Agenda

Ohne Wohnraum kein Personal

Berlin hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen wichtigen Standortvorteil eingebüßt. Prägten in den 2000er-Jahren noch günstige Mieten und verfügbarer Wohnraum die Situation, ist die Wohnungsknappheit heute eine der größten Herausforderungen der Hauptstadt. Das hat nicht nur soziale, sondern auch wirtschaftliche Folgen. Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen, da potenzielle Beschäftigte und Auszubildende schlichtweg keine bezahlbaren Wohnungen finden.

Zentraler Standortfaktor Wohnraum

Diese Problematik war Mitte Februar Thema der IHK-Veranstaltung „Zukunft Beschäftigtenwohnen?!“. Sie gehörte zu einer bundesweiten Reihe, die vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert und gemeinsam mit der DIHK Service GmbH umgesetzt wird. Ziel ist es, Lösungsansätze zu diskutieren und Unternehmen dabei zu unterstützen, den Wohnraummangel aktiv anzugehen.
Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, betonte in seiner Eröffnungsrede die Dringlichkeit des Themas. Wohnraum sei ein zentraler Standortfaktor. Unternehmen, die ihren Beschäftigten bezahlbaren Wohnraum bieten könnten, hätten einen klaren Wettbewerbsvorteil. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, unterstrich die Herausforderungen für Ausbildungsbetriebe. 42 Prozent der ausbildenden Berliner Unternehmen sehen die Wohnraumversorgung als Problem bei der Besetzung von Lehrstellen. Manja Schreiner warb dafür, dass sich Unternehmen im Bereich des Beschäftigtenwohnens engagieren – sei es durch den Bau von Wohnungen, Kooperationen mit Wohnungsunternehmen oder die Unterstützung bei der Wohnungssuche.

Wohnungen auf dem Betriebsgelände

Ein konkretes Beispiel lieferte Dieter Mießen, kaufmännischer Leiter der Frisch & Faust Tiefbau GmbH. Das Unternehmen hat auf seinem Betriebsgelände Appartements für die Beschäftigten gebaut. Für das Unternehmen war klar, dass sie nur dann Arbeitskräfte gewinnen könnten, wenn sie ihnen auch eine Perspektive bieten – und dazu gehört eben auch ein Dach über dem Kopf.
Das Kolping Jugendwohnen, vertreten durch Angela Suchanka-Ortmann, setzt gezielt auf die Bedürfnisse von Auszubildenden. Durch betreutes Wohnen und günstige Mieten schafft das Unternehmen eine wichtige Grundlage für junge Menschen, die oft zum ersten Mal in eine Großstadt ziehen. In der Hauptstadt betreibt Kolping mehrere Azubiwohnheime, unter anderem in Prenzlauer Berg und Oberschöneweide.
Dr. Peter Diedrich präsentierte ein innovatives Pilotprojekt des Verbands Job und Wohnen, das einen neuen Weg beschreitet. In Spandau wird gezeigt, wie genossenschaftliches Wohnen für Beschäftigte erfolgreich umgesetzt werden kann. Das kurz vor Baubeginn stehende viergeschossige Projekt bietet nicht nur Wohnraum, sondern darüber hinaus auch vielfältige Gemeinschaftsflächen. Interessierte Kooperationspartner haben zudem noch die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion debattierten Frederik Schneider vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Landesverband Berlin/Brandenburg, Tanja Schirmann-Remhof (Plischka Möbeltransporte) und Dirk Böttcher (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen) über innovative Lösungen und Herausforderungen. Einigkeit herrschte darüber, dass neue Netzwerke und betriebliches Engagement entscheidend sind, um Fachkräfte für Berlin zu gewinnen und zu halten.

Unternehmen sind Teil der Lösung

Frederik Schneider betonte, dass Unternehmen sich bewusst werden müssten, dass sie Teil der Lösung sein könnten. Ob durch eigene Wohnprojekte oder Partnerschaften – es gebe viele Möglichkeiten, aktiv zu werden.
Um Unternehmen bei der Suche nach geeignetem Wohnraum für ihre Beschäftigten und Auszubildenden zu unterstützen, entwickeln die IHK Berlin, Berlin Partner und der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg einen Informationsleitfaden. Dieser digitale Leitfaden soll insbesondere Unternehmen, die sich nicht regelmäßig mit Immobilienfragen beschäftigen, helfen, ihren Bedarf zu definieren und die passenden Ansprechpartner in der Immobilienwirtschaft zu finden.
Unternehmen, die sich für das Thema interessieren, sollten sich informieren und Netzwerke nutzen. Die IHK Berlin steht hier als Ansprechpartner zur Verfügung. Denn eines ist klar: Die Zukunft des Beschäftigtenwohnens ist nicht nur eine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“.

von Peter Rau