Rechtliche Grundlagen für nachhaltige Beschaffung
Die rechtlichen Grundlagen für nachhaltige Beschaffung in Nordrhein-Westfalen bilden einen entscheidenden Rahmen, der die Vergabepraxis öffentlicher Auftraggeber prägt und damit direkte Auswirkungen auf die Geschäftschancen von Kreativunternehmen hat (vgl. nachhaltige-beschaffung.info). Für die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren elf Teilbranchen – von der Designwirtschaft über Werbung bis hin zu digitalen Medien – eröffnen diese Regelungen besondere Marktchancen im öffentlichen Sektor (vgl. land.nrw).
Die aktuellen rechtlichen Grundlagen und deren Novellierungen schaffen für Kreativunternehmen konkrete Wettbewerbsvorteile bei öffentlichen Ausschreibungen (vgl. gpanrw.de). Öffentliche Auftraggeber haben eine besondere Verantwortung aufgrund ihrer Verpflichtung zum Allgemeinwohl und müssen bei der Beschaffung mit gutem Beispiel vorangehen (vgl. vergabe.nrw.de). Dies bedeutet für Kreativunternehmen:
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Neue Marktchancen: Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeverfahren eröffnet Kreativunternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen neue Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Aufträgen (vgl. wirtschaft.nrw).
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Differenzierungspotenzial: Kreativunternehmen können sich durch nachhaltige Angebote vom Wettbewerb abheben und bei gleichem Preis den Zuschlag erhalten (vgl. vergabe.nrw.de).
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Langfristige Planungssicherheit: Die rechtlichen Vorgaben schaffen Planungssicherheit und belohnen Investitionen in nachhaltige Geschäftsmodelle (vgl. gpanrw.de).
Die Kreativwirtschaft in NRW mit ihren mehr als 315.000 Erwerbstätigen in rund 50.000 Unternehmen ist eine Schlüsselbranche der nordrhein-westfälischen Wirtschaft und trägt entscheidend zur Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit des Landes bei (vgl. land.nrw). Mit einer Bruttowertschöpfung von rund 20,5 Milliarden Euro erreicht die Kultur- und Kreativwirtschaft in NRW ähnliche Beiträge wie die Metallindustrie oder der Maschinenbau (vgl. land.nrw).
Aktuelle Novellierung der Gemeindeordnung NRW
Die Novellierung der Gemeindeordnung NRW befindet sich bereits im aktiven Gesetzgebungsverfahren. Am 11. Februar 2025 hat das Landeskabinett Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften beschlossen (vgl. cosinex.de). Der Gesetzentwurf liegt mittlerweile als Drucksache 18/13836 vor und wurde bereits in erster Lesung vom nordrhein-westfälischen Landtag behandelt (vgl. vergabeblog.de).
Der federführende Ausschuss für Heimat und Kommunales hat für den 23. Juni 2025 eine Sachverständigenanhörung anberaumt (vgl. cosinex.de). Die vergaberelevanten Teile des Entwurfs sollen bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, während andere Artikel mit Beginn der neuen Wahlperiode nach den am 14. September 2025 stattfindenden Kommunalwahlen wirksam werden (vgl. vergabeblog.de).
Zentrale Änderungen beim Vergaberecht
Der neue § 75a GO NRW „Allgemeine Vergabegrundsätze“ sieht vor, dass Gemeinden die Vergabe öffentlicher Aufträge wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz zu gestalten haben). Mit der Reform sollen alle landesrechtlichen Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren aufgehoben werden (vgl. vergabeblog.de). Dies würde bedeuten, dass Kommunen grundsätzlich erst ab Erreichen der europäischen Schwellenwerte verpflichtet wären, eine förmliche Ausschreibung durchzuführen (vgl. twobirds.com).
Die Reform orientiert sich am sogenannten „Schweizer Modell“, bei dem nicht zwangsläufig das günstigste Angebot den Zuschlag erhält, sondern das wirtschaftlichste, wobei auch Kriterien wie Qualität, Zweckmäßigkeit und Betriebskosten berücksichtigt werden können (vgl. vergabeblog.de). Dies soll Kommunen mehr Spielraum geben, um nachhaltige und qualitativ hochwertige Beschaffungen zu ermöglichen
Für Kreativunternehmen bedeutet diese Reform:
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Vereinfachter Marktzugang: Der Wegfall landesrechtlicher Wertgrenzen erleichtert besonders kleineren Kreativunternehmen den Zugang zu kommunalen Aufträgen (vgl. cosinex.de).
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Fokus auf Qualität statt Preis: Die Reform orientiert sich am „Schweizer Modell“, bei dem nicht zwangsläufig das günstigste Angebot den Zuschlag erhält, sondern das wirtschaftlichste – ein Vorteil für qualitativ hochwertige Kreativleistungen (vgl. vergabeblog.de).
