IHK Berlin

Aktuell – BREXIT zum 31. Dezember 2020

Aktuell – BREXIT zum 31. Januar 2020


Nach der erfolgten Ratifizierung des Brexit-Deals (Annahme des Austrittsabkommens durch das Britische Oberhaus am 22. Januar 2020) ist das Vereinigte Königreich (nachfolgend UK) zum 31. Januar 2020 formal aus der EU ausgeschieden. Die Übergangsphase bis Ende 2020 schließt daran nahtlos an, so dass trotz des formalen Austritts UK in dieser Übergangsphase noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion verbleibt und in dieser Zeit noch sämtliche EU-Regeln Anwendung finden. Laut Austrittsabkommen hat UK bis Ende 2020 Zeit, mit der EU ein Freihandelsabkommen zu verhandeln. Wenn dies nicht gelingt, wird UK den Status eines sog. Drittstaates erhalten.
Timeline - Austritt Vereinigtes Königreich aus der EU
Am 23. Juni 2016 stimmte die Mehrheit der Bevölkerung des Vereinigten Königreich Großbritanniens und Nordirlands (im Folgenden "Vereinigtes Königreich/VK") für den Austritt aus der Europäischen Union.
Nach jetziger Beschlusslage wird das VK am 31. Januar 2020 die Europäische Union und damit auch den EU-Binnenmarkt sowie die Zollunion verlassen. Die Grundfreiheiten der Warenverkehrs-, Dienstleistungs-, Kapitalverkehrs- sowie Niederlassungsfreiheit finden ab diesem Augenblick keine Anwendung mehr, da das VK dann den Status eines Drittstaates, also eines Nicht-EU-Staates genießt. Möglicherweise wird von den Verhandlungspartnern ein Austrittsabkommen mit einer Übergangsphase vereinbart, in der die Regeln des Binnenmarktes und der Zollunion anwendbar bleiben, bis die zukünftigen vertraglichen Beziehungen, die noch ausgehandelt werden müssen, in Kraft treten. Michel Barnier und sein Team, u.a. Frau Sabine Weyand, von der Brexit Task Force der EU-Kommission führen die Verhandlungen im Sinne der vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs erlassenen Verhandlungsleitlinien.

Gemäß Artikel 50 des Vertrags von Lissabon muss der EU-Austritt des VK nach Ablauf der zweijährigen Frist nach schriftlicher Erklärung des Austritts vollzogen sein. Diese Frist kann zwar verlängert werden - allerdings nur, wenn sich alle EU-Mitglieder einstimmig sowie das VK dafür entscheiden. Die Zeit für Verhandlungen war somit von Anfang an extrem knapp.

Die EU hat ihre Position durchgesetzt, dass in der sog. 1. Phase der Verhandlungen ausschließlich über die Grundlagen des Austritts des VK aus der EU, also über den sog. "Scheidungsvertrag", verhandelt worden ist. Erst nach Feststellung "hinreichender Fortschritte" in einer Reihe von  Grundsatzfragen (Bürgerrechte, Finanzfragen und Nordirland-Frage) hat der Rat im Dezember 2017 entsprechende Verhandlungsleitlinien erlassen, die es dem Verhandlungsteam der  Kommission, geleitet von Michel Barnier, erlauben auch über die Inhalte eines Übergangsabkommens sowie die Rahmenbedingungen für die zukünftigen Beziehungen, also nach Ende eines Überganszeitraums, mit dem VK zu verhandeln. Hierbei handelt es sich um die sog. 2. Phase der Brexit-Verhandlungen.

Die einzelnen Verhandlungsgegenstände des a) Austrittsabkommens/ "Scheidungsvertrags", b) Übergangsabkommens und c) die Rahmenbedingungen für die zukünftigen Beziehungen ("future relationship scoping") sind juristisch und inhaltlich streng voneinander zu unterscheiden.

Im März 2018 haben sich beide Verhandlungspartner darauf geeinigt, dass es nach dem Austritt des VK aus der EU ein Übergangsabkommen geben soll, dass den Zugang des VK zum Binnenmarkt und zur Zollunion bis zum 31. Dezember 2020 garantieren und die Wirkungen des Brexit auf die Bürger und Wirtschaftsbeteiligten abfedern soll. Die EU hat aber sehr deutlich gemacht, dass derartige Übergangsregeln nur dann verbindlich werden, wenn sie im Rahmen eines umfassenden Austrittsabkommens vereinbart werden. Ohne Austrittsabkommen gäbe es demnach auch keine Übergangsregeln und bislang geltenden Regelungen des Binnenmarktes und der Zollunion würden ab dem Austrittsdatum, zwischen dem VK und der EU keine Anwendung mehr finden.
Der Text für ein solches kombiniertes Austritts- und Übergangsabkommen muss bis Oktober 2018 ausverhandelt sein. Nur so ist eine rechtzeitige Ratifikation des Abkommens durch den Rat, das EU-Parlament, die einzelnen nationalen Parlamente der EU 27 und des britischen Parlaments realistisch.

