IHK Berlin
Antje Kapek zu Gast bei der IHK Berlin
Auf einen engagierten Schlagabtausch stimmte IHK-Präsidentin Dr. Beatrice Kramm die Gäste des Wirtschaftspolitischen Frühstücks gleich zu Beginn ein. Die Äußerungen ihres Gastes ließen bisweilen wenig Raum für Interpretation. Antje Kapek habe die Opposition einmal als „eklatanten Totalausfall“ bezeichnet. Ein weiteres Zitat der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sei: „Ich habe die Schnauze davon voll, dass für die Koalition ständig B-Noten vergeben werden.“
© Kerstin Jana Kater – IHK Berlin
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Aber auch Kramm selbst nahm kein Blatt vor den Mund, als sie Missstände klar ansprach: „Uns berichten Unternehmer, dass sie lieber in Brandenburg oder anderen Teilen Deutschlands bzw. der Welt investieren als in Berlin, weil sie das Klima in Berlin als wirtschaftsfeindlich empfinden.“ Bei vielen von ihnen habe sich in den letzten Monaten der Eindruck verfestigt, dass Teile der Politik die Wirtschaft nicht als Partner begreifen, sondern als „notwendiges Übel“.
Berliner Unternehmer seien ja für eine Energiewende inklusive CO2-Bepreisung und eine Mobilitätswende. Drängende Fragen seien aber: „Wie wird der Wirtschaftsverkehr in Berlin so organisiert, dass die Versorgung der Menschen gewährleistet bleibt? Wie schaffen wir es, mehr und schneller bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?“ Freie Flächen würden nicht aktiviert, die Zahl der Baugenehmigungen gehe sogar zurück. „Staatliche Eingriffe wie Enteignungen und Mietendeckel werden diese Entwicklung weiter verschärfen.“
Bevor sie den Ball aufnahm, startete die in Kreuzberg aufgewachsene Kapek mit einer Liebeserklärung an ihre Geburtsstadt: „Berlin ist die coolste Stadt der Welt.“ Eine Ansicht, der sich der Schweizer Botschafter, Paul Seger, später anschloss. Berlin sei aber auch, so die Politikerin weiter, viele Jahre auf Verschleiß gefahren worden. Die Koalition habe deshalb drei große Offensiven gestartet, und zwar zum Wohnungsbau, zur Verkehrswende und zum Schulbau. „Allein die Schulbauoffensive hat ein Volumen vergleichbar mit dem BER.“ Das reiche aber nicht. Kapek möchte deshalb noch in dieser Legislaturperiode eine Klima- und Grünbauoffensive starten. Beim Wohnungsbau setze die Koalition auf einen Dreiklang aus Bauen, Ankaufen, Regulieren. Dass der heftig umstrittene Mietendeckel kommt, daran ließ Kapek keinen Zweifel. „Wir werden den Mietendeckel auf den Weg bringen.“ Er müsse drei Voraussetzungen erfüllen: rechtlich haltbar, umsetzbar und gerecht sein. Grundsätzlich sei problematisch, dass 80 Prozent des Mietrechts auf Bundesebene entschieden würden. Den Ländern müsse deshalb ein größeres Mitspracherecht bei Instrumenten wie Kappungsgrenzenverordnung, Modernisierungsumlagen oder Umwandlungsgebot eingeräumt werden. Neben Wohnen liegt der Grünen besonders der Verkehr am Herzen. Regulative autofreie Kieze von 8 bis 18 Uhr in bestimmten Bereichen seien weltweit keine Phantasterei, sondern state of the art. Wenn nicht zügig gehandelt werde, würde man in fünf Jahren lamentieren und sehen wie „Provinzstädte“ wie München es vorgemacht hätten. Darüber hinaus brachte Kapek einen neuen Anlauf für ein Zusammengehen Berlins und Brandenburgs ins Spiel, um eine echte Metropolregion zu schaffen. „In fünf Jahren sollten wir über eine ernstzunehmende Länderfusion reden.“
Kapeks Vorschlag, Verkehrsflächen in Berlin stärker für den Wohnungsbau zu nutzen, konterte in der anschließenden Diskussionsrunde IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder mit der Frage: „Warum nicht das Tempelhofer Feld?“ Einer Bebauung erteilte die 43-Jährige jedoch eine klare Absage: Solange es keine neue Volksbefragung gebe, sollte man das Thema nicht anfassen.
Wirtschaftsvertreter verwiesen in der Diskussion auf die immer noch sehr günstigen Berliner Bestandsmieten von gut sechs Euro und wünschten sich eine Versachlichung der Diskussion statt wie Kapek von „Mietenwahnsinn“ zu reden. Es müsse vielmehr Investitionsanreize geben, da seit dem Start von R2G immer weniger Bebauungspläne auf den Weg gebracht worden seien. Öffentliche Gelder sollten auch nicht für Findlinge und grüne Punkte auf Kreuzberger Straßen verschwendet werden. Eine Aufregung, die Kapek nicht nachvollziehen konnte und meinte, dass Berlin auch mal „Experimentierfeld für Verrücktes“ sein dürfe.
Gingen beim Thema Wohnen die Vorstellungen der Grünen-Politikerin und die der IHK-Gäste über die klügsten Konzepte bisweilen weit auseinander, herrschte in einem Punkt am Ende offenbar Konsens. Um die Einheit 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bis zum 3. Oktober 2020 endgültig zu vollziehen, so Kapek, sollten alle Bundesministerien nach Berlin ziehen. Zumindest die Stärke des Beifalls signalisierte, dass Viele im Raum ihr Recht gaben.
Eli Hamacher