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Mehr kommunale Gestaltungsfreiheit: Kommunen können eigene Vergaberegelungen per Satzungsbeschluss erlassen, was lokalen Kreativunternehmen neue Chancen eröffnet (vgl. twobirds.com).
Kommunale Vergabegrundsätze - Entfristung und Bedeutung
Mit Runderlass vom 26. November 2024 hat das Ministerium für Heimat, Bau und Digitalisierung NRW die „Kommunalen Vergabegrundsätze“ entfristet (vgl. aknw.de). Die aktuelle Version ist nunmehr nicht mehr befristet, was für Architekten und Ingenieure bedeutet, dass der Leistungswettbewerb als Vergabeform zeitlich unbegrenzt vorgeschrieben bleibt (vgl. vergabe.nrw.de). Der Leistungswettbewerb zeichnet sich dadurch aus, dass der Preis nur eines von vielen Kriterien sein kann, aber niemals das entscheidende oder gar einzige Kriterium ist. Das wesentliche Kriterium soll vielmehr die Qualität der angebotenen Leistung sein (vgl. aknw.de). Diese Regelung ist besonders für Kreativunternehmen vorteilhaft, da sie ihre Qualität und Innovationskraft in den Vordergrund stellen können (vgl. wirtschaft.nrw).
Tariftreue- und Vergabegesetz NRW (TVgG NRW)
Das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 22. März 2018 bildet eine zentrale rechtliche Grundlage für öffentliche Vergaben in NRW (vgl. vergabe.nrw.de). Es gilt für Aufträge ab einem Wert von 25.000 Euro netto und stellt sicher, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über Bau- und Dienstleistungen ein fairer Wettbewerb unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Tariftreue und Mindestlohn gewährleistet wird.
Die Neufassung des TVgG NRW hat das Gesetz auf die wesentlichen Vorschriften zurückgeführt und umfasst nur noch vier Paragraphen statt der bisherigen achtzehn. Während die Kriterien der Sozialverträglichkeit, des Umweltschutzes und der Energieeffizienz in der aktuellen Fassung nicht mehr explizit enthalten sind, bleiben diese Aspekte dennoch über andere Rechtsgrundlagen relevant.
Für Kreativunternehmen bedeutet dies konkret:
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Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns an alle Beschäftigten
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Einhaltung der Tariftreuepflicht bei der Ausführung öffentlicher Aufträge
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Übertragung dieser Pflichten auf alle Nachunternehmen in der Lieferkette
Klimaschutzgesetz NRW - Stand und Entwicklung
Das Klimaschutzgesetz NRW wurde bereits am 8. Juli 2021 als Neufassung verabschiedet (vgl. land.nrw). Mit dieser Neufassung wurden die Klimaschutzziele für Nordrhein-Westfalen erheblich verschärft: bis 2030 mindestens minus 65 Prozent, bis 2040 mindestens minus 88 Prozent und bis 2045 Treibhausgasneutralität.
Am 14. Juni 2023 hat die Landesregierung im Rahmen ihres ersten Klimaschutzpakets Eckpunkte für eine weitere Novellierung des Klimaschutzgesetzes NRW vorgelegt (vgl. land.nrw). Ziel ist es, den rechtlichen Rahmen für ambitionierten Klimaschutz weiterzuentwickeln, unter anderem soll das Klimaschutzziel für 2030 angehoben und neue Instrumente wie ein Klimaschutz-Monitoring eingeführt werden.
§ 7 des Klimaschutzgesetzes NRW verpflichtet die Landesverwaltung zu einer bilanziell klimaneutralen Verwaltung bis 2030. Dies bedeutet konkrete Geschäftschancen für Kreativunternehmen in der Kommunikation von Klimaschutzmaßnahmen, der Entwicklung klimafreundlicher Marketingkonzepte und der Gestaltung ressourcenschonender Produkte und Dienstleistungen.
Landeskreislaufwirtschaftsgesetz NRW (LKrWG)
Das seit 19. Februar 2022 geltende Landeskreislaufwirtschaftsgesetz NRW ersetzt das bisherige Landesabfallgesetz und treibt den Wandel von einer linearen Abfallwirtschaft zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft voran (vgl. ihk.de). Für Kreativunternehmen, insbesondere im Bereich Druck, Design und Produktion, ergeben sich hieraus neue Anforderungen und Chancen.
Das Gesetz verpflichtet öffentliche Auftraggeber zur nachhaltigen und kreislaufwirtschaftsfreundlichen Beschaffung. § 2 LKrWG regelt:
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Die Bevorzugung von Rezyklaten im Rahmen öffentlicher Aufträge
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Die Förderung von wiederverwendbaren Materialien und ressourcenschonenden Produkten
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Die Bevorzugung von Sekundärbaustoffen bei gleicher Eignung gegenüber Primärmaterialien
Kulturgesetzbuch NRW und Kreativwirtschaft
Das Kulturgesetzbuch NRW (KulturGB NRW) bietet mit § 19 eine wichtige rechtliche Grundlage, die explizit die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft regelt (vgl. mkw.nrw). Es verpflichtet das Land, beispielgebende künstlerische und kulturelle Vorhaben zu fördern, die einen Beitrag zur Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft leisten.
