IHK Berlin

Plädoyer für Neustart in der Wohnungsbau-Politik

Kai Wegner, Gast beim Digitalen Wirtschaftsgespräch in der IHK Berlin am 11. November, ist seit über 30 Jahren in der Berliner CDU aktiv und seit 15 Jahren im Deutschen Bundestag. Wie IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder als Gastgeber und Moderator erklärte, stehe er damit quasi als „Urgestein“ der CDU für die Integration von Bundes- und Landesebene. In beiden ist er zu Hause und hat den bestmöglichen Einblick.

Mehr Investitionen in Wohnungsneubau und gezielte Baulandpolitik

In seinem fünfminütigen Impulsvortrag vor rund 200 digital zugeschalteten Unternehmern ging Wegner auf das Thema „Berliner Wohnraumoffensive – Baubremsen lösen, Chancen gestalten“ ein. Der Tenor war, dass Berlin mehr in den Wohnungsneubau investieren muss. „Wir machen hier viel falsch!“, sagte Wegner. Es werde über den Mietendeckel diskutiert, aber dies helfe den wohnungssuchenden Berlinern nicht: „Da hilft nur Neubau!“. Auch eine Diskussion über Enteignungen sei hinderlich, denn Berlin gelte dadurch bei Investoren nicht mehr als „zuverlässiger Partner“, so Wegner weiter. Als positives Beispiel ging er auf den in Hamburg erfolgreichen „Runden Tisch“ aller Partner am Wohnungsmarkt ein. Als Fazit kam heraus: „Wir müssen die Bauordnung sowie das Vergaberecht entschlacken und wir brauchen eine gezielte Baulandpolitik“.
Im Podiumsgespräch zwischen Jan Eder und Kai Wegner ging es um Fragen aus dem Auditorium, die über den digitalen Chat eingespielt wurden. Jan Eder hatte zuvor die Diskussion in drei Blöcke aufgeteilt: Im ersten Block ging es um die Corona-Krisenpolitik und darum, was notwendig ist, um die deutsche Wirtschaft wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. Im zweiten Block hatten die großen Herausforderungen der Berliner Politik ihren Platz: Bildung, Bauen, Mobilität und natürlich Verwaltungsmodernisierung. Der dritte Block „Die CDU vor dem Superwahljahr“ widmete sich der Koalitionsfrage.

Sorge vor Insolvenzwelle

„Seit 1. November sind wir in einer neuen Pandemiephase, dem sog. „Lockdown light“. Die Berliner Wirtschaft stand aber schon vorher mit dem Rücken zur Wand. Glauben Sie, dass die aktuellen Hilfen den besonders von der Krise gebeutelten Branchen ausreichend genug helfen? Ich denke auch an unzählige Solo-Selbstständige, denen das Kurzarbeitergeld nicht hilft“, fragte Eder.
Die Unterstützungsmaßnahmen bewertete Wegner als gut, mahnte aber an, dass „die Bremsspuren gemildert werden müssen“. Gerade für den klassischen Mittelstand sollte mehr getan werden. „Der Senat spricht oft ‚vielstimmig‘, nicht einstimmig. Es gibt viele Regeln, die nicht durchgesetzt werden.“ Hier hätte mehr Strenge gut getan. „Ich habe Sorge vor einer Insolvenzwelle“, erklärte Wegner.
„Noch in diesem Monat (am 23. November) tritt die nächste Stufe des Mietendeckelgesetzes in Berlin in Kraft. Diese beinhaltet die Möglichkeit der Absenkung von Mieten, die 20 Prozent über der jeweils geltenden Mietenobergrenze liegen. Damit haben die Vermieter in Berlin nicht nur eine Menge Arbeit, sie befürchten auch hohe Verluste“, brachte Jan Eder in die Diskussion ein. Was dazu führte, über mehr Anreize zu sprechen, um den Anteil an Wohneigentum bei den Berlinern zu erhöhen, denn Berlin ist ja von alters her eine „Mieterstadt“.
Dr. Carsten Gottert brachte im Chat das Problem zur Sprache, dass Förderanträge „technisch nicht gestellt werden können, weil das Portal zusammenbricht.“ Die Anzahl der Anträge sei begrenzt, aber Investitionen dürften erst getätigt werden, wenn der Antrag genehmigt wurde. „Wir wurden schon auf 2021 vertröstet“. Das nahm Wegner besorgt zur Kenntnis, konnte aber auch keinen Weg zur Abhilfe empfehlen.
Eis-Unternehmer Olaf Höhn fragte nach mehr Ladestationen für e-Lkw. Darauf erklärte Wegner, es gebe in Berlin mehrere Start-ups und Unternehmen, die sich mit dem Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur sowie der Vereinfachung der Ladesäulen-Abrechnung beschäftigen. „Ich verstehen nicht, warum Berlin nicht nutzt, was hier vorhanden ist – und in anderen Städten schon funktioniert“, so Wegner.

