IHK Berlin

Senatorin Breitenbach warb für soziale Gerechtigkeit

IHK-Präsidentin Dr. Beatrice Kramm beschrieb den schulischen, universitären und beruflichen Werdegang der heutigen Senatorin, und bemerkte, dass sie mit „Entschlossenheit und Tatendrang“ auch in ihr neues Amt gestartet sei: Gleich zu Anfang hatte die neue Senatorin eine „Notsituation zur Gefahrenabwehr“ ausgerufen. Dies ermöglichte, dass fertige Containersiedlungen und Plattenbauten auch ohne Ausschreibung von Übergangs-Betreibern übernommen werden und endlich die 2.800 Flüchtlinge aus den Turnhallen dort einziehen konnten.
Dem Abgeordnetenhaus gehörte Elke Breitenbach seit 2003 an, sie wurde 2007 in den Parteivorstand von Die Linke gewählt, zuvor war sie bei der PDS im Parteivorstand. Ihr politisches Rüstzeug hatte sie sich während ihres Studiums am OSI an der FU Berlin zu­gelegt und dann in verschiedenen beruflichen Positionen erprobt.
Kramm sagte, man sei sich thematisch nahe beim Thema "Bürokratieabbau". Die Senatorin spielte den Ball zurück, aber anders als erwartet: Sie räumte ein, dass zumindest ihre Mutter ihre Schullaufbahn sicher anders beschrieben hätte. Aber, und da seien sich Wirtschaft und Politik tatsächlich einig: Bürokratieabbau und vor allem Fachkräftesicherung seien beides Themen, die unbedingt positiv umgesetzt werden müssten -und zwar von Politik und Wirtschaft gemeinsam. Durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen müsste das berufliche Qualifizierungsniveau bestimmter Gruppen weiter angehoben werden. Und wenn dem Mangel an Fachkräften nicht entgegengewirkt werde, dann würden das viele Menschen bald am eigenen Leib spüren, so wie sich das schon teilweise im Gesundheitswesen bemerkbar mache. Und wenn durch das Ausscheiden in den Ruhestand noch mehr Fachkräfte am Arbeitsmarkt fehlten, dann ginge es um „gute Rahmenbedingungen“ mit denen man auswärtige Fachkräfte nach Berlin locken könnte: Dazu gehörten die bezahlbaren Wohnungen, Chancen auf Arbeit für den mit umziehenden Lebenspart­ner, eine gute Pflegesituation für ältere Angehörige, ein Angebot für die Kinderbetreuung usw. Und dies alles seien Aufgaben, die nicht nur die oft zitierten „Politik, Familie und Gesellschaft“ stemmen müssten, sondern auch die Unternehmen sollten aktiv mitwirken.
Viele soziale Fragen wurden gestreift, wie die Überlegungen für „integrative Wohnprojekte“ in denen Geflüchtete, Azubis, Rentner und ggf. weitere Neuberliner kostengünstig zusammen leben und wohnen könnten. Es ging um Angebote und Anzahl von Beratungsstellen und ob eventuell Mentoren für nach Berlin neu ankommende Fachkräfte eine gute Idee wären. Mehrfach fragte Breitenbach die Zuhörer im Saal, woran es denn hänge, dass es trotz vieler Beratungsangebote und Fördermittel oft nicht so gut laufe mit der Beschäftigung von Geflüchteten, qualifizierten Langzeitarbeitslosen oder Menschen mit Behinderungen? Sie bat die Unternehmer darum, den Blick auch auf dieses Fachkräftepotenzial zu richten. Viele Behinderte wären vor einem Unfall oder einer Erkrankung mit sehr guten Qualifikationen im ersten Arbeitsmarkt tätig gewesen und könnten nach einer gewissen Zeit wieder eine anspruchsvollere Tätigkeit ausüben. Auch bekannte sich die Senatorin dazu, „ein Herz für junge Leute zu haben, die keine so guten Schulnoten mitbringen oder schon mal eine Ausbildung abgebrochen haben“. Das hätte sie selbst erlebt und viele ihrer früheren Lehrer wären heute erstaunt, dass aus ihr eine Senatorin geworden ist. Denn gute Schulnoten seien nicht alles: „Geben Sie diesen jungen Leuten eine Chance“, warb Breitenbach.
In der traditionellen Diskussionsrunde mit IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder wurde der Versuch unternommen, „völlig ideologiefrei“ über die Ausbildungsabgabe zu sprechen, was aber quasi ergebnislos verlief. Das Thema würde seit über 15 Jahren debattiert, erklärte Eder, und man habe sich schon mal auf einen freiwilligen Ausbildungskonsens geeinigt gehabt. Diesen schätzte Breitenbach offenbar als heute nicht mehr erfolgreich genug ein und die mitdiskutierenden Unternehmer waren der Auffassung, die Ausbildungsabgabe wäre praktisch eher eine „Strafaktion“.
Für eine deutliche Reaktion im Saal und ein Schmunzeln bei Vielen sorgte die Frage einer chinesischen Zuhörerin, ob es denn Deutschland helfen würde, wenn die hier benötigten Fachkräfte künftig in China ausgebildet werden würden. Die chinesischen Unis seien sehr leistungsfähig und die jungen Menschen seien mit 24 oder 25 Jahren fertig qualifiziert, um in den Beruf zu starten. Der diplomatisch formulierte Rat von Elke Breitenbach an die Fragerin lautete: „Ich würde dazu raten, die jungen Leute für eine mobile Gesellschaft auszubilden, falls sie auch in ein anderes Land gehen möchten und nicht allein nach Deutschland.“
Christine Nadler