sowie Ausbildungsplätzen. ­Move2Beruf ­entsteht durch die Zusammenarbeit des ­Herner Bündnisses für Arbeit bestehend aus der Agentur für Arbeit, der Handwerkskammer Dortmund, der IHK Mittleres Ruhrgebiet, der Stadt Herne, der Regionalagentur Mittleres Ruhrgebiet, Herne Business, Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen, der Kreishandwerkerschaft Ruhr, dem Kooperationsnetz Schule-Wirtschaft und der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss".
Mehr Infos: move2beruf.de