Trends 2025

Die Gesundheitswirtschaft in Nordrhein-Westfalen durchlebt 2025 eine Phase der intensiven Transformation. Digitalisierung, strukturelle Reformen, Nachhaltigkeitsziele und der anhaltende Fachkräftemangel schaffen ein komplexes Spannungsfeld aus Chancen und Herausforderungen. Führende Akteure der Branche gehen dabei neue Wege, um die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung im bevölkerungsreichsten Bundesland zu sichern.

Digitalisierung erreicht die Versorgungsrealität

Die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) markiert einen Wendepunkt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Seit dem 15. Januar 2025 läuft die Pilotphase in ausgewählten Gebieten Nordrhein-Westfalens, bevor am 29. April 2025 der bundesweite Start erfolgte. „Die Einführung der elektronischen Patientenakte kann ein Wendepunkt in der medizinischen Versorgung sein", betont Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (vgl. https://ztg-nrw.de/blog/2024/10/28/elektronische-patientenakte-fuer-alle-startet-anfang-2025/).
Die Verpflichtung zur Nutzung der ePA durch alle Leistungserbringer ab dem 1. Oktober 2025 schafft erstmals eine einheitliche digitale Datengrundlage für die Patientenversorgung.
Parallel dazu stehen die Kliniken unter dem Druck des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG). Die Frist für die Beauftragung digitaler Dienste endet am 31. Dezember 2025 – ansonsten drohen Abschläge von bis zu zwei Prozent auf die DRG-Erlöse ab 2026. Gleichzeitig zeigt das bundesweite Digitalradar positive Entwicklungen: NRW-Kliniken erreichen 44,5 von 100 möglichen Punkten beim digitalen Reifegrad und haben sich vom fünften auf den dritten Platz im Ländervergleich verbessert.
„Für die dauerhaften Kosten der Digitalisierung, beispielsweise für entsprechend qualifiziertes Personal, fehlt bisher eine ehrliche und ausreichende Refinanzierung", kritisiert Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW. Die KGNW fordert daher einen zweiprozentigen Digitalzuschlag auf alle Krankenhausrechnungen, um die Finanzierungslücke zu schließen (vgl. "Beitragsspirale nicht gestoppt": DAK-Chef nennt Haushaltsentwurf ein "Desaster" - n-tv.de).

Künstliche Intelligenz als Innovationstreiber

Das Flagship-Projekt SmartHospital.NRW unter Leitung der Universitätsmedizin Essen entwickelt KI-basierte Lösungen für die Krankenhauszukunft. Mit 14 Millionen Euro Landesförderung bis 2027 entstehen Konzepte für Krankenhäuser unterschiedlicher Digitalisierungsgrade . „KI.NRW-Leuchtturmprojekt SmartHospital.NRW bringt Nordrhein-Westfalen in eine Spitzenposition im deutschen und europäischen Gesundheitssektor", erklärte Prof. Dr. Andreas Pinkwart, der das Projekt als Digitalminister initiierte.
Die neue Ärztliche Direktorin der Universitätsmedizin Essen, Prof. Dr. Angelika Eggert, die im Juni 2025 die Nachfolge von Prof. Dr. Jochen A. Werner angetreten hat, setzt die Digitalisierungsstrategie fort.
In Bochum entwickelt das Zentrum für Künstliche Intelligenz, Medizininformatik und Datenwissenschaften (ZKIMED) der Knappschaft Kliniken bereits konkrete Anwendungen für die Praxis. Das 2022 gegründete Zentrum unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Hartmuth Nowak hat sich von einem Ein-Mann-Betrieb zu einem Team von 14 Mitarbeitern mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen entwickelt. Die Mitarbeiter aus Medizin, Informatik und Ernährungswissenschaft arbeiten gemeinsam an der Entwicklung von KI-Algorithmen zur Früherkennung von Komplikationen und zur individualisierten Therapie.
Der besondere Ansatz des ZKIMED liegt in der direkten Anwendung in der Versorgung: „Wir sind ein KI-Zentrum mit Start-up Charakter, das direkt innerhalb der Versorgung arbeitet. Wir entwickeln also in der Klinik für die Klinik, was direkt bei der Patientin und dem Patienten ankommt", betont Nowak (vgl. https://www.knappschaft-kliniken.de/news/articles/der-digitalbeirat-nrw-zu-gast-in-den-knappschaft-kliniken-universitaetsklinikum-bochum.php). In ersten Fällen konnte das Team bereits bei der Sepsis-Behandlung durch KI-gestützte Analysen individualisierte Therapieansätze entwickeln, die Patienten helfen, die sonst möglicherweise gestorben wären.

