EU-Kommission legt „Net Zero Industry Act“ zur Förderung des Ausbaus von Produktionskapazitäten für Net Zero Industrien vor

Am 16. März 2023 hat die EU-Kommission mit ihrem „Net Zero Industry Act“ eine Verordnung vorgelegt, um Produktionskapazitäten von sauberen Technologien in der EU zur Erreichung der Klimaneutralität („Netto-Null-Technologien“) auszubauen.
Ziel des Vorschlags der EU-Kommission ist es, dass 40 Prozent des jährlichen EU-Bedarfs an diesen Technologien in Europa produziert werden. Somit sollen Abhängigkeiten von anderen Ländern bei diesen Technologien vermieden werden. Um dies zu erreichen, werden in dem Rechtsakt acht "Netto-Null-Technologien" festgelegt, für die der Aufbau von Produktionskapazitäten erleichtert werden soll:
  • Photovoltaik und Solarthermie Technologien
  • Onshore- und Offshore-Technologien für erneuerbare Energien
  • Batterie-/Speichertechnologien
  • Wärmepumpen und geothermische Energietechnologien
  • Elektrolyseure und Brennstoffzellen
  • Nachhaltige Biogas-/Biomethantechnologien
  • Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (CCS)
  • Netztechnologien
Insbesondere sollen durch das Gesetz die Bedingungen für Investitionen in „Netto-Null-Technologien“ verbessert werden, indem Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Projekte, die diese Netto-Null-Technologien betreffen, werden von kürzeren Genehmigungsfristen und gestrafften Verfahren profitieren (9 bis 12 Monate, abhängig von der Produktionskapazität). Die Projektträger sollen nach den Plänen der Europäischen Kommission auch von den Mitgliedstaaten und der Kommission bei den administrativen Verpflichtungen und der Beratung zur Finanzierung unterstützt werden. Des Weiteren soll ein Projekt nur noch von einer zentralen Anlaufstelle (One-Stop-Shops) zukünftig koordiniert werden.
Der Rechtsakt legt darüber hinaus das Ziel der EU fest, bis 2030 eine jährliche Injektionskapazität von 50 Mio. Tonnen in strategischen CO2-Speicherstätten in der EU zu erreichen, wobei die Öl- und Gaserzeuger in der EU einen entsprechenden Beitrag leisten sollen. Damit soll ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung der CO2-Abscheidung und -Speicherung als wirtschaftlich tragfähige Lösung für den Klimaschutz, insbesondere für energieintensive Sektoren, beseitigt werden.
Um die Diversifizierung des Angebots für Netto-Null-Technologien zu fördern, verpflichtet das Gesetz außerdem die Behörden bei der öffentlichen Beschaffung oder bei Auktionen Kriterien für Nachhaltigkeit und Belastbarkeit für Netto-Null-Technologien zu berücksichtigen.
Zusätzlich soll die Verordnung es den Mitgliedstaaten ermöglichen Reallabore („Regulatory Sandboxes“) einzurichten, um innovative Netto-Null-Technologien zu testen und Innovationen unter flexiblen regulatorischen Bedingungen zu fördern. Zu diesen sollen insbesondere KMU einen bevorzugten Zugang erlangen.
Eine Net-Zero Europe Plattform soll die Kommission und die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Maßnahmen zu koordinieren und Informationen auszutauschen, auch im Hinblick auf industrielle Net-Zero-Partnerschaften mit anderen Ländern. Die Net-Zero Europe Plattform soll Investitionen unterstützen, indem sie den Finanzbedarf, Engpässe und bewährte Verfahren für Projekte in der gesamten EU ermittelt. Sie soll auch die Kontakte zwischen den europäischen Netto-Null-Sektoren fördern und dabei insbesondere die bestehenden Industrieallianzen nutzen.

DIHK-Bewertung:
Der „Net Zero Industry Act“ ist kein Durchbruch für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Europa. Es ist zwar gut, Genehmigungsverfahren für die Technologien rund um die Erneuerbaren Energien durch feste Zeitlimits und „One-Stop-Shops“ in der Verwaltung zu innerhalb der EU zu beschleunigen. Allerdings gibt es schon heute in Deutschland eine zentrale Verfahrensanlaufstelle und es gelten sogar kürzere Fristen nach Bundesimmissionsschutzgesetz (7 Monate). Verlängerungen ergeben sich vor allem durch Nachträge – daher sollte das Verfahren an sich verschlankt und vereinfacht werden.
Die Frist zur Genehmigung einer großen Industrieanlage beträgt vom Zeitpunkt des Einreichens vollständiger Antragsunterlagen 7 Monate (§ 10 Abs. 6a BImSchG). Allerdings verlangen die Behörden meist zusätzliche Unterlagen, weshalb die Frist praktisch meist ins Leere läuft. Für genehmigungsbedürftige Anlagen werden im Schnitt deshalb 11 Monate (vgl. NZIA 9-12 Monate). Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung dauern mit 14 Monate etwas länger. Die Zeit vor der Antragseinreichung ist jedoch in der Regel deutlich länger: im Schnitt 18 Monate vom Projektstart bis zum Einreichen der unterlagen. Insgesamt dauern Industrieprojekte vom Projektstart bis zur Genehmigung daher ca. 2 ½ Jahre. Größere neue Ansiedlungen in der Regel sehr viel länger.
Um die Wirtschaft insgesamt zukunftsfähig auszurichten, müssen Unternehmen aller Branchen und Größen schneller als bisher neue Vorhaben realisieren oder bestehende Anlagen modernisieren können. Das reicht von der Planung großer Infrastrukturvorhaben bis zur einfachen Baugenehmigung. Die Beschleunigungsmaßnahmen sollten sich daher nicht nur auf Energieinfrastrukturprojekte konzentrieren, sondern auch die anstehenden Milliardeninvestitionen in Industrie, Ver- und Entsorgung, Verkehrs-, Telekommunikations- oder Gebäudesektor berücksichtigen. Die begünstigten Rahmenbedingungen sollten daher auf alle Sektoren ausgeweitet werden, oder zumindest auf die taxonomieförderfähigen Branchen.
Zudem könnten Potenziale auch gehoben werden, indem Produktion und Genehmigungsverfahren bereits parallel laufen. Das hat bspw. auch bei dem Tesla-Werk in Berlin funktioniert.
Staatlich festgelegte Ziele zu europäischen Mindestproduktionsquoten gehen am Ziel vorbei. Unternehmen brauchen Ermutigung statt Planvorgaben. Stattdessen sollten vielmehr positive Anreize und branchenübergreifend gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Fokus stehen.
Europa muss seine wirtschaftliche Attraktivität durch Innovationen, Beschleunigung und über enge internationale Partnerschaften die internationale Arbeitsteilung weiter fördern, statt auf Abschottung zu setzen.
Um eine Abwanderung der Unternehmen zu verhindern, muss die EU zudem eine Integration im Binnenmarkt weiter vertiefen und Steuervorteile insbesondere bei Abschreibungen ermöglichen.
Die Stärkung der WTO und der Abschluss neuer Handelsabkommen sollte noch stärker von der EU vorangetrieben werden. Ein Club für kritische Rohstoffe kann die Lieferkettensicherheit für Unternehmen stärken. Dafür muss hier aber ein klares Verbot für Exportverbote mit wichtigen Lieferländern verankert werden. Auch sollte die Abwendung von einzelnen Handelspartnern keine Vorbedingung eines solchen Klubs werden. Bei der Verzahnung europäischer Exportkreditsysteme müssen die Interessen der deutschen Wirtschaft gewahrt bleiben und diese eng eingebunden werden.
Quelle: DIHK