Digitales Politikgespräch

Innensenator Andreas Geisel zur Politik in der Corona-Pandemie

Mit Andreas Geisel, dem Berliner Innensenator und stellvertretenden SPD-Land-desvorsitzenden, diskutierte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder am 4. Februar die Herausforderungen für einen Re-Start der Wirtschaft und die Belastung für die Unternehmer. Auch ein Blick aufs Wahljahr 2021 wurde gewagt. Die Situation bei der digitalen Veranstaltung war bekannt: Das „IHK-Fernsehstudio“ mit Moderator und Live-Gast im Gespräch. Rund 130 Zuschauer hatten sich an den Bildschirmen dazu geschaltet und äußerten sich teils lebhaft, teils kritisch, im nebenherlaufenden Chat.
Jan Eder stellte Geisel kurz vor: Ein über Jahre bekannter Politiker, der einen handfesten Beruf als Fernmeldemechaniker gelernt hatte, danach an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden „Ökonomie des Nachrichtenwesens“ studierte und sich an der Humboldt-Universität den Fächern Volks- und Betriebswirtschaftslehre widmete. Er sammelte Wirtschaftserfahrungen bei der Unternehmensberatung PWC und schlug bald darauf die politische Laufbahn ein: Nach Anfängen im Bezirksamt Lichtenberg stieg er dort zum Bezirksbürgermeister auf. Danach ging es vorwärts in der Berliner Landespolitik: Von 2014 bis 2016 war Geisel Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, seit 2016 Stellv. SPD-Landesvorsitzender und Mitglied im Abgeordnetenhaus, seit 2016 Senator für Inneres und Sport.
In seinem Impulsvortrag „Corona – Stresstest für unsere Demokratie“ spannte Geisel einen breiten Bogen: Insbesondere beschäftigte ihn der Umstand, dass es 2020 rd. 6000 Demos in Berlin gab und viele Menschen – trotz oder wegen Corona – ihre Meinung auf die Straße trugen. Es waren nach seiner Beobachtung sehr heterogene Gruppen und Hauptbeweggrund war vor allem das Gefühl der Empörung. So berichtete Geisel von dem Betreiber einer Karaoke-Bar, der am pandemie-bedingten Berufsverbot verzweifele und deshalb auch zunehmend den Sinn der strikten Maßnahmen in Frage stelle. Geisel stellte klar, dass es sehr schwer falle, diese harten Entscheidungen zu treffen und erklärte, wie sich die Bundes- und Landesregierung von Experten – Ärzten, Virologen, Psychologen – beraten lässt.  Wie geht es also weiter, fragte Geisel Die Auswirkungen in der Gastronomie und Hotellerie seien kaum abschätzbar. Der Innensenator äußerte vor dem virtuellen Publikum die Sorge, dass „wir sehr schweren wirtschaftlichen Zeiten entgegen gehen“. Die Konsequenz liege für ihn deshalb auf der Hand: Für die nächsten Jahre müsse die Wirtschaft, vor allem bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, Vorrang erhalten, so Geisel.
Die dramatische Lage der Berliner Unternehmen wurde im Chat deutlich: So berichtete Unternehmer Björn Awe z.B. über das de facto Berufsverbot für seine Branche und wollte wissen, wie er planen könne, wann Maßnahmen zurückgefahren werden und warum es kein „Entschädigungsgesetzt“ für Unternehmer gebe? Geisel verwies in seiner Antwort darauf, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr umfangreiche Hilfsprogramme verabschiedet habe – auch für die Wirtschaft. Allerdings stimmte er dem Fragesteller zu, dass die Auszahlung der Winterhilfen viel zu langsam von statten gegangen sei. Und ja, es gäbe durchaus Lockerungspläne: Als erste seien sicher die Grundschulen an der Reihe, danach Einzelhandel, Gastgewerbe und auch der Sport. Problematisch sei es immer für das Vertrauen, wenn die Politik sich widersprechende Botschaften in Umlauf bringe. Offen bleiben musste deshalb auch die Frage von Unternehmer Jürgen Jost nach den Kriterien für die Wieder-Eröffnung. Hier verwies Geisel auf die permanent stattfindenden Abstimmungsrunden, nur so viel: Die Inzidenz allein werde nicht Basis für Lockerungen sein, so Geisel.
Leider habe der Impfgipfel „Ernüchterung gebracht“. Es sei nicht einfach so viel Impfstoff schnell herzustellen – auch nicht mit Kooperationen- und es dauere einfach länger als gedacht. Ein weiteres Schwerpunktthema in der Podiumsdiskussion war – natürlich – die Verwaltung. Mit dem Stichwort Berliner E-Government-Gesetz eröffnete Jan Eder diesen Themenblock und warnte seinen Gast gleich vor: „Herr Geisel, Sie ahnen schon, was jetzt kommt. Wann und wie kommen wir dem erwünschten Zustand nahe?“ Geisel erklärte, welche Fortschritte die Digitalisierung in der Verwaltung bereits gemacht habe: So konnten vor der Pandemie rd. 5 Prozent der Verwaltungsmitarbeiter mobil arbeiten. Nun seien es 30 Prozent. Aber trotz der Fortschritte brauche es operative Möglichkeiten das Gesetz besser durchzusetzen. Und den von der IHK mehrfach geforderten „Chief Digital Officer“ in der Senatskanzlei – der alles aus einer Hand steuern könnte, ja, der wäre nicht schlecht.
Natürlich waren auch die Abgeordnetenhauswahlen Thema im IHK-Talk – und die Frage, welches Amt Andreas Geisel nach den Wahlen anstrebt. „Was wäre Ihr Must-have für die SPD im Falle einer Regierungsbeteiligung? Welches Ressort würde Sie reizen?“, fragte Jan Eder zum Schluss den Gast. Geisel: „Ich trage gerne Verantwortung und ich bin sehr gerne Innensenator.“       
von Christine Nadler