Fokus
Loslassen kann für Unternehmer so schwer sein
Der Brennstoffhändler Peter & Krebs ist ein Familienunternehmen mit langer Tradition – 115 Jahre alt, mittlerweile geführt von der fünften Generation. Vater Andreas und Sohn Adrian Peter hatten bei der Nachfolgeplanung die klassischen Probleme und sprechen heute offen über ihre Erfahrungen mit dem Loslassen auf der einen und den Geduldsproben auf der anderen Seite.
Adrian (l.) und Andreas Peter vor dem Porträt des Firmengründers Hermann Peter.
© Amin Akhtar
Berliner Wirtschaft: Wann war für Sie beide klar, dass Peter & Krebs auch in fünfter Generation in Familienhand bleiben würde?
Adrian Peter: Für mich war es eigentlich immer klar, dass ich das Unternehmen übernehmen würde. Ich bin ja so aufgewachsen. Ich war schon als Kind viel in der Firma und habe immer mal wieder hier und da ausgeholfen. Für die Nachfolge habe ich mich bewusst für ein BWL-Studium entschieden. Als ich in den USA studiert habe, hat mein Vater eines Tages angerufen und gefragt, ob ich mir wirklich sicher bin und ob ich mir das gut überlegt habe.
Andreas Peter: Wir hatten auch vorher schon drüber gesprochen. Aber ich brauchte ein echtes Commitment. Etwa sechs Wochen vor unserem 100-jährigen Jubiläum hat Adrian mich dann aus Amerika angerufen und gesagt: Du kannst beim Jubiläum bekannt geben, dass ich einsteige und weitermache. Das war für mich ein echtes Highlight.
Hatten Sie mal drüber nachgedacht, was Sie gemacht hätten, wenn Ihr Sohn die Firma nicht hätte übernehmen wollen?
Andreas Peter: Ehrlich gesagt, habe ich darüber gar nicht so viel nachgedacht. Auf jeden Fall hätte ich mich mit der Nachfolgeplanung sehr viel schwerer getan. Die Übergabe an den eigenen Sohn war ja schon ein schwieriger Prozess, einem familienfremden Manager zu vertrauen, wäre mir noch viel schwerer gefallen. Vielleicht hätte ich dann verkauft.
Was fiel Ihnen an der Übergabe so schwer?
Andreas Peter: Ich habe die Firma rund 30 Jahre lang allein geleitet. Ich habe alles allein entschieden, musste niemanden fragen. Es fiel mir nicht leicht, die Verantwortung zu teilen. Aber ich weiß natürlich auch, wie sehr es mich damals gestört hat, dass mein Vater noch lange, als ich schon in der Firma war, alles allein entschieden hat. Aus Protest hatte ich eine eigene Fluglinie gegründet, um ihm zu zeigen: Ich muss das hier nicht machen, ich kann auch etwas eigenes auf die Beine stellen.
Adrian Peter: Es war auch für mich eine schwierige Situation. Einerseits bin ich gekommen, um von meinem Vater zu lernen. Ich wollte aus der Nähe sehen, wie er das Geschäft führt. Aber wenn der Vater nach ein paar Jahren immer noch alles allein entscheidet, fragt man sich: Wofür bin ich überhaupt hier? Darunter habe ich gelitten. Ich habe dann auch überlegt, ob ich nicht vielleicht besser etwas eigenes aufbauen sollte.
Wie ist Ihr Verhältnis heute?
Andreas Peter: Wir haben uns zum 1. Januar darauf verständigt, dass Adrian die Entscheidungen trifft. Ich werde vorerst weiterhin viel im Büro sein, mich aber nur noch um bedeutende finanzielle Dinge kümmern, zum Beispiel große Investitionen, und als Berater für meinen Sohn fungieren. Ich hatte das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.
Mit der Übergabe von der dritten an die vierte Generation haben Sie alles von der anderen Seite erlebt, Sie kennen jetzt also beide Seiten. Welche Unterschiede gab es?
Andreas Peter: Es lief alles sehr ähnlich ab. Ich hatte in München BWL studiert, als mein Vater mich fragte, ob ich das Unternehmen übernehmen möchte. Er hat mir ein Jahr für die Antwort gegeben. Aber auch mir war immer klar, dass ich es machen würde. So wie mein Sohn habe ich das Unternehmertum ja auch schon mit der Muttermilch aufgesogen. Am Abendbrottisch wurde oft über die Firma gesprochen. Ich war im Grunde als Jugendlicher schon mit vielen täglichen Betriebsabläufen vertraut. Ich hatte zwar noch kurz mit dem Gedanken gespielt, in München zu bleiben und dort meine Freiheit zu genießen. Aber dann habe ich mich doch für Berlin und Peter & Krebs entschieden.
Empfinden Sie es als Bürde, ein Unternehmen in vierter beziehungsweise fünfter Generation zu führen?
