Die elektronische Patientenakte (ePA)
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist seit dem 1. Januar 2021 Teil der Telematikinfrastruktur des deutschen Gesundheitswesens. Sie soll es Versicherten ermöglichen, medizinisch relevante Dokumente wie Befunde, Arztbriefe, Laborwerte, Impf- und Medikationsdaten digital zu verwalten und Leistungserbringern kontrolliert zugänglich zu machen. Gesetzliche Grundlage ist § 341 ff. Sozialgesetzbuch V (SGB V); umgesetzt wird die ePA durch die Krankenkassen in technischer Verantwortung der gematik GmbH.
Funktion und Zielsetzung
Die ePA verfolgt drei zentrale Ziele:
Verbesserung der Informationsverfügbarkeit in der Versorgung
Vermeidung von Doppeluntersuchungen und Medikationsfehlern
Stärkung der informierten Patient*innenrolle.
Vermeidung von Doppeluntersuchungen und Medikationsfehlern
Stärkung der informierten Patient*innenrolle.
Die Akte ist "versichertengeführt", d. h. Versicherte steuern über ihre Krankenkassen-App, welche Daten gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Zugriff ist grundsätzlich nur im Behandlungskontext erlaubt – d. h. in der Regel nach Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte in Verbindung mit einem Heilberufsausweis auf Seiten der Praxis.
Seit Januar 2025 wird die ePA im sogenannten Opt-out-Verfahren eingeführt: Alle gesetzlich Versicherten erhalten automatisch eine Akte, sofern sie nicht widersprechen. Damit einher geht eine neue Verpflichtung: Ab dem 1. Oktober 2025 müssen alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen bestimmte medizinische Informationen elektronisch in der ePA dokumentieren – sofern der oder die Versicherte dem nicht widersprochen hat.
Konkret umfasst diese Verpflichtung alle Vertragsärztinnen und -ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten, Apotheken sowie Krankenhäuser. Pflegeeinrichtungen sind derzeit nicht explizit einbezogen – obwohl sie vielfach Teil komplexer Versorgungsprozesse sind. Für eine vollständige sektorenübergreifende Digitalisierung wird eine spätere Einbindung diskutiert, ist jedoch gesetzlich bislang nicht vorgesehen.
Technische Umsetzung und Anforderungen
Für Leistungserbringer ist die Nutzung der ePA mit technischen Voraussetzungen verbunden. Erforderlich ist die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI), deren Kernbestandteile sind:
ein zugelassener Konnektor (stationär oder TI-as-a-Service),
ein Praxisverwaltungssystem (PVS) mit ePA-Modul (zugelassen durch gematik),
ein Heilberufsausweis (HBA) zur Authentifizierung,
und ein elektronischer Institutionsausweis (SMC-B).
Für niedergelassene Praxen entstehen dadurch Kosten für Konnektor, PVS-Erweiterung, ggf. Kartenterminal sowie regelmäßige Wartung und Updates. Die Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten über die gesetzlichen Regelungen (§ 378 SGB V) eine Refinanzierungspauschale für Ausstattung und Betrieb, allerdings mit Begrenzungen. Auch der laufende Support liegt in der Verantwortung der Praxis-IT-Dienstleister.
Für Patientinnen und Patienten erfolgt der Zugang zur ePA primär über die App der jeweiligen Krankenkasse. Die Bedienung setzt eine NFC-fähige Gesundheitskarte und ein Mobilgerät mit Identifizierungsverfahren (z. B. Video-Ident oder eID) voraus. Perspektivisch sollen alternative Zugänge (z. B. über Webportale oder zentrale Gesundheits-ID) standardisiert werden.
Herausforderungen bei Einführung und Nutzung
Die geplante vollständige Nutzungspflicht ab Oktober 2025 ist ein ehrgeiziger Meilenstein, aber auch eine Belastungsprobe. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass technische Reife, Schulung, Schnittstellen und Interoperabilität nicht selbstverständlich sind. Der Aufbau einer einheitlichen digitalen Datengrundlage stellt insbesondere kleinere Praxen und Kliniken vor logistische und personelle Herausforderungen. Probleme mit nicht integrierten PVS-Systemen, Sicherheitsbedenken und heterogene App-Lösungen auf Seiten der Krankenkassen erschweren eine reibungslose Implementierung.
Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Systemgrenzen: Die derzeit nicht verpflichtende Einbindung von Pflegeeinrichtungen führt dazu, dass ein wesentlicher Teil der Versorgung – insbesondere im geriatrischen und palliativen Bereich – nicht unmittelbar digital angeschlossen ist. Auch in Mehrversorgungsstrukturen (etwa mit ambulant betreuten Wohneinheiten oder sektorenübergreifender Koordination) entstehen dadurch Lücken in der digitalen Dokumentation.
Zudem gab es zuletzt Diskussionen um die Datensicherheit: Ende 2024 wurden Schwachstellen im Zugriffsverfahren öffentlich gemacht. Zwar wurden diese vor dem flächendeckenden Roll-out im April 2025 nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums technisch behoben – der Vorfall hat aber deutlich gemacht, dass das Vertrauen in die Sicherheit der digitalen Infrastruktur stetig gepflegt werden muss.
Bewertung und Ausblick
Trotz berechtigter Kritik und holpriger Umsetzung ist die elektronische Patientenakte ein notwendiger und zukunftsweisender Baustein für eine digital vernetzte Gesundheitsversorgung. Sie schafft die strukturellen Voraussetzungen für eine koordinierte, datengestützte und patientenzentrierte Behandlung – nicht nur im Akutfall, sondern auch in chronischen Verläufen, Prävention und Rehabilitation.
Der Erfolg der ePA hängt entscheidend davon ab, ob technologische Reife, regulatorische Klarheit und echte Mehrwerte in der Versorgung zusammenfinden. Dafür ist ein kontinuierlicher Lernprozess erforderlich – insbesondere mehr Transparenz über die technische und organisatorische Weiterentwicklung, gerade im Umgang mit Problemen.
Die ePA ist kein fertiges Produkt, sondern ein wachsendes System. Ihre Wirksamkeit wird sich nicht an Einzelaspekten, sondern an der Summe der Verbesserungen im Versorgungsalltag messen lassen. Entscheidend ist, dass digitale Infrastruktur als verlässlicher Teil moderner Versorgung erlebt wird – mit Nutzen für Patientinnen und Patienten, für Leistungserbringer und für das Gesundheitssystem insgesamt.