FAQ zu Umgang mit Benannten Stellen
- Was ist eine Benannte Stelle und wie unterscheidet sie sich von Behörden?
- Wann muss ich zwingend eine Benannte Stelle einbeziehen?
- Darf ich für ein Produkt mehrere Benannte Stellen gleichzeitig beauftragen?
- Wie läuft die Erstzertifizierung durch eine Benannte Stelle im Detail ab?
- Was prüft eine Benannte Stelle im laufenden Betrieb?
- Welche Unterlagen muss ich der Benannten Stelle vorlegen?
- Wie läuft ein Wechsel der Benannten Stelle ab und was ist dabei zu beachten?
- Was passiert, wenn eine Benannte Stelle die Zulassung verliert?
- Wie erkenne ich auf dem Produkt, ob eine Benannte Stelle beteiligt war?
- Welche Aufgaben hat die Benannte Stelle beim Vigilanzsystem?
- Wie ist die Benannte Stelle geregelt und wer überwacht sie?
- Welche Benannte Stelle ist „die richtige“ für mein Produkt?
- Was kostet eine Benannte Stelle und wie sind die Kosten strukturiert?
- Wie werden Streitfälle oder Einsprüche mit einer Benannten Stelle geklärt?
- Was passiert, wenn Änderungen am Produkt vorgenommen werden?
- Kann ich die Benannte Stelle innerhalb der Produktlebensdauer wechseln?
- Kann eine Benannte Stelle bestimmte Produktgruppen ablehnen?
- Welche Anforderungen gelten an die Unabhängigkeit?
- Was prüft die Benannte Stelle zum Qualitätsmanagement?
- Welche Bedeutung hat die NANDO-Datenbank?
- Müssen von der Benannten Stelle ausgestellte Zertifikate öffentlich zugänglich sein?
- Wie oft finden Überwachungsaudits statt?
- Welche Rolle haben Benannte Stellen in der Marktüberwachung?
- Kann ich einen Antrag an mehrere Benannte Stellen stellen, um Wartezeiten zu verkürzen?
- Wo finde ich tagesaktuelle Änderungen und behördliche Hinweise?
Was ist eine Benannte Stelle und wie unterscheidet sie sich von Behörden?
Eine Benannte Stelle (Notified Body) ist eine privatwirtschaftliche Institution, die von den zuständigen Behörden eines EU-Mitgliedstaats nach einem umfangreichen Prüfverfahren zugelassen wurde. Sie darf – im Gegensatz zu Behörden wie dem BfArM – hoheitliche Aufgaben wie die Überprüfung von Qualitätsmanagementsystemen, technischer Dokumentation und die Zertifizierung bei Medizinprodukten übernehmen. Sie ist jedoch keine Behörde und unterliegt ständiger behördlicher Aufsicht, insbesondere durch die ZLG in Deutschland.
Wann muss ich zwingend eine Benannte Stelle einbeziehen?
Sobald Ihr Produkt in eine höhere Risikoklasse (Is, Im, IIa, IIb, III nach MDR oder Klasse B-D bei IVD) fällt, ist das Einbeziehen einer Benannten Stelle im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahrens verpflichtend. Nur Produkte der einfachen Klasse I ohne Steril- oder Messfunktion dürfen ohne Benannte Stelle eigenverantwortlich vom Hersteller zertifiziert werden.
Darf ich für ein Produkt mehrere Benannte Stellen gleichzeitig beauftragen?
Nein. Für dasselbe Konformitätsbewertungsverfahren eines spezifischen Produkts darf jeweils nur eine Benannte Stelle verantwortlich sein. Es ist jedoch zulässig, dass verschiedene Produkte desselben Herstellers von verschiedenen geeigneten Benannten Stellen zertifiziert werden, oder dass – bei Wechsel – die Aufgabe an eine neue Benannte Stelle übergeben wird. Simultane Zertifizierungen desselben Produkts für denselben Zweck sind untersagt.