Andreas Peter: Ja, es ist schon eine große Verantwortung und auch eine gewisse Last und Bürde – vor allem, weil ja immer wieder größere Umbrüche stattfinden. Vor meiner Zeit musste mein Vater das Geschäft von Kohle auf Öl umstellen, und er hatte deshalb einen heftigen Disput mit meinem Großvater. Vor neun Jahren hatten wir dann gedacht, dass der Umbruch vom Öl zum Gas bevorsteht. Nun sieht wieder alles ein bisschen anders aus.
Weil nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine das Vertrauen in die Gasversorung gelitten hat?
Andreas Peter: Durch den Angriffskrieg der Russen ist es zu einer Art Renaissance der Ölheizung gekommen. Das merken wir deutlich. Es gibt sogar Kunden, die vom Gas zurück zum Öl wechseln.
Die fünfte Generation wird also auch große Herausforderungen bewältigen müssen.
Adrian Peter: Ja, wir haben gemerkt, dass das Gasgeschäft noch viel stärker umkämpft ist als das Ölgeschäft. Beim Öl haben wir in Berlin etwa zehn Wettbewerber, beim Gas sind im Internet sofort 60 oder 70 Anbieter zu finden. Beim Strom ist der Wettbewerb noch intensiver. Der Gas- und Stromhandel ist ein reiner Bürojob, der Markteintritt ist nicht so schwierig. Wir haben daraus einen schönen Nebenverdienst gemacht. Aber es reicht für uns längst nicht an die Dimension des Ölgeschäfts heran. Für das Ölgeschäft müssen wir investieren in Tanklastwagen, und wir verfügen über gut ausgebildete und erfahrene Fahrer für Gefahrguttransporte.
Aber der Gesetzgeber fördert Wärme aus erneuerbaren Energien, der Ölheizung wird keine Zukunft vorausgesagt.
Adrian Peter: Ja, es macht mich sehr traurig, wie die Regierung sich in Existenzen einmischt. Vielleicht wird im Jahr 2040 dann wirklich Schluss sein mit der Ölheizung. Manchmal lässt mich diese Frage schlecht schlafen, weil ich mir überlege, wie es langfristig weitergehen wird. Wir beobachten sehr genau, welche Chancen E-Fuels oder synthetisches Öl uns bieten können. Wir müssen als mittelständisches Unternehmen schließlich rechtzeitig in die richtigen Energien investieren und können uns keine Fehlinvestitionen leisten.
Andreas Peter: Mit Wasserstoff habe ich mich auch schon beschäftigt. Das ist ein Energieträger der Zukunft, der für uns auch noch interessant werden kann. Aber das passiert nicht heute oder morgen, das sind noch Zukunftsvisionen. Aktuell sind wir in der sogenannten „Golden Tale“. Da der Wettbewerb im Ölgeschäft nicht mehr so intensiv ist, werden wir noch eine ganze Zeit gut davon leben können. Wir haben für uns viele Nischenprodukte entwickelt, die größere Wettbewerber nicht bieten können. Wir haben zum Beispiel in ein kleineres Fahrzeug investiert, das auch Öl in Schrebergartenkolonien liefern kann, und wir bieten auch Bunkeröl für die Binnenschifffahrt an. Das macht sonst kaum noch jemand.
Welchen Rat würden Sie anderen Unternehmern geben, die ihre Nachfolge organisieren müssen?
Andreas Peter: Ich würde den Ratschlag wiederholen, den man mir immer gegeben hat: Frühzeitig Kompetenzen abgeben und nicht allzu lange an der Macht festhalten. Ich glaube, dass alle erfolgreichen Unternehmer sich schwertun, das Loslassen zu lernen. Aber wenn die ältere Generation beginnt, Veränderungen zu scheuen, ist es besser loszulassen und der jüngeren Generation die Chance zu geben, neue Ideen zu verwirklichen. Denn nur so kann das Unternehmen vorangebracht werden. Aber gute Ratschläge sind schnell gegeben. Aus der Praxis weiß ich: Loslassen kann für Unternehmer so schwer sein.
Und was würden Sie als Vertreter der jüngeren Generation raten, wenn Sie mit Töchtern oder Söhnen sprechen, die das Unternehmen der Eltern übernehmen wollen?
Adrian Peter: Also zunächst sollte jeder so gut es geht versuchen, Dinge im Unternehmen selbst in die Hand zu nehmen und zum Erfolg zu führen, um dem Vater oder der Mutter zu zeigen, dass sie vertrauen können. Und der nächste Punkt ist Geduld, Geduld und noch einmal Geduld. Ich finde es schrecklich, wenn Familienunternehmen, in denen über Generationen so viel aufgebaut wurde und die mit so viel Arbeit durch schwere Zeiten gebracht wurden, am Ende so einfach aufgegeben werden.
von Michael Gneuss