Regulatorische Hürden und Bürokratie
Regulatorische und bürokratische Hürden in der deutschen Gesundheitswirtschaft
Die deutsche Gesundheitswirtschaft steht vor zahlreichen regulatorischen und bürokratischen Herausforderungen, die den Fortschritt in verschiedenen Bereichen des Gesundheitssystems hemmen. Diese Hürden beeinflussen die Innovationsfähigkeit der Branche, den Zugang zu modernen Technologien sowie die wirtschaftliche Stabilität von Gesundheitsunternehmen. Insbesondere durch neue gesetzliche Regelungen wie die Medizinprodukteverordnung (MDR) und andere strenge Auflagen wird der Druck auf Unternehmen und Leistungserbringer erhöht.
Ein Überblick über beispielhaft herausgestellte Probleme und ihre Auswirkungen zeigt, dass Reformen dringend notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der deutschen Gesundheitswirtschaft zu gewährleisten.
1. Medizinprodukteverordnung (MDR)
Eine der bedeutendsten regulatorischen Veränderungen der letzten Jahre stellt die Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation – MDR) dar, die seit dem 26. Mai 2021 in vollem Umfang gilt. Die MDR hat die bisherigen Richtlinien für Medizinprodukte (93/42/EWG) und aktive implantierbare medizinische Geräte (90/385/EWG) vollständig ersetzt und bringt deutlich verschärfte Anforderungen an die Zulassung und Überwachung dieser Produkte mit sich
Wichtig: Die oft genannten Daten 2027 und 2028 beziehen sich nicht auf das Inkrafttreten der MDR, sondern auf die verlängerten Übergangsfristen für bereits bestehende Produkte (Legacy Devices), die ursprünglich unter den alten Richtlinien zertifiziert wurden
Diese gestaffelten Übergangsfristen wurden aufgrund von Kapazitätsengpässen bei benannten Stellen und zur Vermeidung von Produktmangel eingeführt.
Ziel der MDR ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen und die Qualität von Medizinprodukten europaweit zu verbessern. Allerdings sind die damit verbundenen bürokratischen Anforderungen für viele Hersteller eine erhebliche Belastung geworden.
Zentrale Herausforderungen der MDR in der praktischen Umsetzung:
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Kostendruck und Ressourcenaufwand: Hersteller von Medizinprodukten müssen erhebliche finanzielle Mittel und personelle Ressourcen aufwenden, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Dies betrifft insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, die oft nicht über die nötigen Kapazitäten verfügen.
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Engpässe bei Benannten Stellen: Eine weitere kritische Hürde ist die begrenzte Zahl an „Benannten Stellen", die die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten durchführen dürfen. Dadurch entstehen erhebliche Verzögerungen in der Zertifizierung neuer Produkte, was die Markteinführung innovativer Lösungen verzögert und teilweise zum Rückzug von Produkten vom Markt führt.
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Erhöhte Dokumentationspflichten: Unternehmen sind verpflichtet, umfangreiche technische Dokumentationen, klinische Bewertungen und Risikoanalysen vorzulegen, die strenge Auflagen erfüllen müssen. Dies führt zu einer deutlichen Zunahme des bürokratischen Aufwands und längeren Entwicklungszyklen.
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Verschärfte Klassifizierungsregeln: Die MDR hat die Risikoklassifizierung überarbeitet, wodurch viele Produkte in höhere Risikoklassen eingestuft werden und entsprechend strengere Zertifizierungsverfahren durchlaufen müssen.
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Unique Device Identification (UDI): Die verpflichtende Einführung des UDI-Systems für die eindeutige Produktidentifikation stellt zusätzliche technische und administrative Anforderungen.
Die MDR hat bereits dazu geführt, dass viele Unternehmen die Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte verzögern oder ganz einstellen, weil die Kosten und der Aufwand zu hoch sind. Dies wirkt sich negativ auf die Innovationskraft der Branche aus und schränkt den Zugang zu neuen Behandlungsmethoden für Patienten ein. Besonders problematisch ist, dass bereits etablierte und bewährte Medizinprodukte vom Markt genommen werden mussten, wenn ihre Hersteller die neuen Anforderungen nicht rechtzeitig erfüllen konnten.
Ausblick und Empfehlungen
Unternehmen, die noch Legacy Devices unter den verlängerten Übergangsfristen vermarkten, sollten die verbleibende Zeit bis 2027/2028 intensiv nutzen, um ihre Produkte vollständig auf die MDR umzustellen. Die Übergangsfristen sind definitiv und werden voraussichtlich nicht erneut verlängert.
Derzeit findet eine Evaluierung statt in der sich die IHKn über das DIHK für eine angmessenerer Verfahrungsweise stark machen. Trotzdem sollten sich alle Hersteller darauf einstellen, dass die strengen MDR-Anforderungen dauerhaft bestehen bleiben und entsprechende Ressourcen für die kontinuierliche Compliance eingeplant werden müssen.
Derzeit findet eine Evaluierung statt in der sich die IHKn über das DIHK für eine angmessenerer Verfahrungsweise stark machen. Trotzdem sollten sich alle Hersteller darauf einstellen, dass die strengen MDR-Anforderungen dauerhaft bestehen bleiben und entsprechende Ressourcen für die kontinuierliche Compliance eingeplant werden müssen.
2. Zulassungsverfahren für Medikamente
Ein weiteres Beispiel für regulatorische Hürden sind die strengen Zulassungsverfahren für neue Medikamente. In Deutschland und der EU müssen Arzneimittel einen langwierigen und teuren Zulassungsprozess durchlaufen, der von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bzw. dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überwacht wird. Diese Verfahren sind zwar wichtig für die Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamenten, sie verursachen jedoch erhebliche Verzögerungen bei der Einführung neuer Therapien.
