Energieeffizienzgesetz im Bundestag beschlossen

Am 21. September hat der Bundestag das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in einer vom federführenden Ausschuss für Klimaschutz und Energie geänderten Fassung beschlossen. Damit werden erstmalig verbindliche Energieeffizienz- beziehungsweise Energieeinsparziele gesetzlich normiert. Das EnEfG beinhaltet außerdem konkrete Effizienzmaßnahmen für die öffentliche Hand sowie für Unternehmen, und es definiert Effizienzstandards für Rechenzentren.
Mit dem Effizienzgesetz sollen die Vorgaben der überarbeiteten EU-Energieeffizienzrichtlinie umgesetzt werden, dabei geht es aber zum Teil deutlich über die EU-Vorgaben hinaus. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich Ende Oktober mit dem Gesetz befassen, im Anschluss soll es zeitnah in Kraft treten.
Auf der Website des Bundestages finden Sie im PDF-Format zum Download den Gesetzesentwurf der Bundesregierung ebenso wie die beschlossene Ausschussfassung.

Energieeffizienzziele

Das Gesetz setzt absolute Primär- und Endenergieeinsparziele. Der Endenergieverbrauch muss im Vergleich zum Jahr 2008 bis zum Jahr 2030 um mindestens 26,5 Prozent auf höchstens 1.867 Terawattstunden (TWh) und der Primärenergieverbrauch um 39,3 Prozent auf höchstens 2.252 TWh gesenkt werden. Bis 2045 soll der Endenergieverbrauch gegenüber dem Jahr 2008 um 45 Prozent gesenkt werden. Die Bundesregierung kann die Erreichung der Ziele bei außergewöhnlichen und unerwarteten Konjunktur- oder Bevölkerungsentwicklungen anpassen.

Einsparverpflichtung für Bund, Länder und öffentliche Stellen

Der Bund soll ab 2024 bis 2030 mittels strategischer Maßnahmen jährlich neue Endenergieeinsparung von mindestens 45 TWh „bewirken“. Für die Länder gilt jährlich neue Endenergieeinsparung von mindestens 3 TWh, die vor allem durch Maßnahmen zur Information, Beratung, Bildung und Förderung erreicht werden sollen. Öffentliche Stellen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch größer 1 GWh sind bis zum Jahr 2045 zu jährlichen Endenergieeinsparungen von 2 Prozent verpflichtet und müssen ein vereinfachtes Energiemanagementsystem (EMS) bzw. ab 3 GWh ein umfassendes EMS/UMS einführen.

Managementpflichten für Unternehmen

Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 7,5 Gigawattstunden müssen binnen 20 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes (beziehungsweise nach Erreichen des Verbrauchsstatus) ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001 oder eine Umweltmanagementsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 (EMAS) eingeführt haben. Zudem müssen sie zusätzliche Anforderungen hinsichtlich der Energie- und Abwärmeströme, technisch realisierbarer Einspar- und Abwärmemaßnahmen sowie Wirtschaftlichkeitsbewertungen der identifizierten Maßnahmen nach DIN EN 17463 (VALERI) erfüllen.
Zudem werden alle Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden verpflichtet, binnen drei Jahren für alle als wirtschaftlich identifizierten Maßnahmen konkrete Umsetzungspläne zu entwickeln und zu veröffentlichen und sich die Vollständigkeit und Richtigkeit der Pläne durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren bestätigen zu lassen. Als wirtschaftlich deklariert der Gesetzgeber dabei Maßnahmen, bei denen sich nach maximal 50 Prozent der Nutzungsdauer (AfA-Tabellen des BMF) ein positiver Kapitalwert ergibt, jedoch begrenzt auf Maßnahmen mit einer Nutzungsdauer von maximal 15 Jahren. Ausgenommen von der Veröffentlichungspflicht sind Informationen, die nationalen oder europäischen Vorschriften zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder der Vertraulichkeit unterliegen.