Mangelhafter Digitalstatus in der Stadt

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten Berlin die Nachlässigkeit der Politik in Sachen Digitalisierung schmerzlich vor Augen geführt. Steinzeitliche Verwaltungsstrukturen und -abläufe und massive Lernausfälle wegen fehlender digitaler Infrastruktur in den Schulen seien Beispiele für den mangelhaften Digitalstatus der Hauptstadt. Jan Eder: „Wenn sechs Staatssekretäre im Topf der Digitalisierung rumrühren, ist wohl der Beweis erbracht, dass viele Köche den Brei verderben?“ Wegner stimmte zu, dass die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung eine dringend erforderliche Herkulesaufgabe sei. Gemeinsam mit seinen Parteikollegen Thomas Heilmann und Cerstin Richter-Kotowski hat er ein „Verfassungskonvent“ ins Spiel gebracht, um bei der Modernisierung der Verwaltung endlich vorwärts zu kommen.
Frank Westphal erkundigte sich im Chat nach dem ÖPNV-Ausbau, Jan Eder nach der Verkehrsinfrastruktur allgemein. Wegners Statement dazu: „Ja, wir brauchen eine konsistente Verkehrspolitik, die alle Verkehrsträger in Berlin im Blick hat!“ Damit sprach er der Wirtschaft aus dem Herzen. „Nur 5 km U-Bahn-Strecke in über 20 Jahren ist ein Armutszeugnis. Man muss bei dem Thema weit vorausdenken: Ich kann mir sogar Hochbahnen vorstellen“, erklärte er. 
Lars Békési wollte wissen, was bei der CDU in der Bildungspolitik besser würde. Da war Wegner zuversichtlich: „Wir werden im Wettbewerb um die besten Köpfe besser abschneiden, weil die Bezahlung ‚stimmt‘. Die Schulen werden nicht mehr so marode sein und man traut sich auf die Toilette. Die Lernbedingungen wären besser als heute. Und beim Pisa-Test sind wir dann weiter vorne!“

Die CDU vor dem Superwahljahr 

Eder: „Wenn wir an das Wahljahr 2021 denken: Mit welchem politischen Partner würden Sie denn koalieren?“ Ganz klar schloss Wegner eine Koalition mit AfD und Linkspartei aus – andere Optionen ließ er offen. „Die CDU findet wieder statt. Die Stadt braucht einen Politik-Wechsel“, davon ist der CDU-Chef überzeugt. 
Wie immer stellte Jan Eder eine persönliche Frage an den Gast: „Wie werden Sie das Jahr 2020 in Erinnerung behalten - als das anstrengendste, das beklemmendste oder das aufregendste ihres politischen Lebens?“ Wegner reflektierte kurz die Frage: „Man lernt Berlin nochmal anders kennen. Ich freue mich über die Kandidatur und habe Respekt vor der Aufgabe. Letztlich hoffe ich, dass sich das Jahr 2020 nicht wiederholt.“                        
 
Von Christine Nadler
Leitende Redakteurin der „Berliner Wirtschaft

Über Kai Wegner

Kai Wegner, geboren 1972 in Berlin, in Spandau zur Schule gegangen, gelernter Versicherungskaufmann, sammelte unternehmerische Erfahrung als Mitglied der Geschäftsführung eines mittelständischen Bauunternehmens. Der CDU und anfangs der Jungen Union ist Wegner schon seit 1989 als Mitglied verbunden und hat eine lange Parteikarriere gemacht. 2017 war Wegner Stv. Landesvorsitzender der Berliner CDU und wurde im Mai 2019, als Nachfolger von Monika Grütters, zum Landesvorsitzenden gewählt. Im Oktober 2020 gab er seine Absicht bekannt, bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zu kandidieren.