Strukturreform verändert die Kliniklandschaft

Der neue Krankenhausplan NRW, der am 1. April 2025 in Kraft getreten ist, leitet eine fundamentale Neuausrichtung der Kliniklandschaft ein. Erstmals erfolgt die Planung nicht nach Bettenzahlen, sondern nach Leistungsgruppen mit klaren Qualitätsstandards. „Mit dem neuen Krankenhausplan haben wir die Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen anhand des tatsächlichen Bedarfs, klaren Qualitätsstandards und eindeutigen Erreichbarkeitsvorgaben solide und zukunftsfähig aufgestellt", betont Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (vgl. https://www.land.nrw/pressemitteilung/minister-laumann-zum-inkrafttreten-der-neuen-krankenhausplanung-wir-staerken-die).
Der Plan führt zu einer Spezialisierung der Kliniken: 54 von 64 Leistungsgruppen können nur noch von Krankenhäusern angeboten werden, denen diese im Feststellungsbescheid zugewiesen wurden. Diese Strukturveränderung soll den „ruinösen Wettbewerb zwischen den Kliniken um Fallzahlen und Personal" beenden und die Behandlungsqualität verbessern.
Zur Umsetzung dieser Transformation stellt das Land insgesamt 2,5 Milliarden Euro in dieser Wahlperiode bereit. Im April 2025 wurden weitere Förderbescheide über 500 Millionen Euro an zwölf Krankenhäuser vergeben.
Ergänzend wird der neue Krankenhaustransformationsfonds mit bis zu 50 Milliarden Euro über zehn Jahre Umstrukturierungsprozesse, telemedizinische Netzwerke und digitale Infrastruktur fördern.

Pflegekräftemangel erreicht kritische Dimension

Die Pflegekammer NRW warnt vor einer „massiven Unterversorgung mit Pflegefachpersonen" in den kommenden Jahren. „Wir können anhand der Datenlage sagen, dass fast zweimal mehr Pflegefachpersonen in Rente gehen als an Nachwuchs in den Gesundheitsmarkt kommen", erklärt Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW (vgl. https://www.pflegekammer-nrw.de/massive-unterversorgung-mit-pflegefachpersonen-droht/) . Besonders betroffen sind zehn Kommunen, in denen dreimal mehr Pflegefachpersonen in Rente gehen als neue Nachwuchskräfte eintreten.
Dennoch zeigen die Ausbildungszahlen positive Entwicklungen: 2023 gab es 17.439 Ausbildungseintritte in der Pflegefachkraft-Ausbildung – ein Plus von 10,1 Prozent gegenüber 2020
„Die vorliegende Landesberichterstattung zeigt für Nordrhein-Westfalen eine positive Entwicklung bei den Ausbildungskennzahlen – das ist ein wichtiges und ermutigendes Zeichen", kommentiert Minister Laumann diese Entwicklung.


Nachhaltigkeit als strategische Herausforderung

Die Initiative „Klimaneutrales Krankenhaus" der KGNW hat sich das Ziel gesetzt, alle 315 Plankrankenhäuser in NRW bis 2045 klimaneutral zu betreiben. Das Qualifizierungsprogramm „KLIK green NRW" schult Klinikbeschäftigte zu Klimaschutzmanagern und wird von 2023 bis 2028 durchgeführt. Studien des Wuppertal Instituts haben zehn Maßnahmenfelder identifiziert, mit denen die Klimaziele erreicht werden können – von der energetischen Sanierung über die Umstellung auf erneuerbare Energien bis hin zur Optimierung der Abfallwirtschaft.
Die Transformation erfordert jedoch massive Investitionen. Ein Gutachten des hcb Institute for Health Care Business beziffert den bundesweiten Investitionsbedarf auf eine zweistellige Milliardensumme. NRW-Klimaschutzministerin Mona Neubaur erklärte dazu: „Die Transformation von Krankenhäusern hin zur Klimaneutralität spielt eine immens wichtige Rolle. Hier geht es um mehr als nur die Defossilisierung der eingesetzten Energieträger".