Externe und unternehmensinterne Rechenzentren

Für externe wie auch für interne Rechenzentren mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 300 Kilowattstunden gelten umfangreiche und zeitlich gestaffelte Anforderungen zur Energieverbrauchseffektivität, für Rechenzentren, die ab Juli 2026 ihren Betrieb aufnehmen, zudem zum Anteil wiederverwendeter Energie.
Außerdem müssen Rechenzentren ab dem 1. Januar 2024 ihren Stromverbrauch zu 50 Prozent bilanziell durch Strom aus erneuerbaren Energien decken, ab 2027 sind es 100 Prozent. Rechenzentren (sowie "Betreiber von Informationstechnik" mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 50 Kilowattstunden in Rechenzentren) müssen ab dem 1. Juli 2025 ein EMS/UMS betreiben, in Abhängigkeit von Leistungsklasse und/oder Nutzer besteht zudem die Pflicht zur Zertifizierung beziehungsweise Validierung des EMS/UMS ab dem 1. Januar 2026. Betreiber von Rechenzentren müssen außerdem bis März eines jeden Jahres Informationen nach Anlage 3 veröffentlichen und an den Bund übermitteln, der diese in eine europäische Datenbank über Rechenzentren überträgt.

Abwärme

Unternehmen mit einem Gesamt-Endenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden haben Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden, auf den Anteil technisch unvermeidbarer Abwärme zu reduzieren und nach Möglichkeit durch Abwärmenutzung – auch durch Dritte – kaskadenförmig wiederzuverwenden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Im Rahmen der Zumutbarkeit sind technische, wirtschaftliche und betriebliche Belange zu berücksichtigen.
Auf Verlangen von Wärmenetzbetreibern, Fernwärmeversorgern oder sonstigen potenziellen Wärmeabnehmern müssen zudem umfangreiche Informationen zur Abwärme zur Verfügung gestellt werden. Diese Informationen sind außerdem bis zum 31. März eines jeden Jahres an die Bundesstelle für Energieeffizienz (Bafa) zu übermitteln und aktuell zu halten, die diese Infos – unter Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – auf einer öffentlichen Plattform zur Verfügung stellt. Die notwendigen Informationen umfassen unter anderem Unternehmensdaten, jährliche Wärmemenge und thermische Leistung, Leistungsprofile, Regelungsmöglichkeiten und durchschnittliches Temperaturniveau.

Klimaneutrale Unternehmen

Das EnEfG enthält eine Verordnungsermächtigung (mit Bundesratszustimmung) zur Definition „klimaneutraler Unternehmen“ und zu Ausnahmen und Befreiungen von den Anforderungen an Rechenzentren und hinsichtlich der Abwärme-Nutzung.

Bußgelder

Bei einem Verstoß gegen die Regelungen des EnEfG können Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt werden.

DIHK-Einschätzung

Auch wenn die Regierungskoalition nun klargestellt hat, dass mit den allgemeinen Einsparzielen keine Begrenzung des individuellen Verbrauchs einhergehen soll und die Ziele bei „außergewöhnlichen und unerwarteten“ konjunkturellen und Bevölkerungs-Entwicklungen angepasst werden können, führt das zu erheblicher Rechtsunsicherheit: Werden Gerichte der Bundesregierung eine etwaige Zielverfehlung einfach durchgehen lassen? Und wenn nicht, drohen dann doch Limitierungen der Energieverbraucher durch die Hintertür?

Denn obwohl die deutsche Volkswirtschaft bei der Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschaftsleistung schon weit gekommen ist, steht zu befürchten, dass die einseitige Fokussierung auf eine massive Senkung des Verbrauchs (ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsleistung) letztlich nicht ohne eine Begrenzung des betrieblichen Verbrauchs erreicht werden kann. Zudem steht das Dogma einer absoluten Endenergieeinsparung auch den künftig geforderten Flexibilitäten in einem immer volatileren, erneuerbaren Energiesystem entgegen. Auch das Primärenergieeinsparziel ist kritisch: Muss doch viel Energie für die Umwandlung von Strom in Wasserstoff (und Derivate) aufgebracht werden, mit den entsprechenden Wirkungsgradverlusten.

Mit den umfangreichen betrieblichen Verpflichtungen erhebt sich das EnEfG zudem über die betriebliche Praxis – legt fest, welche Investitionsmaßnahmen als wirtschaftlich zu bewerten sind, welche Abwärme zu vermeiden und wiederzuverwenden ist oder welche Art von Strom einzusetzen ist. Dass das Gesetz dabei nicht auf Motivation und Freiräume für die Erschließung weiterer Effizienzpotenziale in den Unternehmen setzt, sondern die begrenzten Kapazitäten bei Auditoren oder betrieblichem Energiepersonal prioritär in zusätzlichen Bürokratie- und Berichtspflichten bindet, macht die Sache umso misslicher.