Szenario „geordneter BREXIT”

Geordneter Austritt samt Übergangsphase


Jeder EU-Mitgliedstaat kann beschließen, aus der EU auszutreten. In Artikel 50 des EU-Vertrages (EUV) ist das Austrittsverfahren festgelegt. Am 29. März 2017 hat das offizielle Austrittsverfahren der UK begonnen. Die britische EU-Mitgliedschaft endet erst, wenn ein Austrittsabkommen in Kraft getreten ist. Ansonsten endet die EU-Mitgliedschaft automatisch zum 31. Januar 2020- es sei denn, der Europäische Rat und UK beschließen einstimmig, die Frist weiter zu verlängern. Im November 2018 haben sich die beiden Verhandlungspartner auf ein Austrittsabkommen und eine politische Erklärung über den Rahmen für die zukünftigen Beziehungen geeinigt. Die Staats- und Regierungschefs haben bei einem Sondertreffen des Europäischen Rats (Art. 50 EUV) am 25. November 2018 das Austrittsabkommen indossiert sowie die Politische Erklärung über den Rahmen für die zukünftigen Beziehungen angenommen.

Ein geordneter BREXIT bedeutet, dass es nach dem UK-Austritt eine Übergangsphase geben soll, in der der Zugang der UK zum Binnenmarkt und zur Zollunion bis zum 31. Dezember 2020 garantiert und die Wirkungen des BREXIT auf die Bürger und Wirtschaftsbeteiligten abgefedert werden soll. Die EU hat aber sehr deutlich gemacht, dass derartige Übergangsregeln nur als Teil eines umfassenden Austrittsabkommens verbindlich werden. Ohne Austrittsabkommen gäbe es demnach auch keine Übergangsregeln und bislang geltenden Regelungen des Binnenmarktes und der Zollunion würden ab dem 31. Januar 2020 zwischen der UK und der EU keine Anwendung mehr finden.

Worst-Case-Szenario: „harter Brexit“

Ein ungeregelter Austritt bedeutet, dass zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich kein gültiges Austrittsabkommen mit Übergangsregelungen gibt. Gelingt es also nicht, ein Freihandelsabkommen zu ratifizieren, könnten sich beide Seiten nur noch auf die Rechte berufen, die Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) zustehen. Dazu gehört zum Beispiel die Meistbegünstigung. Das hieße dann, dass im Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien die Zölle erhoben werden, die auch für Drittländer ohne präferenzielle Handelsvereinbarung gelten. Aus Sicht der EU würde der Handel mit Großbritannien in diesem Fall nach denselben Regeln ablaufen wie beispielsweise mit den USA oder China.

Zukünftige Wirtschaftsbeziehungen EU-UK 

Nach derzeitigem Kenntnisstand in Bezug auf die Vorstellungen der UK und der EU erscheint ein tiefgreifendes Freihandelsabkommen die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten zur Regelung der zukünftigen Beziehungen beider Verhandlungspartner zu sein. Allerdings wäre es das erste Mal in der Geschichte der EU, dass sie ein Freihandelsabkommen abschließt, in dem der vereinbarte Zustand ein Weniger zu den bisher bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen darstellt. Auf der anderen Seite hat man mit der UK einen "Partner auf Augenhöhe", der die in der EU geltenden Standards, z.B. in Bezug auf Lebensmittelsicherheit, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, usw., quasi spiegelt und nicht erst angleichen muss. Diese Umstände machen die Verhandlungen über ein entsprechendes Freihandelsabkommen besonders interessant.
Was den Kern der Wirtschaftsbeziehungen anbelangt, so bestätigt der Europäische Rat seine Bereitschaft, Beratungen über ein ausgewogenes, ehrgeiziges und weitreichendes Freihandelsabkommen (FHA) einzuleiten, insoweit es ausreichende Garantien für faire Wettbewerbsbedingungen gibt. Dieses Abkommen wird fertiggestellt und geschlossen, sobald UK kein Mitgliedstaat mehr ist. Ein solches Abkommen kann jedoch nicht dieselben Vorteile bieten wie die Mitgliedschaft und nicht auf eine Beteiligung am Binnenmarkt oder an Teilen davon hinauslaufen. 
Es würde Folgendes regeln:

i) den Warenhandel mit dem Ziel, alle Sektoren abzudecken und die Beibehaltung von Nullzollsätzen anzustreben; dabei sollte es keine mengenmäßigen Beschränkungen geben und es müssten geeignete Ursprungsregeln festgelegt werden. Im Gesamtzusammenhang des FHA sollte der bestehende gegenseitige Zugang zu den Fischereigewässern und -ressourcen aufrechterhalten werden;