Telemedizin als Brückentechnologie

Die Telemedizin hat sich in NRW als essentieller Baustein der Gesundheitsversorgung etabliert. Das Virtuelle Krankenhaus NRW, das als deutschlandweit erste Plattform für die flächendeckende digitale Vernetzung ärztlicher Expertise geschaffen wurde, beendete seine Pilotphase Ende 2024 mit einem beeindruckenden Erfolg: Über 5.000 Telekonsile wurden durchgeführt und konnten dabei nachweislich die Patientenversorgung verbessern. Bei schwer an COVID-19 erkrankten Patienten konnte eine gegenüber dem Bundesdurchschnitt rund 20 Prozent niedrigere Sterblichkeitsrate bei beatmeten Patienten erreicht werden (vgl. https://virtuelles-krankenhaus.nrw/messbarer-patientennutzen-durch-ein-intensiv-medizinisches-digitales-versorgungsnetzwerk/).
Das Fundament für diese Erfolge legte das Projekt TELnet@NRW, das von 2017 bis 2020 als europaweit größte telemedizinische Studie mit 17 Partnerkrankenhäusern durchgeführt wurde. Das Innovationsfonds-Projekt schloss mehr als 150.000 Patienten ein und demonstrierte messbare Verbesserungen in der Behandlungsqualität sowohl einrichtungs- als auch sektorenübergreifend.

Das Land NRW setzt die Förderung der Telemedizin fort: Jährlich stellt es zwei Millionen Euro für telemedizinische Infrastruktur, Videosprechstunden und eHealth-Fortbildungen zur Verfügung (vgl. https://www.land.nrw/pressemitteilung/zwei-millionen-euro-fuer-telemedizin-der-ambulanten-patientenversorgung). Dabei geht es nicht nur um die Technologie selbst, sondern auch um die Schaffung von Netzwerken, die Spezialwissen flächendeckend verfügbar machen. Die Krankenhausreform bietet nun die Möglichkeit, telemedizinische Strukturen gezielt über den Krankenhaustransformationsfonds zu finanzieren und so die Versorgung in ländlichen Gebieten zu stabilisieren.
Zusätzlich sind alle Pflegeeinrichtungen in NRW seit dem 1. Juli 2025 verpflichtet, an die Telematikinfrastruktur angeschlossen zu sein und Zugriff auf die elektronische Patientenakte zu ermöglichen. Diese Anbindung schafft die Basis für erweiterte telemedizinische Anwendungen in der ambulanten und stationären Pflege.

Startup-Ökosystem als Innovationsmotor

Das Startup-Ökosystem für digitale Gesundheit in NRW hat sich rasant entwickelt: Von 70-80 Digital Health Startups im Jahr 2020 auf 120 Unternehmen 2022. Die Konzentration liegt in den Ballungszentren Köln, Düsseldorf und Bielefeld, wobei sich die Produktpalette von Personalrekrutierung über Weiterbildung bis hin zu digitalen Gesundheitsanwendungen für Prävention und Therapie erstreckt.
Das Projekt DigiHealthStart.NRW der Ruhr-Universität Bochum fungiert als zentrale Plattform und läuft bis Ende 2025. Es bietet Unterstützung, Vernetzung und Schulungen für Startups und formuliert Empfehlungen für Politik und Wirtschaft (https://www.gesundheit-digital.nrw/projekte/health-startup-2025). Auf der DMEA 2024 präsentierten sich sechs ausgewählte NRW-Startups, darunter Teresa.AI (Sprachassistentin für Senioren), docport (Praxisverwaltung) und Nutriloste (App gegen Mangelernährung bei Krebs).
Die größten Herausforderungen liegen beim Marktzugang und der Finanzierung: 58 Prozent der Gründer finanzieren sich privat, während 81 Prozent an Förderprogrammen teilnehmen. Ergänzend unterstützt Scale-up.NRW bereits etablierte Startups wie Dermanostic (telemedizinische Hautkrebsvorsorge) und Physec (sichere IoT-Kommunikation). Das Ziel: NRW als führender Innovationsstandort für Gesundheitsstartups in Deutschland zu etablieren.

Ausblick: Transformation als Daueraufgabe

Die Trends des Jahres 2025 zeigen, dass die Gesundheitswirtschaft in NRW vor einem fundamentalen Wandel steht. Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten für Effizienz und Qualität, während strukturelle Reformen die Kliniklandschaft neu ordnen. Gleichzeitig erfordern Nachhaltigkeit und Personalknappheit langfristige Lösungsansätze. „Eine am Menschen orientierte, hochwertige gesundheitliche und pflegerische Versorgung erfordert vor allem gut ausgebildetes und motiviertes Fachpersonal", fasst Minister Laumann die zentrale Herausforderung zusammen.
Die erfolgreiche Bewältigung dieser Transformation entscheidet über die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung in Nordrhein-Westfalen. Die Initiative der politischen und wirtschaftlichen Akteure sowie die Innovationskraft der Branche lassen jedoch optimistisch in die Zukunft blicken – auch wenn der Weg noch steinig ist.