Kernprobleme im Zulassungsverfahren:
- Zeitintensive Verfahren: Die Marktzulassung neuer Medikamente kann mehrere Jahre dauern. Gerade in Bereichen wie der Onkologie oder bei seltenen Erkrankungen, wo dringender Bedarf an neuen Therapien besteht, stellt dies ein erhebliches Problem dar.
- Klinische Studien: Auch die Anforderungen an klinische Studien sind hoch. Diese müssen oft in mehreren Phasen durchgeführt werden und erfordern große Patientengruppen sowie eine umfangreiche Dokumentation der Ergebnisse. Dies erschwert insbesondere kleineren Pharmaunternehmen den Marktzugang.
3. Bürokratische Belastung im Krankenhaussektor
Die Krankenhäuser in Deutschland sehen sich mit einer Vielzahl bürokratischer Anforderungen konfrontiert, die ihre Arbeit erheblich erschweren. Dazu gehören beispielsweise die strikten Vorgaben zur Dokumentation von Behandlungen, die Abrechnung mit den Krankenkassen und die Einhaltung von Hygienevorschriften. Der Verwaltungsaufwand ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, was zu einer Überlastung des Personals führt und die eigentliche Patientenversorgung beeinträchtigt.
Zentrale Probleme:
- Abrechnung und Kodierung: Krankenhäuser müssen komplexe Abrechnungssysteme bedienen, um Leistungen mit den Krankenkassen abzurechnen. Fehler in der Kodierung führen oft zu Streitigkeiten und Verzögerungen bei der Erstattung.
- Überlastung des Pflegepersonals: Durch den hohen Dokumentationsaufwand bleibt dem Pflegepersonal weniger Zeit für die direkte Patientenbetreuung. Dies verschärft den ohnehin bestehenden Fachkräftemangel im Pflegebereich.
- Investitionsstaus: Viele Krankenhäuser leiden unter einem Investitionsstau, da die Finanzierung der Digitalisierung und Modernisierung von Infrastrukturen oft durch bürokratische Hürden verzögert wird.
4. Auflagen im Bereich Datenschutz (DSGVO)
Die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat auch im Gesundheitswesen zu zusätzlichen bürokratischen Anforderungen geführt. Der Schutz sensibler Patientendaten ist zweifellos von großer Bedeutung, jedoch führt die Umsetzung der DSGVO in der Praxis oft zu Unsicherheiten und einem erheblichen Mehraufwand bei der Datenverarbeitung.
Konkrete Herausforderungen:
- Dokumentations- und Nachweispflichten: Gesundheitseinrichtungen müssen umfangreiche Datenschutzkonzepte erstellen und den Umgang mit personenbezogenen Daten detailliert dokumentieren.
- Komplexe Anforderungen für digitale Anwendungen: Der Einsatz von Telemedizin oder elektronischen Patientenakten wird durch strenge Datenschutzauflagen erschwert. Die Sorge vor Verstößen und hohen Strafen bremst die Digitalisierung in diesem Bereich.
5. Innovationshemmnisse durch starre Regulierungen
Strikte Regulierungen behindern auch den Einsatz neuer Technologien im Gesundheitswesen, insbesondere bei der Digitalisierung und Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI). Innovative Ansätze, wie der Einsatz von KI bei Diagnosen oder die Nutzung von Big Data in der Forschung, werden durch bürokratische Vorgaben oft gebremst.
Innovationshemmnisse:
- Langwierige Genehmigungsverfahren: Neue Technologien müssen umfangreiche Genehmigungsverfahren durchlaufen, bevor sie im klinischen Alltag genutzt werden dürfen.
- Regulatorische Unsicherheit: Oft sind die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht auf neue Technologien ausgerichtet, was zu rechtlichen Unsicherheiten und Verzögerungen führt.
Fazit
Die regulatorischen und bürokratischen Hürden in der deutschen Gesundheitswirtschaft stellen eine erhebliche Herausforderung dar. Sie verlangsamen die Einführung neuer Technologien, belasten die Unternehmen finanziell und personell und können den Zugang zu modernen medizinischen Produkten und Dienstleistungen für Patienten einschränken. Besonders die strengen Anforderungen durch die MDR, die komplexen Zulassungsverfahren für Medikamente und die datenschutzrechtlichen Auflagen bremsen die Innovationskraft der Branche. Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gesundheitswirtschaft zu sichern und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten, sind dringend Reformen nötig, die bürokratische Prozesse vereinfachen und gleichzeitig hohe Sicherheits- und Qualitätsstandards beibehalten.
Als IHKn setzen wir uns dafür ein, bürokratische Entlastungen zu erzielen und pragmatische Handhabungen einzuführen. So konnten wir mit der Positionierung über die DIHK (von Positionierungspapieren bis hierhinzu Handlungsempfehlungen) im Fall der MDR erwirken, dass die Fristen zunächst verlängert wurden. Wir setzen uns weiterhin aktiv für Verbesserungen und Anpassungen ein, um die negativen Auswirkungen auf die deutsche und europäische Gesundheitsbranche zu minimieren und gleichzeitig die Patientensicherheit zu gewährleisten.
Sie „plagen“ sich ebenfalls mit Auflagen und suchen nach Lösungen? Sprechen Sie mit uns, damit wir gemeinsam diese Anliegen angehen können.