ii) eine angemessene Zollzusammenarbeit unter Wahrung der Regelungs- und Rechtsprechungsautonomie beider Seiten und der Integrität der EU-Zollunion;

iii) Disziplinen für technische Handelshemmnisse sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen;

iv) einen Rahmen für die freiwillige Zusammenarbeit in Regulierungsfragen;

v) den Handel mit Dienstleistungen mit dem Ziel, dass der Marktzugang für die Erbringung von Dienstleistungen nach den Regeln des Aufnahmestaates gewährt wird, auch in Bezug auf das Niederlassungsrecht von Dienstleistern, und zwar insoweit, wie dies mit dem Umstand zu vereinbaren ist, dass das Vereinigte Königreich dann ein Drittland sein und nicht mehr über einen gemeinsamen Regelungs-, Aufsichts-, Durchsetzungs- und Justizrahmen mit der Union verfügen wird;

vi) den Zugang zu den Märkten für öffentliche Aufträge, Investitionen und den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich geografischer Angaben, sowie andere Bereiche von Interesse für die Union.
Für den Warenverkehr könnte der Abschluss eines Freihandelsabkommens bedeuten, dass Ursprungswaren der EU bei der Einfuhr in das VK zollfrei oder zollbegünstigt wären und umgekehrt. Dennoch würden die Transaktionskosten im bilateralen Handel im Vergleich zu heute steigen. Schließlich müssten für die Ein- und Ausfuhren Zollanmeldungen abgegeben werden, es fänden Zollkontrollen auf beiden Seiten statt und die Präferenzberechtigung müsste durch spezielle Zollpapiere nachgewiesen werden. Insbesondere auf Unternehmen mit VK-Geschäftsbeziehungen, die bislang ausschließlich Geschäfte im EU-Binnenmarkt getätigt haben, kommen bei der Implementierung der zollrechtlichen Prozesse große Herausforderungen zu.

Außerdem könnte der Brexit aktuelle Lieferketten zum Beispiel wie folgt verändern: Aus dem VK eingeführte Vorerzeugnisse, die in der EU in der Produktion eingesetzt werden, würden nicht mehr als Ursprungswaren der Europäischen Union gelten. Daher könnte es sein, dass in der EU hergestellte Erzeugnisse ihre Ursprungseigenschaft im Hinblick auf die übrigen Freihandelsabkommen der EU verlieren. Dies könnte insbesondere die Autoindustrie in der EU massiv betreffen.
Hersteller könnten sich in der Folge gezwungen sehen, bestimmte Vorerzeugnisse nicht mehr in Großbritannien einzukaufen. Da das Land auch in diesem Fall außenwirtschaftsrechtlich als Drittland zu betrachten ist, würden zusätzlich Exportgenehmigungspflichten entstehen, zum Beispiel für Güter mit sowohl zivilem als auch militärischem Verwendungszweck (Dual-Use-Güter).
Gelingt es nicht, ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren, könnten sich beide Seiten nur noch auf die Rechte berufen, die Mitgliedern der Welthandelsorganisation zustehen. Dazu gehört zum Beispiel die Meistbegünstigung. Das hieße dann, dass im Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien die Zölle erhoben werden, die auch für Drittländer ohne präferenzielle Handelsvereinbarung gelten. Aus Sicht der EU würde der Handel mit Großbritannien in diesem Fall nach denselben Regeln ablaufen wie beispielsweise mit den USA oder derzeit noch Japan.
Bei einem sogenannten "harten Brexit" würden EU-Zölle auf Waren aus Großbritannien anfallen, was den Import britischer Waren verteuern würde. Zum anderen würde auch das Vereinigte Königreich Zölle einführen, was wiederum die europäischen Exporte verteuern würde. Und für Drittlandswaren, die zunächst in die EU eingeführt und dann aber nach Großbritannien weiterexportiert werden, könnte sogar mehrfach Zoll anfallen.
Gerade Unternehmen sind dazu aufgerufen, sich aktiv auf rechtliche Veränderungen vorzubereiten. Da das Vereinigte Königreich ein Drittstaat wird, kann dies, je nachdem, ob und welche Anschlussregelungen für das zukünftige Verhältnis gefunden werden, zu einschneidenden Veränderungen zum Beispiel im Handel mit Waren und der Erbringung von Dienstleistungen führen. Daher hat die Europäische Kommission mehr als 90 Mitteilungen veröffentlicht (Preparedness notices/European Commission), die die Folgen des Brexit in verschiedenen wirtschaftlich relevanten Bereichen skizzieren und notwendige Vorbereitungsmaßnahmen umreißen.
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