Auf den Punkt

Move fast and break things?

Was als Mantra für ein aufstrebendes Start-up funktionieren mag, wird für etablierte Institutionen, Gesellschaften und Demokratien schnell zum Problem. Dinge zu zerstören, bedeutet oft, dass jemand anderes den Schaden beheben muss – in der Regel die Allgemeinheit. Noch schlimmer: Nicht alles, was einmal zerbrochen wurde, lässt sich wieder reparieren.
Die schädlichste Folge des ständigen Regelbruchs ist jedoch nicht der unmittelbare Schaden, sondern der Vertrauensverlust. Regeln schaffen Verlässlichkeit. Wenn sie ohne Konsequenzen missachtet werden – sei es durch Radfahrer, die routinemäßig rote Ampeln ignorieren, Autofahrer, die im Stau auf die Busspur ausweichen, Unternehmen, die durch Greenwashing Nachhaltigkeit vortäuschen, oder durch einen US-Präsidenten, der offen NATO-Verbündete bedroht –, erodiert Vertrauen.
Viele Menschen sind erschöpft und verunsichert. Eine Welt voller Krisen – Pandemie, Inflation, Konflikte, veränderte Mediennutzungsgewohnheiten und eine als chaotisch empfundene Realität – hat zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und einem wachsenden Wunsch nach starken Führungspersönlichkeiten geführt. Früher blieben wilde Theorien an Stammtischen, heute werden sie durch Algorithmen verstärkt und gehen viral.
Selbst für manche Unternehmer ist die Versuchung groß, auf einfache Lösungen für komplexe Probleme zu setzen. Doch die Geschichte zeigt: Solche Abkürzungen führen nie zu guten Ergebnissen – die meisten stehen am Ende schlechter da, und die Krisen verschärfen sich. Verantwortungsbewusstes Unternehmertum erfordert Weitblick.
Nicht nur Regelkonformität und Vertrauen, auch dieser Weitblick wäre für uns als Gesellschaft wichtig – wie soll unsere Zukunft denn aussehen? Dieser Diskurs kommt auch deshalb zu kurz, weil zu oft schon die Einigung auf eine gemeinsame Realität schwierig wird. Das wird durch künstliche Intelligenz (KI) nicht einfacher. Die Grenzen werden mit KI und ohne Regeln, an die wir uns halten und verlassen können, weiter verschwimmen, Vertrauen wird weiter erodieren. Wenn es dadurch noch schwieriger wird, sich auf eine gemeinsame Realität zu verständigen, wird es mit einem gemeinsamen Plan für die Zukunft kompliziert.
Dabei könnte zumindest das einfacher sein, wenn wir alle in Szenarien denken, eines davon: Was wäre die schlimmste Konsequenz, wenn man selbst unrecht hat?
Roman Kaupert ist Geschäftsführer der Kreativagentur Zepter und Krone GmbH sowie Mitglied des Präsidiums der IHK Berlin.
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirt­schaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.