Klimakiller Blockchain und Kryptowährung

Technischer Fortschritt kann helfen, nachhaltiger zu wirtschaften. Doch auch digitale Lösungen haben einen ökologischen Fußabdruck. Ein Interview mit Cathleen Berger über Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Frau Berger, in der Pandemie hat die Digitalisierung in Deutschland einen enormen Schub erfahren, viele Unternehmen haben von heute auf morgen Prozesse digitalisiert. Sind wir nun endlich auf einem guten Weg?
Es ist viel passiert, das stimmt. Aber ich habe den Eindruck, dass zwar ein breites Allgemeinwissen beim Thema Digitalisierung vorhanden ist, aber nur wenig Detailwissen. Dasselbe gilt für das Thema Nachhaltigkeit. Dabei haben beide Themen unmittelbar miteinander zu tun.
Inwiefern?
Die Klimakrise zwingt uns dazu, nachhaltiger zu wirtschaften. Anders werden wir diese globale Krise, deren Auswirkungen jetzt schon zu spüren sind, nicht in den Griff bekommen. Technologischer Fortschritt kann dabei helfen, wirtschaftliche Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Was dabei jedoch häufig ignoriert wird, ist der Fakt, dass natürlich auch das Internet einen eigenen ökologischen Fußabdruck hat. Zum Vergleich: Flug- und Schifffahrt sind zusammen für drei bis vier Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Das Internet hingegen für vier bis sieben Prozent!
Porträt Cathleen Berger
Was Digitalisierung mit Nachhaltigkeit zu tun hat und wie Unternehmen beides Hand in Hand umsetzen – darüber spricht Cathleen Berger bei der ersten IHKLW-Gedankengut-Veranstaltung am 28. April auf Gut Oppershausen. © Gene Glover/Climatiq.io
Wie berechnen Sie den ökologischen Fußabdruck des Internets?
Dafür müssen sowohl Inhalte, Streaming, künstliche Intelligenz, als auch Infrastruktur, Datenzentren, aber auch die Ressourcen, die für die Produktion der Endgeräte nötig sind wie der Abbau von Metallen und seltenen Erden, berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass wir insbesondere im Bereich der Digitalisierung Geräte sehr viel häufiger austauschen als beispielsweise in der Landwirtschaft neue Traktoren angeschafft werden. Weltweit benutzen Menschen aktuell schätzungsweise 30 Milliarden digitale Endgeräte. Was diese insgesamt an Emissionen ausstoßen, ist unglaublich.
Andererseits wird der Eindruck vermittelt: Ohne Digitalisierung geht es nicht.
Digitalisierung ist jedoch kein Allheilmittel. Sie ist für die Wirtschaft ein extrem wichtiger Schritt um Prozesse effizienter zu gestalten. Aber es ist mitnichten so, dass wir die Nachhaltigkeit dem Bot der Digitalisierung zu Füßen legen und hoffen können, dass der es schon richten wird. Der Glaube, dass technischer Fortschritt all unsere Probleme lösen wird, ist eine Utopie. Wir müssen einsehen, dass wir nicht umhin kommen werden, bestimmte Gewohnheiten verändern zu müssen. In Bezug auf unternehmerischen Erfolg muss ein Umdenken stattfinden.
Wie stellen Sie sich dieses Umdenken vor?
Auch die Technik, die der Digitalisierung zugrunde liegt, muss nachhaltig gestaltet werden. Was ich in datengesteuerten Unternehmen beispielsweise im Bereich eCommerce beobachte, ist, dass der sogenannte Legacy Code, der ganz zu Beginn mal geschrieben wurde, aber heute eigentlich nichts mehr dazu beiträgt, wie das Produkt jetzt genutzt wird, nie gelöscht wird. Die vielen alten Daten, die niemand mehr benötigt, laden ständig mit. Auf Dauer sorgt das für einen extrem hohen ökologischen Fußabdruck.
Mit einer aufgeräumten Datenbank können Unternehmen also zur Lösung der Klimakrise beitragen?
Andernfalls hat das zumindest enorme Konsequenzen für die Datenspeichermenge, deren Verarbeitung und Ladezeiten. Man kann durch das Löschen von Daten, die nicht mehr benötigt werden, Ressourcen sparen. Datenschutz hilft also der Nachhaltigkeit. Solche Kleinigkeiten machen einen Unterschied, denn Daten müssen übertragen, gelesen und gespeichert werden. Je mehr Daten vorhanden sind, desto mehr Energie ist notwendig, um sie zu übertragen, zu lesen und zu verarbeiten. Und desto mehr Datenzentren sind nötig, von denen jedes einzelne selbst einen sehr großen ökologischen Fußabdruck hat. Wer Daten verarbeitet, muss auch mitdenken, wo diese verarbeitet werden.
Was sind denn die schlimmsten digitalen Klimakiller?
Eindeutig Blockchain und Kryptowährung! In Bezug auf Nachhaltigkeit sind das absolute Planetenkiller. Deren ökologischer Fußabdruck übersteigt alles, was wir bisher gesehen haben.

Erfolg muss auch die Frage nach der Nachhaltigkeit beantworten.

Was können Unternehmen tun, um sich sowohl digital als auch nachhaltig in Form zu bringen?
Kleine Schritte zählen, jeder einzelne verbessert die Situation. Unternehmerinnen und Unternehmer können sich fragen, wie sie am besten Veränderungsprozesse anstoßen, die beiden Themen gerecht werden. Natürlich kann Digitalisierung für Effizienz und Nachhaltigkeit sorgen. Ein schlank aufgestelltes Unternehmen ist per se nachhaltiger.
Das Wichtigste ist jedoch die Umdefinierung von Erfolg: Bisher wird dieser an Jahresumsatz und Mitarbeiterzahl gemessen. Doch allein diese Kriterien können nicht mehr entscheidend für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens sein. Erfolg muss auch die Frage nach der Nachhaltigkeit beantworten: Inwiefern trägt ein Unternehmen zur Lösung der Klimakrise bei, wie lokal und gemeinnützig agiert es, wie viel steckt es in den Wiederaufbau der Ressourcen, die es verbraucht?
Ist diese Art von Erfolg denn auch skalierbar?
Wenn die Klimakrise in ein paar Jahren erst einmal weiter vorangeschritten ist, können globale Lieferketten empfindlich gestört sein aufgrund von Dürren, Stürmen oder Überflutungen. Die Wertschöpfung wird eine andere sein. Ein umsatzorientierter Erfolg, der lediglich die nächsten fünf bis zehn Jahre im Blick hat, ist zu kurz gedacht. Nur diejenigen Unternehmen werden erfolgreich sein, die mitdenken und solche Klimarisiken einplanen.
Ist das dann eine moderne Form des Kapitalismus, weg von der reinen Gewinnmaximierung?
Ich bin überzeugt, dass das notwendig ist. Wenn wir dieses Umdenken nicht schaffen, werden wir der Klimakrise nicht mehr Herr werden können. Die Privatwirtschaft ist für 80 bis 90 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Wenn also die Wirtschaft nicht umdenkt, haben wir keine Chance.
Anne Klesse