Wie läuft die Erstzertifizierung durch eine Benannte Stelle im Detail ab?
Nach Auswahl und Antrag prüft die Benannte Stelle zunächst alle zugrunde liegenden Dokumente zum Produkt (Risikoanalyse, Gebrauchsanweisung, technische Unterlagen). Anschließend findet mindestens ein Audit am Herstellerstandort statt. Hier überprüft die Benannte Stelle vor Ort das Qualitätsmanagementsystem (oft nach ISO 13485). Nach positiver Bewertung wird das entsprechende Zertifikat ausgestellt, das die Grundlage für die CE-Kennzeichnung ist.
Was prüft eine Benannte Stelle im laufenden Betrieb?
Auch nach der Erstzertifizierung finden jährliche Überwachungsaudits statt. Mindestens einmal pro Zertifizierungszyklus wird ein unangekündigtes Audit durchgeführt. Dabei werden etwa korrektive und präventive Maßnahmen, die Aktualität der technischen Dokumentation oder Veränderungen an Produkten/Prozessen geprüft. Es können auch stichprobenhaft Produkte aus Marktüberwachung getestet werden.
Welche Unterlagen muss ich der Benannten Stelle vorlegen?
- Vollständige technische Dokumentation (u. a. gemäß Anhang II und III MDR)
- Prozess- und QM-Unterlagen (z. B. nach EN ISO 13485)
- Gebrauchsanweisungen und Konformitätserklärung
- Risikomanagementakte
- Evidenz zu klinischer Bewertung/Leistung
Wie läuft ein Wechsel der Benannten Stelle ab und was ist dabei zu beachten?
Bei Wechsel muss die neue Benannte Stelle alle relevanten Vorakten, Berichte und Zertifikate von der alten übernehmen. Zeitweise gültige Zertifikate dürfen nicht „doppelt“ laufen. Während des Wechsels darf das Produkt nur weiter vermarktet werden, wenn eine kontinuierliche Konformitätsbewertung gesichert ist. Der Wechsel ist zwingend anzuzeigen.
Was passiert, wenn eine Benannte Stelle die Zulassung verliert?
Alle durch diese Benannte Stelle ausgestellten Zertifikate verlieren nach einer Übergangsfrist ihre Gültigkeit. Hersteller müssen umgehend eine neue Benannte Stelle beauftragen und das Produkt neu zertifizieren lassen.
Wie erkenne ich auf dem Produkt, ob eine Benannte Stelle beteiligt war?
Wurde eine Benannte Stelle eingebunden, ist ihre vierstellige Kennnummer direkt neben dem CE-Kennzeichen angebracht (z. B. CE 0123).
Welche Aufgaben hat die Benannte Stelle beim Vigilanzsystem?
Benannte Stellen kontrollieren, ob Hersteller über geeignete Prozesse zur Marktüberwachung (Post-Market Surveillance) und ein Meldesystem für Vorkommnisse verfügen. Sie prüfen die Umsetzung in Audits und verlangen ggf. Nachbesserungen.
Wie ist die Benannte Stelle geregelt und wer überwacht sie?
Die Benennungs- und Überwachungsfunktion hat in Deutschland die ZLG (Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz). Sie prüft regelmäßig, ob eine Benannte Stelle neutral, kompetent und regelkonform arbeitet. Verstöße werden sanktioniert.
Welche Benannte Stelle ist „die richtige“ für mein Produkt?
Sie muss für Ihr Produkt und das gewählte Verfahren in der NANDO-Datenbank gelistet sein, den passenden Geltungsbereich („Scope“) abdecken und frei von Interessenkonflikten sein. Praxisnähe (Sprache, Erreichbarkeit) und Erfahrung, insbesondere bei Spezialprodukten, sollten Sie mitberücksichtigen.
