Branche

Mode in der Platte

Berlin und die Mode, da war doch was. Die Metropole an der Spree schickte sich nach der Wiedervereinigung an, zu einem weltweit führenden Standort zu werden, in der gleichen Liga wie Mailand, Paris und New York zu spielen. Die Berlin Fashion Week sollte mit großen Sponsoren im Hintergrund führende Designe-rinnen und Designer, interessiertes Publikum und Branchengrößen zusammenbringen. Die Modewoche wird 2025 volljährig, nach einigen Wendungen und Neuerfindungen fokussiert sie sich auf berlintypische Themen wie Nachhaltigkeit und Lokales. Aber was passiert eigentlich mit all den Berliner Fashion-Talenten?

Lange Tradition von Produktion und Handel

Dass es um Mode aus der Hauptstadt nicht so gut bestellt ist, zeugen wiederkehrende Berichte über Krisen und Insolvenzen. Ende 2024 traf es erneut Uvr Berlin, ein Label, das es immerhin seit 30 Jahren gibt. Auch Kolla.Berlin geriet in Schieflage, der Umzug in ein kleineres Atelier in Neukölln soll helfen, Kosten zu sparen. Die Probleme der Branche sind bekannt und auch in der „Berliner Wirtschaft“ des Öfteren beschrieben worden: Umsätze wandern in den Onlinehandel, Kundinnen und Kunden halten sich beim Konsum aufgrund der wirtschaftlichen Lage zurück, gleichzeitig steigen die Kosten für Ladenmieten und Personal. Wenn es in den Berliner Einkaufsstraßen und Shoppingmalls noch Neueröffnungen gibt, dann von internationalen Marken, die auch die finanzielle Kraft haben, um ein paar Monate Durststrecke durchzuhalten.
Die Hoffnungen, die mit dem Fashion-Standort Berlin verbunden waren, waren aber mehr als der übliche Größenwahn. Denn wie in kaum einer anderen Stadt kamen hier kreatives Potenzial, internationales Publikum, eine lange Tradition von Produktion und Handel sowie die Offenheit für Neues zusammen. Na gut, die billigen Mieten waren auch mal von Vorteil, aber damit würde heutzutage keiner mehr werben. Wenn die Grundlagen so vielversprechend waren, warum tut man sich immer noch so schwer? Eine Antwort möchte Platte.Berlin liefern, ein Ort mitten in Berlin, den man im Marketingsprech wohl als „Hub“ oder „Plattform“ bezeichnen müsste. Oder, wie die Macherinnen selbst von sich sagen: „ein Anlaufpunkt für Berlinerinnen und Berliner, Kreative, Modebegeisterte und Touristinnen und Touristen gleichermaßen“.
Das Prinzip ist schnell erklärt: Der Verein, der aus Mitteln des Bundes und des Senats gefördert wird, bringt Designerinnen und Designer aus Berlin und das Publikum zusammen. Kollektionen können hier ausgestellt und direkt verkauft werden, man kann sich in der Szene und mit Stakeholdern vernetzen und weiterbilden lassen. Letzteres ist wichtig, denn die Kreativen sollen an die Realitäten des Marktes herangeführt werden. Durch die Lage zwischen Alexanderplatz und Hackescher Markt, wo Gäste aus aller Welt nach dem typisch Berlinischen Ausschau halten, werden die Entwürfe direkt dem Urteil der Kundinnen und Kunden ausgesetzt. Denn, seien wir mal ehrlich – wie oft kommt es schon vor, dass eine Jury mit Branchen-Insidern über die Markttauglichkeit von Kollektionen entscheidet? Da ist die Konfrontation mit der Zielgruppe viel zielführender.

„Berlin hat viel Talent“

Das bedeutet nicht, dass die präsentierte Mode brav oder konformistisch sein muss. Schließlich muss auch die Marke „Berlin“ repräsentiert werden, die weltweit für das Ungewöhnliche, ja, Schrille steht. Das Team von Platte.Berlin setzt dabei auf die physische Begegnung – von Designerin und Laden, von Ware und Kunde. Ein Onlineshop ist irgendwann für 2025 geplant, die ausgestellten Unikate lassen sich ohnehin nicht so einfach in der erforderlichen Menge herstellen. Ganz zu schweigen von Herausforderungen der Logistik und Regulatorik. Aber auch dieser Lerneffekt ist wichtig, schließlich gehören Vorgaben zu Materialbeschaffenheit und Ressourceneinsatz zum täglichen Geschäft der Fashion-Anbieter. „Berlin hat viel Talent. Unsere Mission von Platte ist es, junge Deigner und Designerinnen dabei zu unterstützen, mit nachhaltig und lokal produzierter Mode ein diverses, internationales Publikum zu erreichen“, resümiert Diana Weis, Vorstandsvorsitzende von Platte.Berlin und Professorin für Modejournalismus.

von Dr. Mateusz Hartwich