„Der Mensch ist das wichtigste Gut“

Während in Unternehmen früher oft mit Belohnungen oder Druck gearbeitet wurde, funktionieren diese Maßnahmen heute bei vielen nicht mehr. Vor allem die junge Generation legt Wert auf Arbeit mit Sinn, die Spaß macht. Und weil sie sich die Jobs aussuchen kann, sollten sich Unternehmen fragen, welche Werte sie vertreten, sagt Motivationsredner Norman Gräter. Am 20. April eröffnet er im Lüneburger Klippo die IHKLW-Veranstaltungsreihe GedankenGut. Anmeldungen unter www.gedankengut.ihklw.de/2023.
Herr Gräter, Sie sagen „Erfolg beginnt im Kopf“ – wie meinen Sie das: positiv denken und dann wird schon alles gut werden?
Wir fokussieren uns zu sehr auf das Handeln anstatt auf das Denken. Immer geht es uns um Resultate: Umsatzzahlen laufen nicht, wie sie sollen, die Beziehung hinkt. Doch das sind die Ergebnisse von all den Dingen, die davor passiert sind: Zuerst ist der Gedanke, eine Idee. Darauf folgt eine Emotion, dann die Handlung und erst zum Schluss das Resultat. Die meisten denken, dass sie ihr Handeln verändern müssen, um das Resultat zu verändern. Dabei ist es wichtiger, ganz zu Beginn anzusetzen und das Denken zu ändern. Anstatt also hinten auf die Kennzahlen zu schauen und die Mitarbeitenden zu besseren Ergebnissen anzuhalten, sollten sich Führungskräfte mehr für den Menschen hinter dem Mitarbeiter interessieren.
Ohne positive Gedanken wird nie ein positives Resultat entstehen.

Warum ist das wichtig für bessere Konzernergebnisse?
Der Mensch ist das wichtigste Gut im Unternehmen. Kennzahlen folgen dem Menschen und nicht andersherum. Alles, was der Mensch auf diesem Planeten geschaffen hat, entstand aus einer Idee. Je nachdem, ob meine Idee gute oder schlechte Gefühle erzeugt, folgen entsprechende Handlungen und Resultate. Das ist ein immerwährender Kreislauf. Alles beginnt und steht und fällt also mit positivem Denken, denn ohne positive Gedanken wird nie ein positives Resultat entstehen.

Das setzt allerdings voraus, dass alle bewusster Teil dieses Kreislaufs sind. Was tun, wenn beispielsweise die Arbeitgebenden positiv denken, die Arbeitnehmenden jedoch nicht?
Über viele Jahre wurden Menschen lediglich durch Druck oder über Belohnungen wie Boni, Incentive-Reisen, kostenlosen Kaffee, Firmenwagen motiviert. Aber hätten die Menschen auch ohne diesen Anreiz das getan, was sie sollten?
Worum es letztlich geht, sind gemeinsame Werte.

Sie denken: nein?
Wir beobachten derzeit einen Wandel: Firmen stehen heute auch deshalb vor extrem großen Herausforderungen, weil sie merken, dass ihre Leute gar nicht dort arbeiten, weil sie das Unternehmen so toll finden, sondern nur wegen des „Schmerzensgeldes“. Solche Arbeitnehmenden sind schnell weg, wenn sich etwas Neues ergibt. Unternehmen fragen sich, ob sie die richtigen Mitarbeitenden haben und andersherum. Die junge Generation spricht kaum noch auf Schmerzensgeld oder Druck an. Und sie kann sich aufgrund von Demografie und Fachkräftemangel den Arbeitgebenden aussuchen. Worum es letztendlich geht, sind gemeinsame Werte.

Können Sie das genauer erklären?
Unternehmen müssen sich fragen: Wofür stehen wir? Die definierten Werte dürfen nicht nur irgendwo auf der Homepage angepriesen, sondern müssen jeden Tag in jeder Abteilung, auf jeder Hierarchieebene gelebt werden. Ein super Beispiel ist eine Stellenanzeige für einen Teamleiter auf Karls Erdbeerhof: „Bewirb dich jetzt per Video in nur 30 Sekunden ohne Anschreiben in der App“, stand da. Sie warben mit „Vollzeit, ganzjährig bis zur Rente.“ Dazu ist folgendes zu lesen: „Abwechslungsreiche Arbeit in einem kreativen, großzügigen, authentischen, familiären, augenzwinkernden und liebevollen Familienunternehmen.“
Wer sich zugehörig fühlt, wird sich mehr engagieren.

Das Unternehmen präsentiert lediglich sich selbst anstatt Anforderungen an Bewerbende aufzulisten.
Genau. Das Unternehmen nennt direkt seine sechs Firmenwerte – Kreativität, Großzügigkeit, Authentizität, Familie, Humor, liebevoller Umgang – und sagt damit, dass sie keine Egoisten wollen, die eine große Show machen, sondern echte Menschen. Es ist so: Wenn die Wertvorstellungen von Mitarbeitenden und Unternehmen nicht zueinander passen, sind Führungskräfte ständig damit beschäftigt, jeden einzelnen zu motivieren. Wer jedoch Menschen mit ähnlichen Werten im Betrieb hat, kann sich darauf verlassen, dass diese eine intrinsische Motivation antreibt.

Klingt gut für Startups, in denen die Mitarbeiterschaft gerade erst aufgebaut wird. Was aber ist mit Unternehmen, die bereits viele langjährige Mitarbeitende haben?
Oft ist es leider so, dass das Topmanagement Erwartungen hat, die es selber nicht erfüllt. Jede Führungskraft, jede Unternehmerin, jeder Unternehmer ist immer Vorbild. In der Theorie kann viel geredet werden über Unternehmenswerte – letztendlich wird der Mitarbeiter das kopieren, was er sieht und erlebt.

Und dieses Umdenken, nach dem sich das Handeln gestaltet, hilft dann wiederum für ein gutes Resultat?
Saat und Ernte lassen sich nicht umkehren, zuerst muss gesät, dann kann geerntet werden: Wer sich zugehörig fühlt, wird sich mehr engagieren. Denn wenn es die Firma nicht mehr gibt, gibt es auch meinen Job nicht mehr. Also ist es auch meine Firma. Es bringt nichts zu erwarten, dass sich im Außen etwas verändert: sich die Wirtschaft berappelt, die Politik etwas löst. Das wird nicht passieren, wenn wir nicht selbst damit anfangen. Anne Klesse
Bevor Norman Gräter sich als Motivationsredner selbständig machte, war er 24 Jahre lang angestellt beim baden-württembergischen Würth Konzern, 16 Jahre davon in der hauseigenen Eventagentur marbet. Er selbst spricht von seinen Vorträgen als Reise vom Kopf zurück ins Herz. Nachdem er eine solche Reise durchmachen musste, nutze er jetzt 20 Prozent seiner früheren Arbeitszeit, um 100 Prozent seiner Arbeit nachzugehen und dabei 80 Prozent mehr zu verdienen.