Was kostet eine Benannte Stelle und wie sind die Kosten strukturiert?
Es gibt keine gesetzliche Gebührenordnung; Preise richten sich nach Komplexität, Audit-Umfang und Reiseaufwand. Anforderungen an Transparenz sind durch die MDR/en IVDR verpflichtend.
Wie werden Streitfälle oder Einsprüche mit einer Benannten Stelle geklärt?
Zunächst gibt es interne Beschwerdeverfahren; bleibt eine Konfliktlösung aus, ist die benennende Behörde (Deutschland: ZLG) Ansprechpartner, in letzter Instanz Gerichte.
Was passiert, wenn Änderungen am Produkt vorgenommen werden?
Wesentliche Änderungen (bspw. neue Anwendungsgebiete, Materialwechsel) müssen der Benannten Stelle gemeldet werden. Diese prüft, ob eine erneute oder ergänzende Zertifizierung erforderlich ist. Nichtanzeige kann zum Verlust der Konformität führen.
Kann ich die Benannte Stelle innerhalb der Produktlebensdauer wechseln?
Ja, z. B. bei Beendigung des Vertrages oder nach Verlust der Akkreditierung – dabei ist der vollständige Nachweis der lückenlosen Konformität und Überwachung Pflicht.
Kann eine Benannte Stelle bestimmte Produktgruppen ablehnen?
Ja. Sind Fachkompetenz oder Prüfkapazität nicht ausreichend vorhanden oder liegt das Produkt nicht im Scope, kann die Benannte Stelle den Auftrag ablehnen.
Welche Anforderungen gelten an die Unabhängigkeit?
Sie muss organisatorisch und finanziell unabhängig vom Hersteller und Interessenträgern sein und darf keine Beratungsleistungen zu den von ihr geprüften Produkten erbringen.
Was prüft die Benannte Stelle zum Qualitätsmanagement?
Sie fordert ein zertifiziertes QM-System auf Basis der EN ISO 13485, prüft Einrichtung, Anwendung und Wirksamkeit des Systems und erwartet Nachweise zur kontinuierlichen Verbesserung.
Welche Bedeutung hat die NANDO-Datenbank?
Dort werden alle in der EU offiziell benannten Stellen mit ihren Geltungsbereichen und Kennnummern veröffentlicht. Die Datenbank ist Ihr zentrales Recherche-Instrument.
Müssen von der Benannten Stelle ausgestellte Zertifikate öffentlich zugänglich sein?
Nein, aber Hersteller müssen sie auf Anfrage bereithalten. Bei schwerwiegenden Vorkommnissen informieren Behörden ggf. öffentlich.
Wie oft finden Überwachungsaudits statt?
Mindestens jährlich, Zwischenprüfungen und anlassbezogene (z. B. bei Meldungen oder Rückrufen) sind jederzeit möglich.
Welche Rolle haben Benannte Stellen in der Marktüberwachung?
Sie prüfen, ob Hersteller ein funktionierendes System für Marktbeobachtung, Vigilanz und Rückrufe haben, und kontrollieren die Wirksamkeit im Audit.
Kann ich einen Antrag an mehrere Benannte Stellen stellen, um Wartezeiten zu verkürzen?
Erlaubt ist lediglich, sich zu informieren und Angebote/Verfügbarkeiten zu prüfen. Ein paralleler Zertifizierungsprozess für dasselbe Produkt/dieselbe Version ist nicht zulässig.
Wo finde ich tagesaktuelle Änderungen und behördliche Hinweise?
Regelmäßig aktualisierte Vorgaben, Listen und praxisnahe FAQ bieten
- die ZLG,
- das BfArM
- und die NANDO-Datenbank.
Diese FAQ bieten Ihnen präzisierte, praxisnahe und behördlich gestützte Antworten zu allen Fragen rund um die Rolle, Auswahl und Zusammenarbeit mit Benannten Stellen im Medizinprodukterecht.