BW 02/2022 - BRANCHEN

Fast Food

Das Geschäft mit der Lieferung brummt in Berlin – noch einmal stärker seit Pandemiebeginn. Aber die Dienste müssen innovativ sein, um auf dem umkämpften Markt mitzuhalten
Der Corona-Effekt verändert nachhaltig das Einkaufsverhalten der Konsumenten in Deutschland. Sie haben in der Pandemie das Angebot der Lebensmittellieferdienste entdeckt und werden es auch nach der Krise vermehrt nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt der Online-Monitor 2021 des Handelsverbands HDE Deutschland. Demnach hat mittlerweile fast jeder zweite Internetnutzer schon einmal Lebensmittel im Netz bestellt, 15 Prozent ordern mindestens alle zwei Wochen bei den Quick-Commerce-Anbietern.

Dynamischer Markt

Die Geschäfte brummen. Im Jahr 2020 ist laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts IFH der Umsatz im Onlinehandel mit Lebensmitteln in Deutschland um 58 Prozent auf 4,5 Mrd. Euro gestiegen. Und die Wachstumsraten dürften nach Datenlage hoch bleiben. Ein Blick auf die Liefergebietsabdeckung zeigt: Der Lieferdienst von Rewe erreicht deutschlandweit den größten Anteil der Bevölkerung. Besonders dynamisch ist nach Angaben des IFH etwa der aus Berlin operierende Quick-Commerce-Anbieter Flink unterwegs, der aktuell bereits circa acht Prozent der Bevölkerung erreicht, obwohl das Unternehmen erst Anfang 2021 eröffnete. „Flink ist innerhalb von weniger als einem Jahr auf über 140 Standorte in 60 Städten in vier Ländern gewachsen, darunter sind auch über 40 deutsche Städte“, erzählt Flink-Sprecher Simon Birkenfeld. „Unser Ziel ist es, weiter zu expandieren und unseren Service so flächendeckend wie möglich anzubieten.“
Insgesamt drängen immer mehr Anbieter in das Liefergeschäft für Lebensmittel. Auf dem Markt tummeln sich die Lieferdienste der großen Supermärkte und Discounter wie der Lieferdienstpartner Bringmeister bei Edeka, das Start-up Bringoo bei Penny oder der schon erwähnte Lieferdienst von Rewe. Darüber hinaus locken neben dem Start-up Flink auch Anbieter wie das aus Istanbul stammende Unternehmen Getir, Wolt oder die zur Oetker-Gruppe gehörende Flaschenpost Konsumenten mit dem Versprechen, ihre Kunden schnell  mit Lebensmitteln und Getränken zu beliefern. Wer einen Markteintritt in Deutschland unternimmt, betreibt in der Regel auch in der Hauptstadt einen Standort.
Gleichzeitig machen die Express-Lieferdienste auch bei ihrer Expansion Tempo. Übernahmen für die Internationalisierung sind an der Tagesordnung: So kaufte etwa US-Branchenprimus Doordash im Sommer 2021 Wolt für sieben Milliarden Euro und investierte ebenso wie Rewe wiederum in Flink. Dabei wird die globale Größe nach Einschätzung von Experten immer mehr zum zentralen Faktor für das Durchhaltevermögen beim Wettbewerb. Viele Anbieter erweitern zugleich ihr Angebot: Sie bieten nicht nur die schnelle Lieferung von Supermarktartikeln aus eigenen Läden, sondern nehmen in ihr Sortiment auch Restaurantlieferungen und Produkte aus Läden anderer Art auf.
Erste Anbieter verlassen aber auch schon wieder den umkämpften deutschen Markt. Der Online-Anbieter Delivery Hero etwa war erst im Sommer 2021 in verschiedene deutsche Städte wie auch Berlin zurückgekehrt, Ende des Jahres stellte das Unternehmen seinen Essenslieferdienst unter der Marke Foodpanda aber schon wieder ein. Nur ein Innovations-Hub verbleibt in der Hauptstadt. „Das Team wird wichtige Erkenntnisse über den Service des Unternehmens liefern, neue Funktionen testen und Innovationen für die gesamte Industrie der Lieferdienste vorantreiben“, so Chloé Gamache, Kommunikationsexpertin des Berliner Dax-Konzerns.

Entwicklung zu One-Stop-Shop

Wer ein Essen in Berlin bestellt, greift dabei meist auf die Marke Lieferando des Essenlieferdienstes „Just Eat Takeaway“ zurück. Er ist der Platzhirsch für Essensbestellungen in der Hauptstadt. Allerdings entwickelt sich auch die Marke Lieferando immer mehr zu einem One-Stop-Shop für alles rund ums Essen vom verzehrfertigen Restaurant-Essen über Produkte für die Küche bis hin zur spontanen Lebensmittellieferung. „Berlin ist aus vielen Gründen eine der wichtigsten Städte für uns, nicht nur, weil hier unser Zuhause ist“, betont Katharina Hauke, Geschäftsführerin von Lieferando. Die Hauptstadt ist in Deutschland einer der spannendsten Märkte mit viel Potenzial. Dabei spielen für den Erfolg von Lieferando nach Überzeugung der Geschäftsführerin die Restaurantpartner eine zentrale Rolle. „Uns ist daran gelegen, dass es der Gastronomie gut geht, unsere Partnerschaft beruht auf Gegenseitigkeit.“
Klar muss sein: Eine exklusive Auswahl auf der Plattform vom kleinen Newcomer in Reinickendorf bis zum angesagten Szene-Restaurant in Kreuzberg kann schnell zu einem Wettbewerbsvorteil im Konkurrenzkampf der Lieferdienste um die Gunst der Konsumenten werden. Auch nach der Pandemie.
von Jens Bartels