Das Kulturgesetzbuch ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten und stellt ein klares Bekenntnis des Landes zur Bedeutung der Kreativwirtschaft dar. Es schafft eine verlässliche gesetzliche Grundlage für die Kulturförderung und damit auch für die Kreativwirtschaft als wichtigen Wirtschaftszweig.
Strategischer Landeseinkauf als Marktchance
Die Landesregierung NRW hat im Juni 2023 ein Klimaschutzpaket mit 68 ressortübergreifenden Maßnahmen beschlossen. Ein zentraler Baustein ist die Entwicklung eines strategischen Landeseinkaufs, bei dem Produkte, Waren oder Dienstleistungen bewusst im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Treibhausgasvermeidung, Innovation und soziale Aspekte ausgewählt werden.
Das Land Nordrhein-Westfalen wird den Transformationsprozess zur Treibhausgasneutralität mit seinem Einkaufsvolumen von rund 60 Milliarden Euro pro Jahr unterstützen. Für Kreativunternehmen ergeben sich hieraus folgende Chancen:
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Zugang zu einem Einkaufsvolumen von rund 60 Milliarden Euro pro Jahr
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Möglichkeit, innovative und nachhaltige Kreativleistungen gezielt an öffentliche Auftraggeber zu vermarkten
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Teilnahme an der Digitalisierung aller Landesbehörden mit einem Vergabemanagementsystem inklusive Bedarfsmanagement (seit 2024)
EU-Schwellenwerte und ihre Bedeutung für Kreativunternehmen
Die EU-Schwellenwerte spielen eine entscheidende Rolle bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, da sie bestimmen, ob ein Auftrag europaweit ausgeschrieben werden muss (vgl. mwvlw.rlp.de). Für Kreativunternehmen sind insbesondere die Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungsaufträge relevant:
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221.000 EUR für allgemeine Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Stand 2024/2025)
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143.000 EUR für Liefer- und Dienstleistungsaufträge bestimmter zentraler Beschaffungsstellen (Stand 2024/2025)
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750.000 EUR für soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU
Unterhalb dieser Schwellenwerte gelten vereinfachte Vergabeverfahren, was insbesondere für kleinere Kreativunternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern kann. Mit der geplanten Novellierung der Gemeindeordnung NRW würden Kommunen grundsätzlich erst ab Erreichen dieser europäischen Schwellenwerte verpflichtet sein, eine förmliche Ausschreibung durchzuführen.
Praktische Umsetzung für Kreativunternehmen
Um bei öffentlichen Ausschreibungen erfolgreich zu sein, sollten Kreativunternehmen ihre Nachhaltigkeitsleistungen klar kommunizieren, z.B. durch Verwendung umweltfreundlicher Materialien und Produktionsprozesse, Einsatz von Recyclingpapier, Ökostrom und umweltfreundlichen Tinten bei Druckerzeugnissen oder Entwicklung energieeffizienter digitaler Lösungen mit geringem CO₂-Fußabdruck (vgl. kompass-nachhaltigkeit.de der Stadt Euskirchen).
Für eine erfolgreiche Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ist eine transparente Dokumentation der Nachhaltigkeitsleistungen entscheidend. Ab einem Auftragswert von 5.000 € (netto) ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien schriftlich zu dokumentieren, als Nachweis werden unabhängige Gütezeichen oder qualifizierte Eigenerklärungen akzeptiert.
Die Vergabe von Kreativleistungen unterliegt besonderen Herausforderungen, da kreative Angebote oft schwer vergleichbar sind. Öffentliche Auftraggeber müssen bei der Ausschreibung von Kreativleistungen besondere Aspekte berücksichtigen, wie die Gestaltung der Vergabeunterlagen und die Auswahl geeigneter Zuschlagskriterien.
Fazit
Die rechtlichen Grundlagen für nachhaltige Beschaffung in NRW bieten Kreativunternehmen vielfältige Chancen, sich als kompetente Partner für öffentliche Auftraggeber zu positionieren. Die bevorstehende Vereinfachung des kommunalen Vergaberechts durch die Novellierung der Gemeindeordnung wird insbesondere kleineren Kreativunternehmen den Zugang zu kommunalen Aufträgen erleichtern. Durch die Kenntnis und strategische Nutzung der rechtlichen Grundlagen können Kreativunternehmen ihre Wettbewerbsposition stärken und neue Geschäftsfelder im Bereich der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung erschließen (vgl. wirtschaft.nrw).